Leitsatz:
Die Annahme des Negativmerkmals „Schlechter Instandhaltungszustand (zum Beispiel dauernde Durchfeuchtung des Mauerwerks – auch Keller –, große Putzschäden, erhebliche Schäden an der Dacheindeckung)“ nach der Orientierungshilfe zum Berliner Mietspiegel 2021 kann bereits bei e i n e r erheblichen Schadstelle an einem der nur beispielhaft genannten Gebäudeteile, die auf einen schlechten, von dem durchschnittlichen Instandsetzungszustand ähnlicher Gebäude abweichenden, Zustand des Gesamtgebäudes schließen lässt, zu bejahen sein.
LG Berlin vom 23.8.2022 – 67 S 77/22 –
Mitgeteilt von Ri´inLG Bettina von Gierke
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Das Gericht führt aus, dass es für die Annahme des wohnwertmindernden Merkmals „Schlechter Instandhaltungszustand (zum Beispiel dauernde Durchfeuchtung des Mauerwerks – auch Keller –, große Putzschäden, erhebliche Schäden an der Dacheindeckung)“ entscheidend auf das im maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs des Mieterhöhungsverlangens feststellbare Vorliegen erkennbarer gebäudebezogener Schäden in einem Umfang ankomme, der nach dem gesamten Eindruck des bestehenden Instandsetzungsbedarfs den Schluss auf einen schlechten Instandhaltungszustand des Gebäudes zulasse. Dabei sei maßgeblich auf Art und Ausmaß substanzieller Schäden an einem wesentlichen, beispielhaft in dem Klammerzusatz genannten oder damit vergleichbaren, Gebäudeteil abzustellen, wobei es nach dem eindeutigen Wortlaut der Orientierungshilfe nicht weitergehend der Feststellung eines „überwiegend“ schlechten Zustands bedürfe, wie schon der Vergleich mit dem weiteren Negativmerkmal Treppenhaus/Eingangsbereich aufgrund des dort ausdrücklich formulierten Zusatzes „überwiegend“ zeige. Vorliegend weise das Gebäude im Zeitpunkt des Zugangs des Mieterhöhungsverlangens einen schlechten Instandhaltungszustand auf. Denn allein aufgrund der nach Art und Ausmaß vorhandenen erheblichen Schäden am Dach war eine Beeinträchtigung auch der Bausubstanz des Gebäudes zu besorgen, die den Schluss auf einen schlechten – zu verstehen als einen deutlich hinter dem durchschnittlichen Instandhaltungszustand ähnlicher Gebäude zurückbleibenden – Unterhaltungszustand zulasse.
Die Mieter hätten im ersten Rechtszug detailliert die Beeinträchtigung der Bausubstanz des Gebäudes, ausgehend von nach Art und Ausmaß konkret beschriebenen erheblichen Schäden an der Dachrinne und der Dachkehle, dargetan, hierzu insbesondere konkret zu einer bei jedem Niederschlag zu verzeichnenden Beeinträchtigung der Gebäudesubstanz sowie vorgetragen, schon bei normalen Regenmengen aus der Dachrinne sowie selbst bei kleineren Regenmengen in der Gebäudeecke würde aus der Dachrinne Wasser heraus- und wasserfallartig an der Fassade herunterlaufen. Weiterhin sei tropfendes Wasser von der Dachrinne sowie bei anhaltenden Regenfällen oder Starkregen im Hof stehendes Wasser neben regelmäßig als Folge der Überflutung des Hofes in den Keller eindringendes Wasser zu verzeichnen, wie im Einzelnen durch die zur Akte gereichten Fotografien belegt.
Dem sei die Vermieterin nicht hinreichend entgegengetreten.
Anders als die Vermieterin meine, bedurfte es schließlich nicht der Feststellung weiterer gebäudebezogener auf einen Instandsetzungsbedarf des Gesamtgebäudes hinweisender Substanzschäden. Dies folge bereits aus den im Mietspiegel nur beispielhaft, nicht aber kumulativ vorausgesetzten Schadstellen am Gebäude, sei darüber hinaus auch bei wertender Betrachtung gerechtfertigt, da bereits nicht nur unerhebliche Schadstellen im Bereich des Daches des vorliegend anzunehmenden Ausmaßes den Rückschluss auf einen auf das Gesamtgebäude bezogenen, von dem üblichen Instandsetzungszustand abweichenden schlechten Instandhaltungszustand zuließen.
Mithin sei die Merkmalgruppe 4 negativ, ohne dass es darauf ankomme, ob eine dauerhafte Durchfeuchtung des Kellers vorlag oder sich das Treppenhaus in einem überwiegend schlechten Zustand befand.
Urteilstext
Gründe
I.
Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 313a Abs. 1 Satz 1, 540 Abs. 2, 544 Abs. 2 ZPO abgesehen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Klägerin steht gegenüber den Beklagten gemäß § 558 BGB kein Anspruch auf Zustimmung zur Erhöhung der Nettokaltmiete von 818,40 € auf monatlich 843,46 € mit Wirkung zum 1. Juni 2021 zu.
Die ortsübliche Miete ist anhand des Berliner Mietspiegels 2021 zu ermitteln. Die Parteien haben im vorliegenden Rechtsstreit keine Einwände gegen die Anwendbarkeit des Mietspiegels vorgebracht, die Zweifel daran begründen, dass die innerhalb der Spannen liegenden Mietwerte die ortsübliche Miete für die Wohnungen des jeweiligen Mietspiegelfelds widerspiegeln. Es bestehen schon deshalb keine Bedenken, zur Bestimmung der zwischen den Parteien streitigen ortsübliche den Berliner Mietspiegel 2021 heranzuziehen (vgl. auch LG Berlin, Urteil vom 24. Mai 2022 – 65 S 189/21, juris; Kammer, Urteil vom 9. Juni 2022 – 67 S 50/22, Rn. 7 juris; BeckOGK/Fleindl, Stand: 1.10.2022, BGB § 558c Rn. 18).
Auf der Grundlage des Berliner Mietspiegels 2021 errechnet sich unter Berücksichtigung der Orientierungshilfe für die Spanneneinordnung als Schätzgrundlage (§ 287 Abs. 2, Abs. 1 Satz 2 ZPO; vgl. BGH, Urteil vom 18. November 2020 – VIII ZR 123/20 -, Rn. 41 juris) eine ortsübliche Einzelvergleichsmiete gemäß § 558 Abs. 2 BGB im Zeitpunkt des Zugangs des Mieterhöhungsverlangens, die bereits die von den Beklagten entrichtete Ausgangsmiete überschreitet.
Ausgehend von dem einschlägigen Mietspiegelfeld K1 ergibt sich im Wege der Schätzung gemäß § 287 ZPO unter Berücksichtigung des aus den zutreffenden Gründen begründeten Abschlags von 40 % der Differenz zum Spannenunterwert vom Mittelwert eine ortsübliche Vergleichsmiete von 802,56 € nettokalt.
Ohne Erfolg wendet sich die Berufung gegen die Einordnung der Merkmalgruppe 4 (Gebäude) als negativ. Die diesbezüglich von dem Amtsgericht vorgenommene Spanneneinordnung ist aus den überzeugenden hier geteilten Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht zu beanstanden. Das Negativmerkmal „Schlechter Instandhaltungszustand (z.B. dauernde Durchfeuchtung des Mauerwerks – auch Keller -, große Putzschäden, erhebliche Schäden an der Dacheindeckung)“ ist nach dem Vorbringen der Parteien erfüllt. Für die Annahme dieses wohnwertmindernden Merkmals kommt es entscheidend auf das im maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs des Mieterhöhungsverlangens feststellbare Vorliegen erkennbarer gebäudebezogener Schäden in einem Umfang an, der nach dem gesamten Eindruck des bestehenden Instandsetzungsbedarfs den Schluss auf einen schlechten Instandhaltungszustand des Gebäudes zulässt. Dabei ist maßgeblich auf Art und Ausmaß substanzieller Schäden an einem wesentlichen beispielhaft in dem Klammerzusatz genannten oder damit vergleichbaren Gebäudeteil abzustellen, wobei es – anders als die Berufung meint – nach dem eindeutigen Wortlaut der Orientierungshilfe (vgl. LG Berlin, Urteil vom 10. April 2015 – 65 S 476/14 -, Rn. 4 juris) nicht weitergehend der Feststellung eines „überwiegend“ schlechten Zustands bedarf, wie schon der Vergleich mit dem weiteren Negativmerkmal Treppenhaus/Eingangsbereich aufgrund des dort ausdrücklich formulierten Zusatzes „überwiegend“ zeigt.
Nach dieser Maßgabe geht das Amtsgericht beanstandungsfrei davon aus, dass das Gebäude im Zeitpunkt des Zugangs des Mieterhöhungsverlangens einen schlechten Instandhaltungszustand aufwies. Denn ausweislich des maßgeblichen Parteivortrags war allein aufgrund der nach Art und Ausmaß vorhandenen erheblichen Schäden am Dach eine Beeinträchtigung auch der Bausubstanz des Gebäudes zu besorgen, die den Schluss auf einen schlechten – zu verstehen als einen deutlich hinter dem durchschnittlichen Instandhaltungszustand ähnlicher Gebäude zurückbleibenden – Unterhaltungszustand zulässt.
Das Vorliegen des wohnwertmindernden Merkmals „Schlechter Instandhaltungszustand“ steht vorliegend bereits aufgrund des erstinstanzlichen Parteivorbringens fest. Die Beklagten haben im ersten Rechtszug detailliert die Beeinträchtigung der Bausubstanz des Gebäudes ausgehend von nach Art und Ausmaß konkret beschriebenen erheblichen Schäden an der Dachrinne und der Dachkehle dargetan, hierzu insbesondere konkret zu einer bei jedem Niederschlag zu verzeichnenden Beeinträchtigung der Gebäudesubstanz sowie vorgetragen, schon bei normalen Regenmengen aus der Dachrinne sowie selbst bei kleineren Regenmengen in der Gebäudeecke würde aus der Dachrinne Wasser heraus- und wasserfallartig an der Fassade herunterlaufen. Weiterhin sei tropfendes Wasser von der Dachrinne sowie bei anhaltenden Regenfällen oder Starkregen im Hof stehendes Wasser neben regelmäßig als Folge der Überflutung des Hofes in den Keller eindringendem Wasser zu verzeichnen, wie im Einzelnen durch die zur Akte gereichten Fotografien belegt.
Dem ist die Klägerin ungeachtet des von dem Amtsgericht bereits vor der mündlichen Verhandlung erfolgten Hinweises nicht hinreichend entgegengetreten, wie in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt. Insbesondere verhält sich ihr Vortrag – auch nach wie vor – nicht zu der für die Annahme eines schlechten Instandhaltungszustands nach obiger Maßgabe wesentlichen dauerhaften fehlerhaften Ableitung des Dachwassers schon bei normalem Niederschlag mit der Folge von massiven Niedergängen von Wasser an der Fassade, was als solches bereits reicht, um von einer Beeinträchtigung der Bausubstanz des Gebäudes ausgehend von nach Art und Ausmaß der Mängel an der Dachrinne sowie der auch nach dem Klägervortrag zum Zeitpunkt des Zugangs des Mieterhöhungsverlangens instand zu setzenden Dachkehle auszugehen.
Der damit begründete erhebliche Instandsetzungsbedarf ist den von den Mietspiegelerstellern in der Orientierungshilfe beispielhaften genannten erheblichen Schäden an der Dacheindeckung im engeren Sinn bei wertender Betrachtung jedenfalls aufgrund des erheblichen, nicht nur vereinzelte erneuerungsbedürftige Teile des Daches betreffenden Instandhaltungszustands im Dachbereich, der deutlich hinter dem durchschnittlichen Instandhaltungszustand ähnlicher Gebäude zurückbleibt, mit der Folge einer nachhaltigen Beeinträchtigung des Gesamtgebäudes gleichzustellen, selbst wenn dadurch anders als bei einer instandzusetzenden Dacheindeckung als solcher keine Schäden im Innenbereich des Gebäudes zu besorgen wären.
Auch die Berufung verhält sich indes lediglich konkret zu den nicht im Vordergrund der Beurteilung stehenden Beeinträchtigungen bei dem Anfall von großen Regenmengen, die durch die Konstruktion der Dachkehle bedingt seien, – dies unter Hinweis auf die gebotene schon im Schreiben der Hausverwaltung vom 11. Oktober 2018 angesprochene Erneuerung der Dachkehle – ohne sich im Einzelnen mit dem umfangreichen detaillierten Vortrag eines weit darüberhinausgehenden Instandsetzungsbedarfs im Dachbereich auseinanderzusetzen, wonach bereits bei normalen Niederschlagsmengen und damit regelmäßig über die Regenrinne hinausschießendes Wasser auftrete. Insoweit neues Vorbringen – dessen Erheblichkeit unterstellt – wäre zudem gemäß § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO verspätet und damit präkludiert. Dies bereits nach Maßgabe des von dem Amtsgericht zutreffend als unstreitig behandelten Vorbringens der Beklagten zum Instandsetzungsbedarf im Dachbereich des Gebäudes (§ 138 Abs. 3 ZPO).
Anders als die Berufung meint bedurfte es schließlich nicht der Feststellung weiterer gebäudebezogener auf einen Instandsetzungsbedarf des Gesamtgebäudes hinweisender Substanzschäden. Dies folgt bereits aus den im Mietspiegel nur beispielhaft nicht aber kumulativ vorausgesetzten Schadstellen am Gebäude, ist darüber hinaus auch bei wertender Betrachtung gerechtfertigt, da bereits nicht nur unerhebliche Schadstellen im Bereich des Daches des vorliegend anzunehmenden Ausmaßes den Rückschluss auf einen auf das Gesamtgebäude bezogenen, von dem üblichen Instandsetzungszustand abweichenden schlechten Instandhaltungszustand zulassen (vgl. Kammer, Urteil vom 12. September 2018 – 67 S 152/18, Rn. 7 – 8 juris mit der Annahme eines schlechten Instandhaltungszustands allein aufgrund der dauernden Durchfeuchtung des Mauerwerks des Kellers; vgl. auch AG Mitte, Urteil vom 10. Februar 2022 – 21 C 280/20 -, BeckRS 2022, 12009, Rn. 42 beck-online). Einhergehend damit ist auch das Amtsgericht Mitte in der von der Klägerin herangezogenen Entscheidung in dem Parallelverfahren (AG Mitte, Urteil vom 20. Januar 2022 – 21 C 146/20 -, n.v.) im Rahmen der Prüfung des Negativmerkmals „Schlechter Instandhaltungszustand“ nicht von dem zwingenden Erfordernis mehrerer Schadstellen an den im Mietspiegel beispielhaft genannten Gebäudeteilen ausgegangen.
Mithin ist die Merkmalgruppe 4 negativ, ohne dass es darauf ankommt, ob eine dauerhafte Durchfeuchtung des Kellers vorlag oder sich das Treppenhaus in einem überwiegend schlechten Zustand befand.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 10 Satz 1 und 2, 713, 544 Abs. 2 Nr. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Gründe, die Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO zuzulassen, bestanden nicht, da der Rechtssache derzeit weder grundsätzliche Bedeutung zukommt noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern. Sie entspricht den höchstrichterlich entwickelten Maßstäben und beruht auf den Besonderheiten des Einzelfalls mit im Rahmen des tatrichterlichen Ermessens zu beantwortenden Fragen bei Anwendung der Orientierungshilfe des Berliner Mietspiegels, der zudem keine über Berlin hinausgehende grundsätzliche Bedeutung hat.
23.10.2023