Leitsätze:
1. Der Vermieter erfüllt seine vorvertraglichen Auskunftspflichten nach § 556 g Abs. 1 a Satz 1 Nr. 1 BGB – im Falle der dem Mieter bekannten oder bekannt gemachten Fläche der Mietsache – auch dann, wenn er die Vormiete lediglich als Quadratmetermiete und nicht als Gesamtmiete angibt.
2. Die Auskunftspflicht umfasst weder die konkrete Nennung der Ausnahmevorschrift noch eine Erläuterung des gesetzlichen Ausnahmetatbestandes, auf die sich der Vermieter beruft.
LG Berlin vom 26.1.2023 – 67 S 228/22 –
Mitgeteilt von VRiLG Michael Reinke
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Nach § 556 g Abs. 1 a Satz 1 Nr. 1 BGB sei – so das Landgericht – der Vermieter, soweit die Zulässigkeit der Miete auf der Vormiete beruhen solle, vor Abgabe der Vertragserklärung des Mieters verpflichtet, dem Mieter Auskunft zu erteilen, „wie hoch die Vormiete war“. Dem habe der Vermieter hier durch die der Angabe des Mietzinses unmittelbar nachfolgende Angabe der Höhe der Vormiete Rechnung getragen.
Der Hinweis „Die Vormiete ein Jahr vor Beendigung des Vormietverhältnisses betrug: 10,60 Euro pro Quadratmeter“ genüge. Anhand dieser Auskunft könne der Mieter aufgrund der in § 1 des Mietvertrages angegebenen Wohnfläche von 62,88 Quadratmetern die Höhe der im Vormietverhältnis vereinbarten Nettokaltmiete (10,60 Euro pro Quadratmeter x 62,88 Quadratmeter = 666,53 Euro) unschwer ermitteln.
Erläuternde Angaben zu der Maßgeblichkeit der Vormiete etwa durch einen Verweis auf die Ausnahmevorschrift oder durch Erläuterung, warum sie berechtigt sei, seien entbehrlich.
Denn die Gesetzesmaterialien sähen ausdrücklich vor, dass der Vermieter seiner vorvertraglichen Auskunftsobliegenheit nach § 556 g Abs. 1 a Satz 1 Nr. 1 BGB „durch bloße Angabe der Höhe der Vormiete“ nachkomme, ohne den Mieter über die Bedeutung der Information für die Zulässigkeit der Wiedervermietungsmiete zu informieren, während weitere Informationen von dem mieterseitigen und gesondert geltend zu machenden Auskunftsanspruch nach § 556 g Absatz 3 BGB erfasst seien (vgl. BT-Drs. 19/4672, Seite 27).
Im Einklang dazu habe auch der BGH (vom 18.5.2022 – VIII ZR 9/22 ) die Auskunft im Fall von § 556 g Abs. 1 a Satz 1 Nr. 3 BGB nach einer bloßen Erklärung des Vermieters, bei dem Abschluss dieses Mietvertrages handelte es sich um die erste Vermietung nach umfassender Modernisierung der Mietsache, auch ohne Verweis auf die Ausnahmevorschrift als solche als erteilt angesehen. Die Erklärung des Vermieters gelte sogar weitergehend auch als hinreichende Auskunft über den davon abweichenden Fall einer einfachen Modernisierung im Sinne von § 556 g Abs. 1 a Satz 1 Nr. 2 BGB, mit der sich der Vermieter erfolgreich auf den weiteren Ausnahmetatbestand des § 556 e Abs. 2 BGB berufen könne.
Urteilstext
Gründe
I.
Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 313a Abs. 1 Satz 1, 540 Abs. 2, 544 Abs. 2 ZPO abgesehen.
II.
Die Berufung hat auch bei zugunsten der Klägerin angenommener Aktivlegitimation und Wirksamkeit der Mietenbegrenzungsverordnung Berlin vom 28. April 2015 in vollem Umfang Erfolg.
Der noch streitgegenständliche Anspruch auf Auskunft über Modernisierungsmaßnahmen in den letzten drei Jahren vor Beginn des Mietverhältnisses ist jedenfalls unbegründet. Die von der Klägerin mit der Klage verlangten Auskünfte waren aufgrund des bereits bei Anhängigkeit der Klage beendeten Mietverhältnisses für die Zulässigkeit der vereinbarten Miete nicht (mehr) maßgeblich im Sinne von § 556g Abs. 3 Satz 1 BGB in der vom 1. Januar 2019 bis 21. März 2020 geltenden Fassung (vgl. BGH, Urt. v. 23. März 2022 – VIII ZR 133/20, WuM 2022, 269, juris Tz. 20ff.; Versäumnisurt. v. 18. Mai 2022 – VIII ZR 9/22, WuM 2022, 468, juris Tz. 49ff.). Die Beklagte könnte sich gegenüber etwaigen bis zur Beendigung des Mietverhältnisses begründeten Rückzahlungsansprüchen unter keinem denkbaren Gesichtspunkt auf eine umfassende Modernisierung zur Begründung des Ausnahmetatbestandes des § 556e Abs. 2 BGB i.V.m. § 556f Satz 2 BGB berufen, da die im Fall der Nachholung der bislang nicht erteilten Auskunft laufende Sperrfrist des § 556 Abs. 1a Satz 3 BGB idF vom 18. Dezember 2018 erst nach der bereits Ende Februar 2021 erfolgten Beendigung des Mietverhältnisses ablaufen würde. Ausgehend davon kann vorliegend die verlangte Auskunft keine Bedeutung für die Entscheidung des Mieters über die Verfolgung weitergehender Zahlungsansprüche gegen die Beklagte haben (vgl. BGH, a.a.O., Tz. 35; LG München I, Urt. v. 6. Dezember 2017 – 14 S 10058/17, NJW 2018, 407 Tz. 18, beck-online für den Fall der Nichtigkeit der zugrundeliegenden Gebietsverordnung der Landesregierung; BeckOK MietR/Theesfeld-Betten, 30. Ed. 1. November 2022, BGB, § 556g Rn. 38).
Die Berufung ist ebenfalls begründet, soweit sie sich gegen den von dem Amtsgericht zuerkannten Anspruch auf Rückzahlung der von dem Mieter überzahlten Miete für den Monat Februar 2020 in Höhe von 73,21 EUR gemäß § 556g Abs. 1 Satz 2 und 3 aF i.V.m. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt.1, 389 Satz 1 BGB wendet.
Die Vereinbarung der Beklagten mit dem Mieter über die Miethöhe verstößt nicht gegen § 556d Abs. 1 BGB aF, da sich die Beklagte auf die der vereinbarten Nettokaltmiete/m² entsprechende und die höchstzulässige Miete nach § 556d Abs. 1 BGB nicht übersteigende höhere Vormiete im Sinne von § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB berufen kann.
Danach darf eine Miete bis zur Höhe der Vormiete vereinbart werden, wenn die Miete, die der vorherige Mieter zuletzt schuldete (Vormiete), höher als die nach § 556d Abs. 1 BGB im streitgegenständlichen Mietverhältnis zulässige Miete ist. Diese Voraussetzungen sind hier ausgehend von der in dem Mietvertrag nach Erläuterung des Mietzinses beigefügten Mitteilung der tatsächlich geschuldeten Vormiete von 10,60 EUR/m² erfüllt.
Der Geltendmachung des Ausnahmetatbestands des § 556e BGB steht die Sperrfrist des § 556 Abs. 1a Satz 3 BGB aF, wonach sich der Vermieter erst zwei Jahre nach Nachholung der Auskunft zu dem Ausnahmetatbestand des § 556e Abs. 2 BGB auf die Ausnahmeregelung berufen darf (§ 556g Abs. 1a Satz 1 Nr. 1, Satz 3 BGB aF iV.m. Art 229 § 51 EGBGB), nicht entgegen. Denn die Beklagte hat vor Abgabe der Vertragsklärung des Mieters gemäß § 556g Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 BGB hinreichend Auskunft durch Angabe der ausweislich der Mieterhöhungserklärung vom 20. September 2018 ein Jahr vor Beendigung des Vormietverhältnisses vereinbarten Vormiete in § 3 (1) „Miete…“ des Mietvertrags am Ende der Mietpreisabrede mittels des Hinweises „Die Vormieter ein Jahr vor Beendigung des Vormietverhältnisses betrug: 10,60 €/m².“ erteilt. Anhand dieser Auskunft konnte der Mieter aufgrund der in § 1 (1) des Mietvertrages angegebenen Wohnfläche von 62,88 m² die Höhe der im Vormietverhältnis vereinbarten Nettokaltmiete (10,60 EUR/m² x 6,88 m²= 666,53 EUR) unschwer ermitteln. Nach § 556g Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 BGB ist der Vermieter, soweit die Zulässigkeit der Miete auf § 556e Abs. 1 BGB beruht, vor Abgabe der Vertragserklärung des Mieters verpflichtet, dem Mieter Auskunft zu erteilen, „wie hoch die Vormiete war“. Dem hat die Beklagte durch die der Angabe des Mietzinses unmittelbar nachfolgende Angabe der Höhe der Vormiete Rechnung getragen.
Soweit über eine solche reine Mitteilung hinaus erläuternde Angaben zu der Maßgeblichkeit der Vormiete etwa durch einen Verweis auf die Ausnahmevorschrift oder durch Erläuterung, warum sie berechtigt sei, den entsprechenden Mietzins zu fordern und/oder Nachweise gefordert werden (vgl. etwa MüKoBGB/Artz, 8. Aufl. 2020, BGB § 556g Rz. 10), stehen diesem Verständnis nicht nur der eindeutige Wortlaut der Vorschrift, sondern auch die Gesetzesmaterialien zum Mietrechtsanpassungsgesetz entgegen. Diese sehen ausdrücklich vor, dass der Vermieter seiner vorvertraglichen Auskunftsobliegenheit nach § 556g Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 BGB „durch bloße Angabe der Höhe der Vormiete“ nachkommt, ohne den Mieter über die Bedeutung der Information für die Zulässigkeit der Wiedervermietungsmiete zu informieren, während weitere Informationen von dem mieterseitigen und gesondert geltend zu machenden Auskunftsanspruch nach § 556g Abs. 3 BGB erfasst sind (vgl. BT-Drs. 19/4672, S. 27; BeckOGK/Fleindl, Stand 1.10.2022, BGB, § 556g Rz. 59, 64, 114; Schmidt-Futterer/Börstinghaus, 15. Aufl. 2021, BGB, § 556g Rz. 27a-e; Staudinger/V Emmerich, Neubearbeitung 2021, BGB, § 556g, Rz. 44ff.; Lützenkirchen/ Abramenko, Mietrecht, 3. Aufl. 2021, BGB, § 556g Rz. 19; NK-BGB/Werner Hinz, 4. Aufl. 2021, BGB, § 556g Rz. 22b; Eisenschmid, WuM 2019, 225, 229, 232; Herlitz, jurisPR-MietR 2/2019 Anm. 1). Im Einklang dazu hat auch der BGH (Versäumnisurt. v. 18. Mai 2022, a.a.O., Tz. 53-54) die Auskunft im Fall von § 556g Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 BGB nach einer bloßen Erklärung des Vermieters, bei dem Abschluss dieses Mietvertrages handelte es sich um die erste Vermietung nach umfassender Modernisierung der Mietsache, auch ohne Verweis auf die Ausnahmevorschrift als solche als erteilt angesehen. Die Erklärung des Vermieters gelte sogar weitergehend auch als hinreichende Auskunft über den davon abweichenden Fall einer einfachen Modernisierung i.S.v. § 556g Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 BGB, mit der sich der Vermieter erfolgreich auf den weiteren Ausnahmetatbestand des § 556e Abs. 2 BGB berufen könne (vgl. BGH, a.a.O.). Ohnehin obliegen dem Vermieter im Fall weiterer Nachfragen des Mieters zu der Vormiete bei Abschluss des Mietvertrages weitergehende Aufklärungspflichten (Staudinger/V Emmerich, a.a.O., Rz. 46, 51). Eine weitergehende Auslegung wäre allenfalls dann gerechtfertigt, wenn eine über den Wortlaut hinausgehende Auskunftsverpflichtung des Vermieters zumindest in der Gesetzesbegründung mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht wäre (vgl. Kammer, Urt. v. 22. September 2022 – 67 S 113/22, MDR 2022, 154, juris Tz. 30). Daran aber fehlt es.
Davon ausgehend kann sich die Beklagte mit Erfolg auf die gemäß § 556d Abs. 1 Satz 1 BGB preisrechtlich zulässige und aus der Angabe im Mietvertrag folgende Vormiete in Höhe der dort vereinbarten Nettokaltmiete von 666,53 EUR berufen, §§ 556e Abs. 1 Satz 1, 556d Abs. 1 BGB. Dieser Vormietzins überschreitet die für das am 1. Januar 2016 begonnene Vormietverhältnis geltenden Preisgrenzen des § 556d Abs. 1 BGB unter Heranziehung des Berliner Mietspiegels 2015 nicht:
Nach Maßgabe des wechselseitigen Vorbringens der Parteien ergibt sich im Wege der Schätzung gemäß § 287 ZPO ausgehend von dem zutreffenden Spannenoberwert des Mietspiegelfelds I 7 eine preisrechtlich zulässige Miete in Höhe von 10,60 EUR/m² von (9,64 EUR/m² x 1,1) und damit die preisrechtlich zulässige Gesamtmiete von 668,78 EUR (10,60 EUR x 62,88 m²). Dabei ist anders als vom Amtsgericht angenommen allerdings neben den unstreitig positiven Merkmalgruppen 1 bis 4 auch die Merkmalgruppe 5 als positiv zu werten. Zwar ist eine wohnwerterhöhende bevorzugte Citylage – deren Bewertung von der Berufung auch nicht angegriffen wird – zu verneinen. Jedoch ist das Negativmerkmal einer besonders lärmbelasteten Lage nicht begründet. Die Wohnadresse der streitbefangenen Wohnung ist im Straßenverzeichnis des Mietspiegels 2015 (ebenso wie im Mietspiegel 2017) nicht als verkehrslärmbelastet bezeichnet. Für die Annahme einer ausnahmsweise dennoch gegebenen hohen Lärmbelästigung in dem für die Mietspiegeleinordnung maßgeblichen Zeitpunkt des am 1. Januar 2016 begonnenen Vormietverhältnisses (§ 556d Abs. 1 BGB) fehlt es bereits an substantiiertem Vortrag der Klägerin, die lediglich auf die Berliner Lärmkarte des vorliegend nicht maßgeblichen Jahres 2018 verwiesen hat. Zudem ist nach dem unbestrittenen Vorbringen der Beklagten das wohnwerterhöhende Merkmal einer gepflegten und nur den Mietern zugänglichen sichtbegrenzenden Müllstandfläche gegeben. Das diesbezügliche Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 2. September 2022 ist als Folge der Zurückweisung des diesbezüglichen Vortrags durch das Amtsgericht als gemäß § 296a Satz 1 ZPO neues Vorbringen anzusehen (vgl. Musielak/Voit/Huber, 19. Aufl. 2022, ZPO § 296a Rz. 6f.), das mangels erheblichen Bestreitens der Klägerin nicht gemäß §§ 529, 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO verspätet war (vgl. BeckOK ZPO/Wulf, 46. Edition 1. September 2022, ZPO, § 531 Rz. 6).
Nach dieser Maßgabe ist die Berufung mangels bestehender Ansprüche wegen preisrechtlich überzahlter Miete auch begründet, soweit das Amtsgericht den aus abgetretenem Recht erhobenen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten gemäß §§ 280 Abs. 1, 249 Abs. 1, 398 BGB, 4 Abs. 5 RDGEG aF für begründet erachtet hat. Daran ändern die zunächst gemäß § 556g Abs. 3 BGB aF begründeten und von der Klägerin vorgerichtlich geltend gemachten Auskunftsansprüche nichts. Denn die Klägerin hat nach ihrem eigenen Vortrag als Gegenstand der Bemessung und Berechnung der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten lediglich die außergerichtlich geltend gemachten Primäransprüche berücksichtigt, die aber aus vorstehenden Erwägungen nicht bestanden.
Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in §§ 92 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 91a, 516 Abs. 3 ZPO. Eine etwaige Kostentragung der Beklagten hinsichtlich des teilweise übereinstimmend für erledigt erklärten Auskunftsverlangens fiele im Hinblick auf die Anwendung des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nur unerheblich ins Gewicht, so dass die insoweit zwischen den Parteien strittige Frage der formellen Wirksamkeit der Berliner MietenbegrenzungsVO 2015 dahinstehen kann.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10 Satz 1, 713, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Gründe, die Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO zuzulassen, bestanden nicht. Die – geringen – Anforderungen an die (vor-)vertraglichen Hinweispflichten des Vermieters nach § 556g Abs. 1a Satz 1 BGB sind durch den BGH mittlerweile geklärt (vgl. BGH, Versäumnisurt. v. 18. Mai 2022, a.a.O.). Von diesen Grundsätzen, die auch für die von der Kammer zu beurteilende Vertragsgestaltung entsprechende Geltung beanspruchen, weicht die Kammer nicht ab.
28.06.2023