Mangels einer öffentlich-rechtlichen Kontrollinstanz erleben wir in Berlin seit Jahren Verstöße gegen Mieter:innenschutzregelungen. Anders in Frankfurt am Main: Dort gibt es seit 2019 eine deutschlandweit einzigartige Stabsstelle für Mieterschutz. Sie berät, informiert und leitet bei Verdacht auf Verstöße gegen das Wirtschaftsstrafgesetz Sachverhalte an das Amt für Wohnungswesen weiter.
Frankfurt am Main hat eine brauchbare Praxis gegen übergriffige Vermieter:innen entwickelt. Das zeigen zwei aktuelle Fälle: Die Stadt verhängte Geldbußen in Höhe von 58.000 beziehungsweise 67.000 Euro gegen zwei Eigentümer:innen von Mietshäusern, in denen für Mieter:innen unzumutbare Zustände herrschten. Der Verdacht lag nahe, dass die Eigentümer:innen systematisch entmieten wollten. Die Stadt nutzte eine seit 2019 bestehende gesetzliche Regelung aus Paragraph 6 Wirtschaftsstrafgesetz (WiStG). Dieser ermächtigt zur Verhängung eines Bußgeldes in Höhe von bis zu 100.000 Euro, wenn der Vorwurf bestätigt werden kann, dass Eigentümer:innen Bauarbeiten vornehmen, die Mieter:innen zum Auszug veranlassen sollen oder wenn unzumutbare Zustände herrschen. Darüber hinaus konnte das Amt für Wohnungswesen durch Vermittlung der Stabsstelle in mehreren Fällen Urteile und Bußgelder auf Grundlage des „Mietwucherparagrafen“ 5 WiStG verhängen. Ohne Unterstützung von offizieller Stelle ist eine Klageführung für Mieter:innen auch in diesen Fällen aufgrund der Nachweisführung sehr schwierig. Das hat das Frankfurter Amt für Wohnungswesen erkannt und diese Aufgabe mit der 2019 eingeführten Stabsstelle für Mieterschutz selbst übernommen. Das Ergebnis: rechtssichere Bußgeldbescheide nach umfangreichen Ermittlungen.
Die beiden Eigentümer:innen haben Widerspruch eingelegt, weshalb das Verfahren nun vor dem Oberlandesgericht weitergeht. Doch die Aussichten für die Mieter:innen sind gut – in einem früheren Fall hatte das Landgericht bereits einmal im Sinne der Stadt Frankfurt entschieden und die Höhe des Bußgeldes für angemessen erklärt.
Aufgaben und Vorteile eines Berliner Landeswohnungsamtes
Ein solches Urteil freut uns nicht nur für die betroffenen Mieter:innen, sondern stimmt uns auch für Berlin optimistisch. Es unterstreicht auch unsere Forderung nach einem Landeswohnungsamt mit guter personeller Ausstattung in Berlin, das die Einhaltung von Regelungen des Bürgerlichenn Gesetzbuchs (BGB), des WiStG und des Strafgesetzbuches (StGB) kontrolliert und durchsetzt. Denn das Problem beschränkt sich nicht nur auf Frankfurt. Auch in Berlin sind einige Immobilieneigentümer:innen zum Leidwesen der Mieter:innen außerordentlich „kreativ“, wenn es um die Entmietung von Wohnungen geht. Ein Landeswohnungsamt in Berlin sollte daher Aufgaben wie die Stabsstelle für Mieterschutz in Frankfurt übernehmen. Dazu zählen auch die umfangreiche Überwachung der Einhaltung von Mietpreisregelungen und eine entsprechende Ahndung bei Verstößen.
Auch wenn dem zivilrechtlichen Mietrecht im BGB in vielen Fällen Grenzen gesetzt sind, kann eine solche offizielle Stelle mit entsprechenden Befugnissen Mieter:innen enorm entlasten. Denn es gibt Möglichkeiten über das Mietrecht hinaus: Bei unlauteren Verwertungsstrategien von renditeorientierten Vermieter:innen kann das Wirtschaftsstrafgesetz greifen. Die Anwendung der Paragrafen 5 (gegen Mietwucher) und 6 (Missbrauch durch bauliche Veränderungen) bleibt bislang leider in vielen Kommunen auch deshalb theoretisch, weil die Wohnungsämter für die Durchsetzung des WiStG zuständig sind. Deren Personaldecke ist viel zu dünn, um Tatbestände rechtssicher nachzuweisen. Ein Landeswohnungsamt, das diese Kontrollaufgabe übernimmt, würde die bestehende Verwaltung entlasten. Dafür müsste jedoch auf Bundesebene zunächst Paragraf 5 (Mietpreisüberhöhung) im WiStG reformiert werden. Im Rahmen einer Bundesratsinitiative hat Berlin gemeinsam mit Brandenburg, Hamburg und Nordrhein-Westfalen bereits Anfang 2022 auf die bessere Anwendbarkeit hingewirkt. Die Anforderungen zur Darlegungs- und Beweispflicht für eine vorliegende Mietpreisüberhöhung von 20 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete sind für Mieter:innen und Behörden gleichermaßen überhöht, sodass die Regelung theoretisch bleibt.
Ideen gibt es bereits, auf die Umsetzung kommt es an
Im Wahlkampf haben CDU und SPD mit mieter:innenfreundlichen Maßnahmen wie der Einführung eines Mietenkatasters und einer unabhängigen Schiedsstelle zur Miethöhe geworben. Wir nehmen die Parteien beim Wort und appellieren an die neue Landesregierung, Pläne für ein personell ausgestattetes Landeswohnungsamt schnell zu verwirklichen, um die bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten zum Mieter:innenschutz entschlossen durchzusetzen.
Ein Beitrag von Vera Colditz und Franziska Schulte
20.03.2023