Der 14-Punkte-Plan zum Abschluss des Wohnungsbaugipfels trägt weder zu mehr bezahlbarem Wohnraum noch zu sinkenden Mieten bei. Stattdessen ist er ein reines Maßnahmenpaket zur wirtschaftlichen Stabilisierung der Bau- und Wohnungswirtschaft.
Eigentlich hätte der Baugipfel ein Wohngipfel werden sollen. Auf Einladung von Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesbauministerin Klara Geywitz kamen die Mitglieder des Bündnisses bezahlbarer Wohnraum am 25. September 2023 im Kanzleramt zu einem großen Gipfeltreffen zusammen. Doch einige Tage vor dem Termin verschob sich der Fokus komplett auf den Wohnungsneubau – der Erhalt bezahlbaren Wohnraums und das Thema Mietrecht fehlten auf der Agenda.
Mit Steuererleichterungen den Neubau ankurbeln
Der Wohnungsneubau ist ins Stocken geraten – schon jetzt ist klar, dass die Bundesregierung das Ziel von 400.000 neu errichteten Wohnungen jährlich (davon 100.000 Sozialwohnungen) nicht erreichen wird. Die konjunkturellen Probleme der Bau- und Immobilienbranche aufgrund gestiegener Zinsen und Baukosten haben sich deutlich verschärft. Die Spekulation mit Boden und Immobilien tut seit Jahren schon das Übrige und lässt die Preise drastisch steigen.
Die Bundesregierung reagiert darauf jetzt mit einem 14-Punkte-Plan, der die Konjunktur beim Wohnungsneubau ankurbeln soll. Zentrale Maßnahmen sind Steuererleichterungen und attraktive Neubauförderungen für Familien. Weitere Kosteneinsparungen will die Bundesregierung mit der Absenkung einer Reihe von Energiestandards sowie dem Bürokratieabbau bei Genehmigungsverfahren erreichen. Vorgaben für Obergrenzen bei den Baukosten oder den Miethöhen im Gegenzug zu den finanziellen Zuwendungen fehlen hingegen. Ebenso fehlen Aussagen zur Umsetzung der dringend notwendigen Koalitionsverabredungen zum Mietrecht, die Verschärfung der Mietpreisbremse, die Absenkung der Kappungsgrenzen bei Mieterhöhungen oder auch ein Verbot für Indexmietverträge.
Sozial ungerecht und klimapolitisch verfehlt
Im Rahmen des Wachstumschancengesetz versucht die Bundesregierung, den Wohnungsbau mittels Steuererleichterungen anzuschieben: Sie verdoppelt den Abschreibungssatz auf Immobilien für sechs Jahre. Eine Förderung mit der Gießkanne, von der keine großen Effekte im Bereich bezahlbares Wohnen zu erwarten sind, weil es an verbindlichen Vorgaben zu den Miethöhen fehlt. Alle Investor:innen beim Wohnungsneubau können von den neuen Abschreibungsmöglichkeiten Gebrauch machen – auch diejenigen, die teure Miet- oder Eigentumswohnungen bauen. Das ist besonders ärgerlich, weil finanzielle Mittel zwar eingesetzt werden, die geplante Neue Wohngemeinnützigkeit mit dauerhaft gebundenen Mieten jedoch aufgrund einer unzureichenden Finanzierung noch weiter ausgebremst werden könnte – seit Juni liegt ein Eckpunktepapier aus dem Bauministerium vor, ohne eine Konkretisierung zu Steuervorteilen und Förderungen.
Die alleinige Fokussierung auf den privaten Wohnungsneubau ist nicht nur sozial ungerecht, sondern auch klimapolitisch nicht zu rechtfertigen: Der Bau von 400.000 Wohnungen pro Jahr würde genauso viele CO2-Emissionen freisetzen wie die jährliche Beheizung des gesamten deutschen Wohnungsbestandes.
Verlust bezahlbaren Wohnraums im Bestand
In den Großstädten geht der noch bezahlbare Wohnraum aufgrund einer schlecht funktionierenden Mietpreisbremse Jahr für Jahr massenhaft verloren. In Berlin gehen wir von etwa 50.000 neuen Mietverträgen jährlich in bestehenden Wohngebäuden aus. Selbst wenn die Vermieter:innen bei der Wiedervermietung die Regelungen der Mietpreisbremse berücksichtigen, führen die Mietanpassungen in den neuen Mietverträgen dazu, dass das bezahlbare Wohnraumsegment ausdünnt. Diesen Verlust kann keine noch so engagierte Neubaupolitik kompensieren. Und selbst wenn sich alle Investoren ausschließlich auf den sozialen Wohnungsneubau beschränkten, dürfte es kaum möglich sein, ein Angebot zu schaffen, das die Nachfrage übersteigt. Das wäre die Voraussetzung dafür, dass zumindest für einige Wohnungen die Mietpreise sinken würden.
Hinter der These, eine strengere Mietenregulierung schade dem Wohnungsbaugeschehen, steckt die Annahme, Neubau nütze allen Mieter:innen und hätte einen dämpfenden Einfluss auf das gesamte Mietniveau. Das aber ist mit der aktuellen Neubauquote schlicht unmöglich. Für Berlin würde ein Zuwachs von 10.000 neuen Mietwohnungen pro Jahr gerade einmal 0,6 Prozent des gesamten Mietwohnungsbestandes ausmachen – in fünf Jahren würde die Zuwachsquote nicht einmal fünf Prozent betragen. Bei weiterhin leichtem Bevölkerungszuwachs ist der Markteffekt gleich Null.
Ein grundsätzliches Umdenken ist erforderlich
Ja, es fehlt Wohnraum. Deshalb sollte sich die Wohnungswirtschaft beim Neubau auf das preisgünstige Segment konzentrieren, Umbau, kleinteilige Erweiterungs- und Ergänzungsbauten prüfen sowie mit einer besseren Nutzung der vorhandenen Wohnflächen das Angebot erhöhen. Dazu ist jedoch zunächst ein grundsätzliches Umdenken erforderlich sowie eine politische Steuerung. Und: Ohne eine Beendigung der Spekulation mit Boden und Wohngebäuden wird es schwierig.
In eine ähnliche Richtung wies kürzlich der 37. Runde Tisch Liegenschaftspolitik zum Thema „Bauen, Nicht Bauen, Umbauen“, der am vergangenen Freitag im Abgeordnetenhaus stattfand. Stadtentwicklungsforscherin Michaela Christ vom Deutschen Institut für Urbanistik (difu) räumte dort mit den vermeintlichen Zielkonflikten auf, die durch den Anspruch auf eine soziale und zugleich ökologische Stadt entstünden. Das Problem sei vielmehr, dass unsere Gesellschaft Wachstum als „zentralen Problemlösungsmodus“ betrachte. Ein Modus, dem auch die Bundesregierung mit ihrem Wachstumschancengesetz sowie den Neubauförderungen für mehr Eigentum folgt und damit erneut die Chancen auf soziale Gerechtigkeit und auf mehr Klimaschutz verspielt.
Ein Beitrag von Franziska Schulte
19.10.2023