Berlin-Moabit, Dortmunder Straße 14: Die Adresse ist ein Paradebeispiel für die Gentrifizierung in traditionellen Wohnvierteln. Mieterinnen und Mieter in der Umgebung fürchten, auf die gleiche Weise verdrängt zu werden.
Architekt Tobias Nöfer, 56, seit Jahrzehnten führend in Planungsgruppen zur Privatisierung der Innenstadt, baut „edle Eigentumswohnungen in traumhafter Wasserlage direkt an der Spree“ – einen Wohnkomplex in der Dortmunder Straße 14. Das bisherige Wohnhaus aus den 60er Jahren wurde abgerissen, die dortigen Mieter:innen sind in alle Winde zerstreut. „The Flâneur“, wie das Projekt aus einem Mix von Englisch und Französisch genannt wird, sei „finest living on the riverside“ (Kundenwerbung) – bezahlbares Wohnen ist es nicht.
Nöfer will, laut Immobilienpodcast, den Ausverkauf der Stadt stoppen, und hofft auf die neue Koalition und auf den Bund, um „ernsthaft neue Wege zu suchen: Es sei nicht einfach: „Nur der Neubau, der hilft.“ Nöfer plädiert dafür, „dass die normalen Leute auch ihr Glück finden können.“
Die einstige Mieterschaft ist vor dem Abriss zum Auszug bewegt worden. Auch hätte sich kaum eine:r das leisten können bei Kaufpreisen von 1.505.000 bis 1.895.000 Euro – für vier bis sechs Zimmer. Bis 3,80 Meter beträgt die Deckenhöhe, Gutschein für die SieMatic-Küche ist inklusiv.
In Moabit organisierten die von Gentrifizierung Betroffenen einen „Runden Tisch“. Sprecherin Susanne Torka kennt den Ablauf: „In der Calvinstraße 21, in der Melanchthonstraße, in der Jagowstraße 35 – überall das gleiche Gruselstück der Gentrifizierung.“ Die Erfahrung lehrt, dass die meisten Mieter:innen kaum ihre Rechte kennen, eingeschüchtert sind und sich deshalb nicht wehren. Wäre das anders, könnten sie möglicherweise oft in ihrem Kiez wohnen bleiben.
Silke Kettelhake
27.09.2023