Mit dem Baulandmobilisierungsgesetz verabschiedete die schwarz-rote Bundesregierung im Juni 2021 ein Bündel neuer Instrumente im Baugesetzbuch, die die Handlungsoptionen der Städte und Gemeinden für die soziale Wohnraumversorgung stärken sollen. Dazu gehört auch ein sektoraler Bebauungsplan. Wir haben mit den beiden Expert:innen Franciska Frölich von Bodelschwingh und Magnus Krusenotto vom Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) über die Potenziale des neuen Instruments gesprochen.
Was ist der sektorale Bebauungsplan und wie hängt er mit der sozialen Wohnraumversorgung von Gemeinden beziehungsweise Bezirken zusammen?
Viele Wohnungen entstehen auf Flächen innerhalb der Städte und Gemeinden, für die es keinen Bebauungsplan gibt – der sogenannte unbeplante Innenbereich. Hier richtet sich die Zulässigkeit der Wohnbauvorhaben nach der vorhandenen Bebauung in der näheren Umgebung (vgl. Paragraph 34 Baugesetzbuch, BauGB). Das heißt, in diesen Gebieten ist kein gesonderter Bebauungsplan notwendig, solange sich ein Bauvorhaben in die nähere Umgebung einfügt. Bisher war es nicht möglich, den Vorhabenträger zu einem bestimmten Anteil an sozialem Wohnraum zu verpflichten. Mit dem sektoralen Bebauungsplan können Städte und Gemeinden nun insbesondere Flächen bestimmen, auf denen sie den Vorhabenträger zur Errichtung von sozialem Wohnraum verpflichten.
Was ist der Unterschied zur kooperativen Baulandentwicklung? Und zu welcher Quote an sozialem Wohnraum kann der sektorale Bebauungsplan Eigentümer:innen verpflichten?
Das Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung und die darin verankerte Verpflichtung zur Errichtung von sozial gefördertem Wohnraum greift nur, wenn über einen regulären Bebauungsplan neues Baurecht geschaffen wird, also nicht nach Paragraph 34 BauGB. Der Anteil an sozial geförderten Wohnungen beträgt dabei 30 Prozent der Geschossfläche.
Beim sektoralen Bebauungsplan hingegen ist dieser Anteil gesetzlich nicht festgelegt. Die Verpflichtung kann sich auf einzelne oder alle Wohnungen in einem Gebäude beziehen. Bisher gibt es wenig Erfahrungen mit dem neuen Planungsinstrument, sodass noch nicht klar ist, wie hoch die Quote in den sektoralen Bebauungsplänen sein wird. Erste Anwendungsfälle der Landeshauptstadt München sehen beispielsweise eine Quote von 40 Prozent vor.
Ist es möglich, den sektoralen Bebauungsplan nicht nur auf unbebauten Grundstücken und Flächen anzuwenden, sondern auch auf bereits bebauten?
Es ist durchaus möglich, dass auf einer Fläche, die mit einem sektoralen Bebauungsplan überplant wird, bereits Wohngebäude vorhanden sind. Die Gebäude genießen dann allerdings Bestandsschutz, sodass die bestehenden Wohnungen nicht nachträglich in sozial geförderte Wohnungen umgewandelt werden können. Die Verpflichtungen aus dem sektoralen Bebauungsplan beziehen sich also nur auf die Neuerrichtung von Wohngebäuden. Genauso wenig wirkt sich die Verpflichtung auf anderweitig genutzte Gebäude aus, wie beispielsweise Gewerbe- oder Bürogebäude.
Ist der sektorale Bebauungsplan mit einem Baugebot verbunden?
Nein, eine unmittelbare Bauverpflichtung im Sinne eines Baugebotes ist mit der Festsetzung im sektoralen Bebauungsplan nicht verbunden. Ein einmal aufgestellter sektoraler Bebauungsplan hat dann allerdings dauerhaft Bestand.
In Berlin traut sich offenkundig noch kein Bezirk, den sektoralen Bebauungsplan umzusetzen. Woran liegt das?
Es ist durchaus üblich, dass neue Planungsinstrumente eine gewisse Anlaufzeit brauchen, bis die Städte und Gemeinden sie umsetzen. Das Zögern bei der Anwendung des sektoralen Bebauungsplans ist nicht nur in Berlin, sondern bundesweit zu beobachten. Häufig geht mit einer Neuregelung auch eine gewisse Rechtsunsicherheit einher, die zunächst erste Anwendungsfälle oder die folgende Rechtsprechung dazu ausräumen müssen. Beim sektoralen Bebauungsplan gibt es insbesondere offene Rechtsfragen zu möglichen Entschädigungszahlungen, die sich durch einen geminderten Ertrag des Grundstücks aufgrund der Sozialbindungen beim sozialen Wohnraum ergeben.
Der sektorale Bebauungsplan stellt eine interessante Ergänzung des planungsrechtlichen Instrumentariums für die soziale Wohnraumversorgung dar, die zahlreiche Akteure schon lange gefordert hatten. Bisher hat die Regelung nur befristet Einzug in das Baugesetzbuch gehalten, so dass Städte oder Gemeinden, die den sektoralen Bebauungsplan anwenden wollen, bis zum 31. Dezember 2024 einen Aufstellungsbeschluss fassen und das Verfahren bis spätestens 31. Dezember 2026 abschließen müssen. Allerdings sieht der Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung eine Entfristung vor. Es ist daher zu erwarten, dass der sektorale Bebauungsplan in das Dauerrecht überführt wird. Wir sind gespannt auf die Anwendungsfälle und die Praxis, die sich etablieren wird.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Franziska Schulte
Franciska Frölich v. Bodelschwingh und Magnus Krusenotto sind wissenschaftliche Mitarbeitende im Forschungsbereich „Stadtentwicklung, Recht und Soziales“ am Deutschen Institut für Urbanistik (Difu). Die Schwerpunkte ihrer Arbeit liegen in den Themenfeldern Stadtentwicklung, Wohnen und Planungsrecht.
20.09.2023