Leitsatz:
Zu fehlendem Ersatzwohnraum in Berlin als einem die Fortsetzung des Mietverhältnisses rechtfertigenden Härtegrund gemäß § 574 Abs. 2 BGB.
LG Berlin II vom 25.1.2024 – 67 S 264/22 –
Mitgeteilt von VRiLG Michael Reinke
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Das Landgericht kam im Berufungsverfahren zu dem Ergebnis, dass die Eigenbedarfskündigung des Vermieters wirksam war. Gleichwohl sei das Mietverhältnis gemäß §§ 574 a Abs. 1, 574 Abs. 1, Abs. 2 BGB auf bestimmte Zeit bis zum 31. Januar 2026 fortzusetzen.
Gemäß §§ 574 Abs. 1, Abs. 2 BGB könne der Mieter der Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen sei. Dabei liege eine Härte gemäß § 574 Abs. 2 BGB auch vor, wenn angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen nicht beschafft werden könne. Diese Voraussetzungen seien vorliegend erfüllt.
Die Mieter hätten zunächst die Form und Frist des § 574 b BGB Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB eingehalten, indem sie ihren Widerspruch gegen die Kündigung schriftlich mit anwaltlichem Schreiben vom 27. September 2021 und damit mehr als zwei Monate vor Ablauf der durch die Kündigungserklärung vom 18. Februar 2021 in Gang gesetzten Kündigungsfrist des § 573 c Abs. 1 Satz 1, Satz 2 BGB am 30. November 2021 erklärt hätten.
Die Mieter könnten sich mit Erfolg gemäß § 574 Abs. 2 BGB darauf berufen, dass angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen für den einen Mieter nach Ausspruch der Kündigung nicht beschafft werden konnte.
Es stehe der erfolgreichen Geltendmachung des Härtegrundes fehlenden Ersatzwohnraums durch beide Mieter nicht entgegen, dass der Härtegrund nur bei dem einen Mieter, nicht aber bei der mit dem Mieter nicht familiär verbundenen Mieterin vorliege, die schon seit geraumer Zeit aus der Wohnung ausgezogen und seitdem anderen Ortes wohnhaft sei. Denn im Falle einer Mietermehrheit sei es ausreichend, wenn Härtegründe nur in der Person eines von mehreren Mietern vorlägen.
Zumutbarer Ersatzwohnraum zu angemessenen Bedingungen sei für den Mieter bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht zu beschaffen gewesen.
„Angemessen“ sei eine Ersatzwohnung gemäß § 574 Abs. 2 BGB dann, wenn sie im Vergleich zu der bisherigen Wohnung den Bedürfnissen des Mieters entspreche und sie finanziell für ihn tragbar sei. Dabei seien die Lebensführung des Mieters sowie seine persönlichen und finanziellen Lebensverhältnisse maßgebend. Die Wohnung müsse dem bisherigen Wohnraum weder hinsichtlich ihrer Größe, ihres Zuschnitts oder ihrer Qualität noch nach ihrem Preis vollständig entsprechen, gewisse Einschnitte seien dem Mieter zuzumuten. Wesentliche Einschränkungen seines bisherigen Lebenszuschnittes müsse der Mieter aber nicht hinnehmen.
Die Anforderungen an die Intensität seiner Suche richteten sich danach, was dem Mieter unter seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zuzumuten sei. Nur gelegentliche Versuche der Anmietung reichten regelmäßig nicht aus; das gelte jedenfalls dann, wenn weiteren Suchbemühungen des Mieters nicht wegen der prekären Lage auf dem Wohnungsmarkt oder der besonderen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Mieters offensichtlich jede Erfolgsaussicht fehlten.
Gemessen an diesen Maßstäben sei für den Mieter angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen nicht zu beschaffen. Denn es stehe als Ergebnis der Beweisaufnahme zur vollen Überzeugung des Gerichts fest, dass die er-
folgreiche Beschaffung von Ersatzwohnraum in Berlin nach Ausspruch der Kündigung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung für den Mieter unmöglich war. Die Mieter, denen der Beweis für das Vorliegen des von ihnen behaupteten Härtegrundes oblag, seien ihrer Beweislast gerecht geworden.
Berufe sich der Mieter auf den Härtegrund fehlenden Ersatzwohnraums nach § 574 Abs. 2 BGB und bestreite der Vermieter das tatsächliche Vorbringen des Mieters, seien die Gerichte befugt, den Beweis als geführt anzusehen, wenn die Gesetzes- oder Verordnungslage einer tatsächlichen Mangellage auf dem örtlichen Wohnungsmarkt Rechnung trage und der Mieter zudem die von ihm entfalteten und hinreichend intensiven Bemühungen um Ersatzwohnraum beweise. Diese Voraussetzungen seien vorliegend erfüllt:
In Berlin weise die Existenz gleich mehrerer gleichzeitig geltender Rechtsverordnungen darauf hin, dass der Vortrag des Mieters zur Vergeblichkeit seiner Bemühungen um Ersatzwohnraum zutreffend sei. Diese Rechtsverordnungen (Mietenbegrenzungsverordnung, Kappungsgrenzen-Verordnung, Kündigungsschutzklausel-Verordnung) wiesen sämtlich eine Mangellage am gesamten Berliner Wohnungsmarkt aus, da die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen in der gesamten Gemeinde besonders gefährdet sei.
Die sich aus der Existenz der Verordnungen abzuleitenden Beweisanzeichen für die Richtigkeit des Mietervortrags führten in Verbindung mit den erfolglosen Bemühungen des Mieters zur Beschaffung von Ersatzwohnraum zu der vollen Überzeugung des Gerichts, dass Ersatzwohnraum für den Mieter tatsächlich nicht zu beschaffen war:
Der Mieter habe sich seit Mai 2021 bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im Januar 2024 ohne Erfolg auf jedenfalls 244 Wohnungsangebote bei kommunalen und privaten Vermietern in Berlin und im Berliner Umland beworben.
Schematische Vorgaben, wie und insbesondere wie oft sich ein Mieter um Ersatzwohnraum zu bemühen habe, um sich mit Erfolg auf den Härtegrund fehlenden Ersatzwohnraums berufen zu können, sehe § 574 Abs. 2 BGB nicht vor. Stattdessen hänge das Maß der dem Mieter abzuverlangenden Bemühungen davon ab, was ihm abhängig von den konkreten Gegebenheiten des örtlichen Wohnungsmarktes nach seinen persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen zugemutet werden könne.
Gemessen daran seien 244 vergebliche Wohnungsbewerbungen des Mieters in einem Zeitraum von etwas mehr als zweieinhalb Jahren hinreichend, um seiner Obliegenheit zur eigenständigen Beschaffung von Ersatzwohnraum quantitativ zu genügen. Denn der Mieter durfte aufgrund der Vielzahl seiner Bewerbungen und der über einen mehrjährigen Zeitraum immer weiter zunehmenden Zahl gescheiterter Bemühungen davon ausgehen, dass auch eine weitere Erhöhung der Bewerbungsanzahl allenfalls eine theoretische oder wie bislang überhaupt keine Aussicht auf Erfolg haben würde.
Angesichts der hohen Anzahl fehlgeschlagener Anmietbemühungen des Mieters, der in Berlin für eine hinreichende Wohnraumversorgung der Gesamtbevölkerung zu niedrigen und innerhalb eines Zeitraums von knapp zwanzig Jahren von 5,1 % auf nur noch 0,3 % kollabierten Leerstandsquote (2022), eines jährlichen Bevölkerungszuwachses von zuletzt 84 584 Personen (2022), eines seit dem Jahr 2012 um ungefähr 50 000 Wohnungen gesunkenen Sozialwohnungsbestandes und eines durchgängig hinter den Zielvorgaben zurückbleibenden Neubaus von zuletzt lediglich 17 300 Wohnungen (2022) hätten dem Mieter zur vollen Überzeugung des Gerichts selbst quantitativ gesteigerte Anmietbemühungen keine, allenfalls aber rein theoretische Chancen auf die erfolgreiche Anmietung von Ersatzwohnraum auf dem Berliner Wohnungsmarkt eröffnet.
Dafür spreche schließlich auch die vom Gericht eingeholte Auskunft des Bezirksamts Mitte. Danach stehe für den Mieter selbst über das sogenannte Geschütze Marktsegment (GMS), das über einen zwischen dem Land Berlin und ausgewählten Wohnungsunternehmen geschlossenen Kooperationsvertrag gerade diejenigen Wohnungssuchenden mit Ersatzwohnraum zu versorgen sucht, die sich bei drohender Wohnungslosigkeit nicht ohne fremde Hilfe mit Wohnraum versorgen können, in absehbarer Zeit kein Ersatzwohnraum zur Verfügung.
Das Gericht weist im weiteren Verlauf des Urteils darauf hin, dass ein Mieter in Berlin seine Wohnungssuche nicht auf das gesamte Stadtgebiet ausdehnen müsse. Es reiche die Suche auch in anderen Gebieten der Gemeinde als dem seines bisherigen Wohnsitzes.
Es sei auch nicht zu beanstanden, dass der Mieter vorliegend seine Suche an dem orientiert habe, was für ihn angesichts seiner bislang beschränkten wirtschaftlichen Verhältnisse tragbar war. Im Bestand der höher- oder hochpreisigen Wohnungen habe er nicht suchen müssen.
Schließlich sei auch der zeitliche Rahmen der vom Mieter entfalteten Bemühungen um Ersatzwohnraum nicht zu beanstanden. Erforderlich sei die Aufnahme von Bemühungen vor Ablauf der Widerspruchsfrist, was der Mieter getan habe.
Die für den Mieter zu besorgenden Folgen des Wohnungsverlustes geböten gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB auch unter Würdigung der berechtigten Interessen der Vermieterin die Fortsetzung des Mietverhältnisses:
Der Eigennutzungswunsch der Vermieterin sei im Wesentlichen auf eine Verbesserung ihrer derzeitigen Wohnverhältnisse gerichtet. Das reiche nicht aus, um das Interesse des Mieters am Erhalt seines bisherigen Wohnsitzes zur Vermeidung von zukünftiger Wohnungslosigkeit zu überwiegen. Hier komme noch hinzu, dass die Vermieterin nicht nur wegen ihrer gefestigten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, sondern auch aufgrund ihrer Teilhaberschaft an einem renommierten Restaurant in einer vorteilhafteren Lage ist als der Mieter, mit Erfolg eine andere Wohnung in Berlin anzumieten, um auf diese Weise ihre derzeitigen Wohnverhältnisse in Berlin jedenfalls vorübergehend zu verbessern. Sie würde allerdings selbst ohne Anmietung einer Ersatzwohnung weiterhin über zwei Wohnsitze in Z. und in Berlin verfügen, von denen ihr lediglich der bisherige Wohnsitz in Berlin als unzureichend erscheine. Auch das lasse die Interessen des Mieters am Verbleib in der Wohnung überwiegen.
Nach § 574 a Abs. 2 BGB würden, wenn im Fall von § 574 BGB keine Einigung zustande kommt, die Fortsetzung des Mietverhältnisses, dessen Dauer sowie die Bedingungen, zu denen es fortgesetzt wird, durch Urteil bestimmt. Nach den in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gekommenen Vorstellungen soll im Regelfall die Fortsetzung des Mietverhältnisses nur auf bestimmte Zeit erfolgen. Auf der Grundlage einer Prognose sei festzustellen, wann der Härtegrund voraussichtlich wegfallen oder ab welchem Zeitpunkt die Interessenabwägung nicht mehr zugunsten des Mieters ausgehen werde.
Gemessen hieran sei die Fortsetzung des Mietverhältnisses auf bestimmte Zeit bis zum 31. Januar 2026 anzuordnen. Bis dahin erscheine die erfolgreiche Beschaffung von Ersatzwohnraum für den Mieter als möglich.
Die Mieter könnten jedoch gemäß § 574 a Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 Satz BGB nur verlangen, dass das Mietverhältnis unter einer angemessenen Änderung der Vertragsbedingungen fortgesetzt werde, da die bislang von den Mietern entrichtete Miete deutlich unter der üblichen Marktmiete liege. Abzustellen sei dabei auf die vom Gericht erforderlichenfalls zu schätzende ortsübliche Neuvermietungsmiete, sofern diese für den Mieter noch sozialverträglich ist.
Anmerkung: Das Gericht setzte hier die neue Miete mit dem Betrag von 458,30 Euro an. Im Ergebnis wurde mit Urteil das Ende des Mietverhältnisses ohne Weiteres nach Ablauf der Verlängerungszeit mit Ablauf des 31. Januar 2026 angeordnet. Einer erneuten Kündigung seitens der Vermieterin bedarf es dann nicht. Abschließend wies das Gericht noch auf § 574 c BGB hin, wonach bei Verschlechterung der für den Mieter wesentlichen Umstände gegenüber dem zukünftigen Räumungsanspruch der Vermieterin eine weitere Fortsetzung des Mietverhältnisses geltend gemacht werden könnte, die über die vom Gericht angeordnete Befristung hinausgeht.
Urteilstext
Gründe:
I.
Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 313a Abs. 1, 540 Abs. 2, 544 Abs. 2 ZPO abgesehen.
II.
Die Berufung ist unbegründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung aus den §§ 546 Abs. 1, 985 BGB. Die von der Klägerin ausgesprochene Eigenbedarfskündigung hat nicht zur Beendigung des Mietverhältnisses geführt. Die Beklagten haben der Kündigung gemäß §§ 574 Abs. 1, Abs. 2, 574a Abs. 1 Satz 1 BGB wirksam widersprochen, da die Beendigung des Mietverhältnisses für den Beklagten zu 2) mangels angemessenen Ersatzwohnraums zu zumutbaren Bedingungen eine unzumutbare Härte darstellen würde. Sie haben gemäß §§ 574a Abs. 2 Satz 1 BGB, 308a Abs. 1 Satz 1 ZPO einen Anspruch auf Fortsetzung des Mietverhältnisses auf bestimmte Zeit zu den aus dem Tenor ersichtlichen Bedingungen.
1)
Die Berufung rügt allerdings im Ausgangspunkt zu Recht, dass die Kündigung vom 18. Februar 2021 als Eigenbedarfskündigung gemäß §§ 573 Abs. 1, 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB wirksam ist. Danach besteht ein berechtigtes Interesse des Vermieters zur ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses, wenn er die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt. Diese Voraussetzungen sind, anders als es das Amtsgericht angenommen hat, erfüllt:
Die Kündigungserklärung vom 18. Februar 2021 ist zunächst formell wirksam:
Gemäß § 573 Abs. 3 Satz 1 BGB setzt die Wirksamkeit einer Kündigungserklärung voraus, dass die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses in dem Kündigungsschreiben angegeben sind. Der Zweck dieser Vorschrift besteht darin, dem Mieter zum frühestmöglichen Zeitpunkt Klarheit über seine Rechtsposition zu verschaffen und ihn dadurch in die Lage zu versetzen, rechtzeitig alles Erforderliche zur Wahrung seiner Interessen zu veranlassen (vgl. BT-Drs. 6/1549, 6?f. zu § 564?a I 2 BGB aF). Diesem Zweck wird im Allgemeinen Genüge getan, wenn das Kündigungsschreiben den Kündigungsgrund so bezeichnet, dass er identifiziert und von anderen Gründen unterschieden werden kann; bei einer Kündigung wegen Eigenbedarfs ist daher grundsätzlich die Angabe der Person, für die die Wohnung benötigt wird, und die Darlegung des Interesses, das diese Person an der Erlangung der Wohnung hat, ausreichend (vgl. BGH, Urt. v. 22. Mai 2019 – VIII ZR 167/17, NZM 2019, 527, beckonline Tz. 19 m.w.N.; Kammer, Beschl. v. 14. Februar 2023 – 67 S 288/22, ZMR 2023, beckonline Tz. 3).
Diesen Anforderungen genügt die Kündigungserklärung vom 18. Februar 2021. Aus dieser ließ sich für die Beklagten zweifelsfrei entnehmen, dass die Klägerin als Eigentümerin der streitgegenständlichen Wohnung diese in Zukunft selbst zu nutzen beabsichtigt, da sie in Berlin in einem Restaurant arbeiten wird, an dem sie Anteile erworben hat.
Es ist für die Formwahrung unschädlich, dass die Klägerin in dem Kündigungsschreiben keine Angaben zu ihrer familiären Situation sowie dazu gemacht hat, dass auch ihr Sohn jedenfalls mittelfristig die streitgegenständliche Wohnung mit ihr bewohnen soll. Zwar ist die konkrete und eine Individualisierung zulassende Bezeichnung der Bedarfsperson erforderlich, wenn ausschließlich für diese Eigenbedarf geltend gemacht wird (vgl. BGH, Urt. v. 22. Mai 2019, a.a.O., Tz. 19; Kammer, Beschl. v. 14. Februar 2023, a.a.O., Tz. 3). Im hier vorliegenden Fall macht die Klägerin jedoch den Eigenbedarf auch für ihre eigene Person geltend, so dass es für die formale Begründung der Kündigung nicht darauf ankommt, ob neben ihr auch noch eine in der Kündigungserklärung unerwähnte Bedarfsperson in die streitgegenständliche Wohnung einzuziehen beabsichtigt.
Der von der Klägerin geltend gemachte Eigenbedarf besteht, auch wenn die Beklagten den Eigennutzungswillen der Klägerin bestritten haben. Die Voraussetzungen von § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB sind schon dann erfüllt, wenn der Eigennutzungswunsch tatsächlich besteht und auf vernünftigen, der Rechtsordnung nicht widersprechenden Erwägungen beruht (st. Rspr., vgl. nur BVerfG, Beschl. v. 20. Mai 1999 – 1 BvR 29/99, ZMR 1999l, 531, juris Tz. 15; BGH, Rechtsentscheid in Mietsachen v. 20. Januar 1988 – VIII ARZ 4/87, BGHZ 103, 91, juris Tz. 24). Die Klägerin hat den von ihr behaupteten Nutzungswunsch als insoweit beweisbelastete Partei zur vollen Überzeugung der Kammer bewiesen (vgl. zum Beweismaß Kammer, Urt. v. 25. September 2014 – 67 S 198/14, NJW 2014, 3585, juris Tz. 5).
Die Kammer ist nach der Vernehmung des Zeugen Y und der Parteianhörung der Klägerin davon überzeugt, dass der von der Klägerin geltend gemachte Eigenbedarf vorliegt und die Klägerin die von dem Beklagten zu 2) genutzte Wohnung im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB benötigt, um sie selber zu nutzen.
Der Zeuge Y, an dessen Glaubwürdigkeit für die Kammer keine Zweifel bestehen, hat bekundet, dass er seit dem Jahr 2018 Kontakt zu der Klägerin habe und diese sich in seinem Restaurant in Berlin, an dem sie auch selbst Anteile halte, seit Anbeginn insbesondere um den Bereich „Personal“ gekümmert habe. Die Klägerin nehme seit 2018 an regelmäßigen Meetings teil, in denen es um strategische Planungen gehe; außerdem helfe sie im operativen Geschäft in Berlin aus. Die Klägerin sei vor allem an den Wochenenden vor Ort im Restaurant, in der Regel aber nicht von montags bis donnerstags. Die Klägerin habe ihm schon seit dem Jahr 2018 berichtet, dass sie auch unabhängig von ihrer Tätigkeit für das Restaurant gerne nach Berlin ziehen wolle. Ein Teil ihrer Familie lebe hier; außerdem sei das Pendeln von ihrem bisherigen Wohnort nach Berlin für die Klägerin anstrengend gewesen.
Die Bekundungen des Zeugen waren glaubhaft, insbesondere widerspruchsfrei, reich an realitätstypischen Details und durchgängig spontan. Soweit die Beklagten bei den im Zusammenhang mit dem Arbeitsvertrag der Klägerin stehenden Bekundungen des Zeugen Widersprüche zu den Angaben der Klägerin erkennen wollen, führen diese nicht zu Zweifeln der Kammer an dem Bestehen eines tatsächlichen Nutzungswunsches der Klägerin. Es ist für die Beweiswürdigung allein entscheidend, dass die Klägerin in Berlin arbeitet und dort, genauso wie von ihr vorgetragen, regelmäßig vor Ort ist. Außerdem hat der Zeuge erläutert, dass er sich in den letzten Jahren schrittweise aus dem operativen Geschäft zurückgezogen habe. Vor diesem Hintergrund stellen sich die geringfügigen Abweichungen zu dem Vortrag der Klägerin als nachvollziehbare Ungenauigkeiten dar, die nicht geeignet sind, die Glaubhaftigkeit der Bekundungen oder die Glaubwürdigkeit des Zeugen in Zweifel zu ziehen.
Die Ausführungen des Zeugen decken sich im Wesentlichen auch mit den Angaben der Klägerin im Rahmen ihrer in beiden Rechtszügen erfolgten Parteianhörung. Sie hat dort jeweils glaubhaft ausgeführt, anstelle einer bislang nur provisorischen Unterkunft in Berlin die streitgegenständliche Wohnung beziehen zu wollen, da sie Anteile an einem Restaurant in Berlin erworben habe, in diesem Restaurant auch mitarbeite und sich daher aus beruflichen Gründen dauerhaft in Berlin aufhalte.
Auch diese Bekundungen waren glaubhaft, insbesondere widerspruchsfrei, reich an realitätstypischen Details und durchgängig spontan. Das spricht für ihre Glaubhaftigkeit. Die Plausibilität des behaupteten Eigennutzungswunsches spricht ebenfalls für die Glaubhaftigkeit der Bekundungen. Denn es ist verständlich und einleuchtend, dass es die Klägerin bevorzugt, anstatt wie bislang als Pendlerin in Z sowie in einer provisorischen Unterkunft in Berlin zu wohnen, fortan – gemeinsam mit ihrem Sohn – in einer in ihrem Eigentum stehenden und ihren Wohnbedürfnissen entsprechenden Wohnung in Berlin zu leben. Anhaltspunkte, die der Kammer hätten Veranlassung geben müssen, an der Glaubwürdigkeit der Klägerin zu zweifeln, bestanden nicht. Dass sie als Partei ein Eigeninteresse am Ausgang des Verfahrens hat, vermag ohne das Hinzutreten weiterer – hier aber fehlender – Umstände keine entscheidungserheblichen Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit zu begründen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urt. v. 18. Januar 1995 – VIII ZR 23/94, BGHZ 128, 307, juris Tz. 12; Kammer, Urt. v. 7. Dezember 2023 – 67 S 20/23, MDR 2024, 98, beckonline Tz. 6). Die Tatgerichte können im Rahmen der freien Würdigung des Verhandlungsergebnisses den Behauptungen und Angaben einer Partei sogar dann glauben, wenn sie im Widerspruch zu den Bekundungen eines Gegenzeugen oder des als Partei vernommenen Prozessgegners stehen (vgl. BGH, Beschl. v. 27. September 2017 – XII ZR 48/17, NJW-RR 2018, 249, beckonline Tz. 12; Kammer, Urt. v. 7. Dezember 2023, a.a.O., Tz. 6). Das gilt auch hier.
Der von der Kammer gewonnen Überzeugung steht es nicht entgegen, dass die Klägerin in der Kündigung nicht angegeben hat, dass neben ihr auch zukünftig ihr Sohn die streitgegenständliche Wohnung nutzen solle. Denn die Klägerin hat ebenso glaubhaft bekundet, von Angaben zu ihrem Sohn und ihren sonstigen familiären Verhältnissen in der Kündigungserklärung bewusst abgesehen zu haben. Sie sei von der Entbehrlichkeit der Angaben ausgegangen, da sie selbst als Eigentümerin den Eigenbedarf auch in ihrer Person geltend mache.
Es steht der Überzeugungsbildung der Kammer schließlich nicht entgegen, dass die Vernehmung des Zeugen und die Anhörung der Klägerin zu dem von ihr behaupteten Nutzungswillen vor der Rückübertragung des Rechtsstreits auf die Kammer allein vor dem zuständigen Einzelrichter erfolgt sind; das Unmittelbarkeitsgebot des § 355 Abs. 1 ZPO ist trotzdem gewahrt (vgl. BGH, Beschl. v. 25. Januar 2018 – V ZB 191/17, NJW 2018, 1261, juris Tz. 10 f.; OLG Düsseldorf, Urt. v. 26. Juli 2018 – I-15 U 2/17, BeckRS 2018, 17622 Tz. 63 ff).
2)
Gleichwohl ist das Mietverhältnis gemäß §§ 574a Abs. 1, 574 Abs. 1, Abs. 2 BGB auf bestimmte Zeit bis zum 31. Januar 2026 fortzusetzen.
Gemäß §§ 574 Abs. 1, Abs. 2 BGB kann der Mieter der Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Dabei liegt eine Härte gemäß § 574 Abs. 2 BGB auch vor, wenn angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen nicht beschafft werden kann. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
Die Beklagten haben zunächst die Form und Frist des § 574b BGB Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB eingehalten, indem sie ihren Widerspruch gegen die Kündigung schriftlich mit anwaltlichem Schreiben vom 27. September 2021 und damit mehr als zwei Monate vor Ablauf der durch die Kündigungserklärung vom 18. Februar 2021 in Gang gesetzten Kündigungsfrist des § 573c Abs. 1 Satz 1, Satz 2 BGB am 30. November 2021 erklärt haben.
Die Beklagten können sich mit Erfolg gemäß § 574 Abs. 2 BGB darauf berufen, dass angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen für den Beklagten zu 2) nach Ausspruch der Kündigung nicht beschafft werden konnte.
Es steht der erfolgreichen Geltendmachung des Härtegrundes fehlenden Ersatzwohnraums durch beide Beklagten zunächst nicht entgegen, dass der Härtegrund nur bei dem Beklagten zu 2), nicht aber bei der mit dem Beklagten zu 2) nicht familiär verbundenen Beklagten zu 1) vorliegt, die schon seit geraumer Zeit aus der Wohnung ausgezogen und seitdem anderen Ortes wohnhaft ist. Denn im Falle einer Mietermehrheit ist es ausreichend, wenn Härtegründe nur in der Person eines von mehreren Mietern vorliegen (vgl. BGH, Urt. v. 15. März 2017 – VIII ZR 270/15, NJW 2017, 1747, Tz. 27; LG Bochum, Beschl. v. 16. Februar 2007 – 10 S 68/06, BeckRS 2007, 4346; Hartmann, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 16. Aufl. 2024, BGB § 574 Rz. 21; Häublein, in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl. 2023, § 574 Rz. 10; Siegmund, in: Blank/Börstinghaus/Siegmund, Miete, 7. Aufl. 2023, § 574 Rz. 2; Tiedemann, in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl. 2023, § 574 Rz. 16).
Zumutbarer Ersatzwohnraum zu angemessenen Bedingungen war für den Beklagten zu 2) bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht zu beschaffen.
„Angemessen“ ist eine Ersatzwohnung gemäß § 574 Abs. 2 BGB dann, wenn sie im Vergleich zu der bisherigen Wohnung den Bedürfnissen des Mieters entspricht und sie finanziell für ihn tragbar ist. Dabei sind die Lebensführung des Mieters sowie seine persönlichen und finanziellen Lebensverhältnisse maßgebend. Die Wohnung muss dem bisherigen Wohnraum weder hinsichtlich ihrer Größe, ihres Zuschnitts oder ihrer Qualität noch nach ihrem Preis vollständig entsprechen, gewisse Einschnitte sind dem Mieter zuzumuten. Wesentliche Einschränkungen seines bisherigen Lebenszuschnittes muss der Mieter aber nicht hinnehmen (vgl. BGH, Urt. v. 22. Mai 2019, a.a.O., Tz. 50).
Eine Ersatzwohnung kann dann „nicht beschafft“ werden, wenn die Suche nach geeignetem und bezahlbaren Ersatzwohnraum – trotz hinreichender Bemühungen des Mieters – erfolglos geblieben ist. Dabei trifft den Mieter die Obliegenheit, sich mithilfe von Verwandten und Bekannten oder öffentlichen und privaten Stellen sowie unter Inanspruchnahme geeigneter Medien ernsthaft und nachhaltig um eine angemessene Ersatzwohnung zu bemühen (vgl. BGH, Urt. v. 22. Mai 2019, a.a.O., Tz. 50). Die Anforderungen an die Intensität seiner Suche richten sich danach, was dem Mieter unter seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zuzumuten ist (vgl. BGH, Urt. v. 22. Mai 2019, a.a.O., Tz. 53). Nur gelegentliche Versuche der Anmietung reichen regelmäßig nicht aus (vgl. BGH, Urt. v. 22. Mai 2019, a.a.O., Tz. 50); das gilt jedenfalls dann, wenn weiteren Suchbemühungen des Mieters nicht wegen der prekären Lage auf dem Wohnungsmarkt oder der besonderen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Mieters offensichtlich jede Erfolgsaussicht fehlen würde (vgl. Kammer, Beschl. v. 5. April 2018- 67 T 40/18, WuM 2018, 383, beckonline Tz. 5; Beschl. v. 19. Oktober 2023 – 67 T 79/23, WuM 2024, 50, beckonline Tz. 5 (jeweils zu § 721 Abs. 3 ZPO)).
Gemessen an diesen Maßstäben war für den Beklagten zu 2) angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen nicht zu beschaffen, auch wenn die Klägerin das Vorbringen der Beklagten zu den vergeblichen Bemühungen des Beklagten zu 2) um Ersatzwohnraum gemäß § 138 Abs. 4 ZPO in zulässiger Weise mit Nichtwissen bestritten hat. Denn es steht als Ergebnis der Beweisaufnahme zur vollen Überzeugung der Kammer fest, dass die erfolgreiche Beschaffung von Ersatzwohnraum in Berlin nach Ausspruch der Kündigung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung für den Beklagten zu 2) unmöglich war. Die Beklagten, denen der Beweis für das Vorliegen des von ihnen behaupteten Härtegrundes oblag (vgl. BGH, Urt. v. 22. Mai 2019, a.a.O., Tz. 53; Urt. v. 3. Februar 2021 – VIII ZR 68/19, NZM 2021, 361, beckonline Tz. 45), sind ihrer Beweislast gerecht geworden.
Beruft sich der Mieter auf den Härtegrund fehlenden Ersatzwohnraums nach § 574 Abs. 2 BGB und bestreitet der Vermieter das tatsächliche Vorbringen des Mieters, sind die Tatgerichte befugt, den Beweis als geführt anzusehen, wenn die Gesetzes- oder Verordnungslage einer tatsächlichen Mangellage auf dem örtlichen Wohnungsmarkt Rechnung trägt und der Mieter zudem die von ihm entfalteten und hinreichend intensiven Bemühungen um Ersatzwohnraum beweist. Diese Voraussetzungen sind erfüllt:
In Berlin weist die Existenz nicht lediglich einer, sondern gleich mehrerer gleichzeitig geltender Rechtsverordnungen darauf hin, dass der Vortrag des Beklagten zu 2) zur Vergeblichkeit seiner Bemühungen um Ersatzwohnraum zutreffend ist. Denn die Mietenbegrenzungsverordnung des Berliner Senats vom 19. Mai 2020 (GVBl. 2020, 343), die – mittlerweile mit Verordnung vom 14. März 2023 (GVBl. 2023, 112) verlängerte – Berliner Kappungsgrenzenverordnung vom 7. Mai 2013 (GVBl. 2013, 128) sowie die – mittlerweile ebenfalls mit Verordnung vom 13. Juni 2023 (GVBl. S. 2023, 228) verlängerte – Kündigungsschutzklausel-Verordnung vom 13. August 2013 (GVBl. 2013, 488) weisen sämtlich eine Mangellage am gesamten Berliner Wohnungsmarkt aus, da die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen in der gesamten Gemeinde besonders gefährdet ist.
Die sich aus der Existenz der Verordnungen abzuleitenden Beweisanzeichen für die Richtigkeit des Beklagtenvortrags erstarken in Verbindung mit den erfolglosen Bemühungen des Beklagten zu 2) zur Beschaffung von Ersatzwohnraum zu der vollen Überzeugung der Kammer, dass Ersatzwohnraum für den Beklagten zu 2) tatsächlich nicht zu beschaffen war:
Der Beklagte zu 2) hat sich seit Mai 2021 bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im Januar 2024 ohne Erfolg auf jedenfalls 244 Wohnungsangebote bei kommunalen und privaten Vermietern in Berlin und im Berliner Umland beworben.
Zeitpunkt, Intensität und Ausmaß der von den Beklagten behaupteten Bemühungen des Beklagten zu 2) um Ersatzwohnraum stehen als Ergebnis der Beweisaufnahme trotz des Bestreitens der Klägerin ebenso wie seine beschränkten finanziellen Mittel zur Überzeugung der Kammer fest. Für die Kammer besteht kein Zweifel daran, dass der Beklagte zu 2) tatsächlich ohne Erfolg die von ihm behaupteten Anmietbemühungen entfaltet hat und ihm dafür lediglich die von ihm behaupteten finanziellen Mittel zur Verfügung standen. Sein Vorbringen steht nicht nur in Einklang mit dem von ihm eingereichten umfangreichen Bewerbungs- und sonstigen Unterlagen, sondern auch mit seinen Bekundungen im Rahmen der von der Kammer im zweiten Rechtszug vorgenommenen Parteianhörung.
Die Bekundungen des Beklagten zu 2) waren nicht anders als die der Klägerin zu dem von ihr behaupteten Eigenbedarf glaubhaft, insbesondere widerspruchsfrei, realitätstypisch und ebenfalls durchgängig spontan. Anhaltspunkte, die der Kammer hätten Veranlassung gehen müssen, an der Glaubwürdigkeit des Beklagten zu 2) oder der Glaubhaftigkeit seiner Bekundungen zu zweifeln, bestanden nicht. Es kommt hinzu, dass sich der Beklagte zu 2) ungefragt und unumwunden zu einer – der Klägerin und der Kammer zuvor unbekannten – künftigen Veränderung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse durch Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung ab Februar 2024 geäußert hat. Diese Äußerungen waren einer Fortsetzung des Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit abträglich und aus den nachfolgenden Erwägungen der maßgebliche Grund für die Kammer, das Mietverhältnis lediglich auf bestimmte Zeit fortzusetzen. Eine nicht ausschließlich von der Wahrheit, sondern in ihrem Aussageverhalten auch prozesstaktisch geleitete Partei hätte eine ihr rechtlich ungünstige Bekundung unterlassen. Dass der Beklagte zu 2) sich gleichwohl offen und unverstellt geäußert hat, spricht für seine Glaubwürdigkeit und die Glaubhaftigkeit seiner Bekundungen.
Vor diesem Hintergrund vermochte der Umstand, dass der Beklagte zu 2) als Partei ein Eigeninteresse am Ausgang des Verfahrens hatte, ohne das Hinzutreten weiterer Umstände – nicht anders als bei der Klägerin – keine entscheidungserheblichen Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit zu begründen.
Die von den Beklagten bewiesenen Bemühungen des Beklagten zu 2) um Ersatzwohnraum waren auch hinreichend intensiv.
Schematische Vorgaben, wie und insbesondere wie oft sich ein Mieter um Ersatzwohnraum zu bemühen hat, um sich mit Erfolg auf den Härtegrund fehlenden Ersatzwohnraums berufen zu können, sieht § 574 Abs. 2 BGB nicht vor. Stattdessen hängt das Maß der dem Mieter abzuverlangenden Bemühungen davon ab, was ihm abhängig von den konkreten Gegebenheiten des örtlichen Wohnungsmarktes nach seinen persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen zugemutet werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 22. Mai 2019, a.a.O., Tz. 53; Emanuel, in: BeckOGK BGB, Stand: 1. Januar 2024, § 574 Rz. 32; Rolfs, in: Staudinger, BGB, Stand: 14. Dezember 2022, § 574 Rz. 54 m.w.N).
Gemessen daran waren 244 vergeblichen Wohnungsbewerbungen des Beklagten zu 2) in einem Zeitraum von etwas mehr als zweieinhalb Jahren hinreichend, um seiner Obliegenheit zur eigenständigen Beschaffung von Ersatzwohnraum quantitativ zu genügen. Denn der Beklagte zu 2) durfte aufgrund der Vielzahl seiner Bewerbungen und der über einen mehrjährigen Zeitraum immer weiter zunehmenden Zahl gescheiterter Bemühungen davon ausgehen, dass auch eine weitere Erhöhung der Bewerbungsanzahl allenfalls eine theoretische oder wie bislang überhaupt keine Aussicht auf Erfolg haben würde. Davon ausgehend musste der Beklagte zu 2), der seine Anmietbemühungen nach seinen glaubhaften Bekundungen im Rahmen der Parteianhörung gleichwohl bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung fortgesetzt hat, die Anzahl seiner Bewerbungsversuche nicht noch weiter erhöhen, um den ihm aus § 574 Abs. 2 BGB erwachsenden Verpflichtungen quantitativ Genüge zu tun.
Es kommt unabhängig davon hinzu, dass selbst quantitativ unzureichende Anmietbemühungen des Mieters nicht zwingend zur Versagung des auf § 574 Abs. 2 BGB gestützten Härtegrundes führen. Auch wenn eine grundsätzlich schlechte Ausgangslage am Wohnungsmarkt den Mieter nicht von der Pflicht zur Ersatzwohnraumsuche zu entbinden vermag (vgl. BGH, Urt. v. 22. Mai 2019, a.a.O., Tz. 52; Emanuel, a.a.O., Rz. 31 m.w.N.; Rolfs, a.a.O., Rz. 53 m.w.N.), muss die mangelhafte Suche des Mieters für die unterbliebene Beschaffung von Ersatzwohnraum ursächlich geworden sein, um ihm dem Schutz des § 574 Abs. 2 BGB zu entziehen. Eine Ursächlichkeit scheidet jedoch dann aus, wenn nach den tatsächlichen Gegebenheiten des Wohnungsmarktes sowie den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Mieters für ihn keine reale Chance bestanden hat, auch bei gesteigerten Bewerbungsanstrengungen mit seinen Anmietbemühungen durchzudringen (vgl. BGH, Urt. v. 4. Juni 1986 – IV b ZR 45/85, NJW 1986, 3080, juris Tz. 13; Urt. v. 21. September 2011 ? XII ZR 121/09, NJW 2011, 3577, beckonline Tz. 14; BGH, Urt. v. 18. Januar 2012 ? XII ZR 178/09, NJW 2012, 1144, juris Tz. 30 (jeweils zu § 1573 Abs. 1 BGB); Kammer, Beschl. v. 5. April 2018, a.a.O., Tz. 5; Beschl. v. 19. Oktober 2023, a.a.O. Tz. 5 (jeweils zu § 721 Abs. 3 ZPO)).
Für reale Erfolgschancen des Beklagten zu 2) im Falle nochmals gesteigerter Anmietbemühungen fehlt hier jeder Anhalt. Zwar ist niemals mit absoluter Sicherheit auszuschließen, dass bei weiteren Anmietversuchen des Mieters eine Wohnung für ihn zu finden gewesen wäre. Denn es kommt hypothetisch stets in Betracht, dass dem betroffenen Mieter bei weiteren Bemühungen doch noch eine Wohnung angeboten worden wäre. Andererseits dürfen die Anforderungen an den Nachweis mangelnder Ursächlichkeit nicht überspannt werden. Die Ursächlichkeit fehlt jedenfalls in den Fällen, in denen die Chance, dass der Mieter bei weiterer Suche eine Wohnung fände, als lediglich irreal oder nur von theoretischer Natur erscheint (vgl. BGH, Urt. v. 4. Juni 1986, a.a.O., Tz. 13 (zu § 1573 Abs. 1 BGB)).
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Angesichts der hohen Anzahl fehlgeschlagener Anmietbemühungen des Beklagten zu 2), der in Berlin für eine hinreichende Wohnraumversorgung der Gesamtbevölkerung zu niedrigen und innerhalb eines Zeitraums von knapp zwanzig Jahren von 5,1 % auf nur noch 0,3 % kollabierten Leerstandsquote (2022), eines jährlichen Bevölkerungszuwachses von zuletzt 84.584 Personen (2022), eines seit dem Jahr 2012 um ungefähr 50.000 Wohnungen gesunkenen Sozialwohnungsbestandes und eines durchgängig hinter den Zielvorgaben zurückbleibenden Neubaus von zuletzt lediglich 17.300 Wohnungen (2022) hätten dem Beklagten zu 2) zur vollen Überzeugung der Kammer selbst quantitativ gesteigerte Anmietbemühungen keine, allenfalls aber rein theoretische Chancen auf die erfolgreiche Anmietung von Ersatzwohnraum auf dem Berliner Wohnungsmarkt eröffnet (vgl. zu den Makrodaten des Berliner Wohnungsmarktes Kammer, Urt. v. 15. Dezember 2022 – 67 S 180/22, ZMR 2023, 247, juris Tz. 21; https://de.statista.com/statistik/daten/studie/258439/ umfrage/leerstandsquote-von-wohnungen-in-ber-lin/#:~:text=Verf%C3%BCgbarer%20 Wohnraum%20in%20Berlin%20wird,5%2C1%20Prozent; https://www.statistik-berlin-branden burg.de/140-2023; https://www.berlin.de/aktuelles/8215910 -958090-zahl-der-fertiggestellten-wohnungen-in-b.html#:~:text=Mehr%20als%2017.300%20Wohnungen %20wurden,Berlin% 2DBrandenburg%20am%20Dienstag%20mitteilte; https://de.statista.com/statistik/daten/ studie/1384295/umfrage/entwicklung-und-prognose-des-bestands-an-sozialwohnungen-in-berlin/; jeweils abgerufen am 24. Januar 2024).
Dieser Befund steht auch im Einklang mit dem Ergebnis des von der Kammer eingeholten Sachverständigengutachtens, ausweislich dessen der Beklagte zu 2) auf dem freien Wohnungsmarkt schon wegen des zu knappen Angebots freier Wohnungen keinen Ersatzwohnraum wird finden können. Das gilt um so mehr, als der Beklagte zu 2) bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nur über lediglich beschränkte finanzielle Mittel verfügt hat, die seine Möglichkeiten, auf dem Wohnungsmarkt zum Zuge zu kommen, zusätzlich erschwert haben. Dafür spricht schließlich auch die von der Kammer eingeholte Auskunft des Bezirksamts Mitte. Danach steht für den Beklagten zu 2) selbst über das sog. Geschütze Marktsegment (GMS), das über einen zwischen dem Land Berlin und ausgewählten Wohnungsunternehmen geschlossenen Kooperationsvertrag gerade diejenigen Wohnungssuchenden mit Ersatzwohnraum zu versorgen sucht, die sich bei drohender Wohnungslosigkeit nicht ohne fremde Hilfe mit Wohnraum versorgen können, in absehbarer Zeit kein Ersatzwohnraum zur Verfügung.
Davon ausgehend wäre eine für die klagende Vermieterin günstigere Beurteilung der Ursächlichkeit einer quantitativen Obliegenheitspflichtverletzung des Beklagten zu 2) allenfalls dann gerechtfertigt, wenn der Beklagte zu 2) die Anmietung einer von der Klägerin oder Dritten konkret angebotenen und für ihn zumutbaren Ersatzwohnung ausgeschlagen und sich gleichwohl auf einen Härtegrund nach § 574 Abs. 1 oder 2 BGB berufen hätte (vgl. OLG Karlsruhe, Rechtsentscheid vom 3. Juli 1970 – 1 REMiet 1/70, NJW 1970, 1746, juris Tz. 41; LG München I, Urt. v. 22. März 2019 – 14 S 5271/17, BeckRS 2019, 4062 Tz. 29). Denn in einem solchen Fall wäre die mangelnde Mitwirkung des Beklagten ursächlich für das weitere Fehlen von Ersatzwohnraum gewesen. Diese Ausnahmevoraussetzungen sind hier nicht erfüllt, da weder die Klägerin noch Dritte dem Beklagten zu 2) Ersatzwohnraum angeboten haben und dieser dessen Anmietung auch nicht verweigert hat.
Auch der räumliche Umfang der vom Beklagten zu 2) entfalteten Anmietbemühungen war hinreichend weit bemessen.
Es ist zwar im Einzelnen streitig, in welchem Radius ein Wohnraummieter nach Erhalt einer ordentlichen Kündigung suchen muss, um sich im Falle der Erfolglosigkeit seiner Bemühungen später mit Erfolg auf den Härtegrund fehlenden Ersatzwohnraums berufen zu können. Soweit verlangt wird, die Suchbemühungen des Mieters hätten sich nicht an den jeweiligen Umständen des Einzelfalls zu orientieren, sondern der Mieter müsse stets in der „gesamten“ Gemeinde suchen (vgl. etwa Fleindl, WuM 2019, 165, 173; Hartmann, a.a.O., § 574 Rz. 34), steht das nicht nur in Widerspruch zur von der Kammer insoweit geteilten Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des BGH. Dieser fordert vom gekündigten Mieter lediglich die Suche „auch in einem anderen Gebiet der Gemeinde“ als der seines bisherigen Wohnsitzes, nicht aber die Suche in der gesamten Gemeinde (vgl. BGH, Urt. v. 22. Mai 2019, a.a.O., Tz. 53).
Mangels hinreichender normativer Grundlage begegnen einer schematischen Verpflichtung des Mieters zur Ersatzwohnraumsuche in der gesamten Gemeinde einfachrechtliche und – mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG – auch verfassungsrechtliche Bedenken (vgl. Selk, in: Erman, BGB, 17. Aufl. 2023, § 574 Rz. 6). Denn ein Mieter, der wie der Beklagte zu 2) in Berlin und damit in der bevölkerungsreichsten Stadt der Europäischen Union sowie gleichzeitig in der flächenmäßig größten Gemeinde Deutschlands lebt, müsste bei ausschließlich formaler Anknüpfung des verlangten Suchradius‘ an das gesamte Gemeindegebiet auf einer Fläche von 892 Quadratkilometern nach Ersatzwohnraum suchen, bevor er sich erfolgreich auf den Härtegrund des § 574 Abs. 2 BGB berufen könnte. Hingegen würde in kleineren Großstädten wie etwa in Offenbach am Main bereits die Suche auf einer Fläche von 45 Quadratkilometern genügen, während in Kleinstädten wie etwa in Arnis sogar die auf einer Fläche von lediglich 0,45 Quadratkilometern entfaltete Suche nach Ersatzwohnraum ausreichen würde, um dem Mieter seinen Härteeinwand zu erhalten. Für diese Ungleichbehandlung ist ein sachlich gerechtfertigter Grund nicht ersichtlich.
Einer abschließenden Entscheidung der Kammer bedarf es insoweit jedoch nicht. Denn der Beklagte zu 2) hat nicht nur seiner an den Umständen des Einzelfalls, sondern auch einer starr am gesamten Gemeindegebiet orientierten Obliegenheit zur Suche nach Ersatzwohnraum genügt, indem er diese nicht nur auf den von ihm bislang bewohnten Ortsteil Mitte beschränkt, sondern sich daneben jedenfalls auch noch erfolglos auf Wohnungsangebote in Adlershof, Altglienicke, Alt-Hohenschönhausen, Baumschulenweg, Borsigwalde, Britz, Buckow, Charlottenburg, Falkenberg, Friedrichsfelde, Gesundbrunnen, Heinersdorf, Hellersdorf, Karlshorst, Karow, Köpenick, Lichtenrade, Lichterfelde, Mariendorf, Marzahn, Moabit, Neukölln, Niederschönhausen, Nikolassee, Pankow, Prenzlauer Berg, Reinickendorf, Rosenthal, Rummelsburg, Schöneberg, Siemensstadt, Spandau, Staaken, Steglitz, Tegel, Wedding, Wilhelmstadt, Wilmersdorf und Wittenau beworben sowie noch zusätzlich im Rahmen des sog. Geschützen Marktsegments (GMS) vergeblich um Wohnraum nachgesucht hat.
Dass selbst diese räumlich besonders weitgehende Suche des Beklagten zu 2) nicht alle Ortsteile Berlins erfasst hat, ist für ihn unschädlich. Auch insoweit fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, dass eine noch weitergehende räumliche Ausdehnung seiner Bemühungen für den Beklagten zu 2) zum Erfolg geführt hätte. Vielmehr ist die Kammer auch insoweit nicht nur wegen der besonders hohen Anzahl fehlgeschlagener Anmietbemühungen des Beklagten zu 2) und der Makrodaten des Berliner Wohnungsmarktes, sondern auch wegen der Existenz gleich mehrerer der Mangellage auf dem Berliner Wohnungsmarkt Rechnung tragender Landesverordnungen davon überzeugt, dass die räumliche Ausweitung der ohnehin schon extensiven Suche des Beklagten zu 2) ihm keine realistische Marktchancen eröffnet hätte, sondern allenfalls Chancen theoretischer Natur. Denn die in Berlin geltende Mietenbegrenzungsverordnung, die Kappungsgrenzenverordnung und die Kündigungsschutzklausel-Verordnung weisen sämtlich eine Mangellage am Wohnungsmarkt nicht nur für die Ortsteile aus, auf die der Beklagte zu 2) seine Suche erstreckt hat, sondern für die gesamte Gebietskulisse von Berlin. Dieser Befund entspricht im Ergebnis auch dem von der Kammer eingeholten Sachverständigengutachten, auf das es zur hinreichenden Überzeugungsbildung der Kammer allerdings nicht mehr entscheidungserheblich ankam.
Der Beklagte zu 2) ist auch seiner Obliegenheit nachgekommen, seine Suche nach Ersatzwohnraum nicht nur auf Objekte zu beschränken, die in ihrer Größe, ihrem Zuschnitt, ihrer Qualität noch nach ihrem Preis vollständig der streitgegenständlichen Wohnung entsprechen (vgl. dazu BGH, Urt. v. 22. Mai 2019, a.a.O., Tz. 50). Die vom Beklagten zu 2) getroffene Auswahl hat sich stattdessen am dem orientiert, was für ihn angesichts seiner bislang beschränkten wirtschaftlichen Verhältnisse tragbar war. Das ist nicht zu beanstanden (vgl. BGH, Urteil v. 22. Mai 2019, a.a.O., Tz. 50). Nicht anders als bei der dem Beklagten zu 2) gemäß § 574 Abs. 2 BGB obliegenden Verpflichtungen zur quantitativ und zur räumlich hinreichenden Suche besteht auch wegen der durch seine bislang nur schwankenden Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit beeinflussten Bonität kein Anhalt dafür, dass die Suche in höherpreisigen Segmenten des Berliner Wohnungsmarktes für den Beklagten zu 2) in der Vergangenheit zum Erfolg geführt hätte.
Schließlich ist auch der zeitliche Rahmen der vom Beklagten zu 2) entfalteten Bemühungen um Ersatzwohnraum nicht zu beanstanden. Ausreichend, aber auch erforderlich ist die Aufnahme von Bemühungen vor Ablauf der Widerspruchsfrist, jedenfalls aber vor Beendigung des Mietverhältnisses (vgl. Kammer, Urt. v. 28. September 2023 – 67 S 101/23, WuM 2023, 767, beckonline Tz. 27 m.w.N. auch zur Gegenauffassung, die auch eine spätere Suche ausreichen lässt). Dem hat der Beklagte zu 2) genügt, indem er seine Suche nach Ersatzwohnraum spätestens im Mai 2021 und damit weit vor Ablauf von Widerspruchs- und Kündigungsfrist aufgenommen hat.
Die für den Beklagten zu 2) zu besorgenden Folgen des Wohnungsverlustes gebieten gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB auch unter Würdigung der berechtigten Interessen der Klägerin die Fortsetzung des Mietverhältnisses:
Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung kommt der Gefahr der Wohnungslosigkeit des Beklagten zu 2) ein erhebliches Gewicht zu. Denn mit einer kurzfristig erfolgreichen Anmietung einer Wohnung ist weder auf dem freien Wohnungsmarkt noch über das Geschützte Marktsegment zu rechnen.
Dem Erlangungsinteresse der Klägerin ist zwar ebenfalls ein erhebliches Gewicht nicht abzusprechen, da sie nicht mehr wie bislang als Pendlerin in Z sowie in einer provisorischen Unterkunft bei einer Familienangehörigen in Berlin, sondern stattdessen dauerhaft in der in ihrem Eigentum stehenden und bislang vom Beklagten zu 2) innegehalten Wohnung in Berlin wohnen möchte. Diese Lebensplanung ist zu respektieren. Sie bleibt allerdings hinter dem Interesse des Beklagten zu 2) an einem Verbleib in der Mietsache jedenfalls bis zum 31. Januar 2026 zurück:
Bei der Gewichtung des Vermieterinteresses an der Vertragsbeendigung ist vor allem die Dringlichkeit des geltend gemachten Eigenbedarfs von Bedeutung (vgl. BGH, Urt. v. 15. März 2017 – VIII ZR 270/15, NJW 2017, 1474, juris Tz. 30; Kammer, Urt. v. 25. Mai 2021 – 67 S 345/18, WuM 2021, 429, beckonline Tz. 35). Diese ist bei der Klägerin nicht unterdurchschnttlich, aber gleichzeitig auch nicht mehr als gewöhnlich ausgeprägt, da ihr Eigennutzungswunsch im Wesentlichen auf eine Verbesserung ihrer derzeitigen Wohnverhältnisse gerichtet ist. Das reicht nicht aus, um das Interesse des Beklagten zu 2) am Erhalt seines bisherigen Wohnsitzes zur Vermeidung von zukünftiger Wohnungslosigkeit zu überwiegen. Hier kommt noch hinzu, dass die Klägerin nicht nur wegen ihrer gefestigten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, sondern auch aufgrund ihrer Teilhaberschaft an einem renommierten Restaurant in einer vorteilhafteren Lage ist als der Beklagte zu 2), mit Erfolg eine andere Wohnung in Berlin anzumieten, um auf diese Weise ihre derzeitigen Wohnverhältnisse in Berlin jedenfalls vorübergehend zu verbessern. Sie würde allerdings selbst ohne Anmietung einer Ersatzwohnung weiterhin über zwei Wohnsitze in Z und in Berlin verfügen, von denen ihr lediglich der bisherige Wohnsitz in Berlin als unzureichend erscheint. Auch das lässt die Interessen des Beklagten zu 2) am Verbleib in der Wohnung überwiegen, zumal der Sohn der Klägerin, der später mit ihr in der streitgegenständlichen Wohnung in Berlin leben soll, derzeit noch seine Ausbildung in Z absolviert und erst in etwa zwei Jahren abschließen wird.
Das Mietverhältnis war in Ausübung des der Kammer zugewiesenen tatrichterlichen Ermessens („kann“) gemäß § 574a Abs. 2 Satz 1 BGB auf bestimmte Zeit bis zum 31. Januar 2026 fortzusetzen.
Nach § 574a Abs. 2 BGB werden, wenn im Fall von § 574 BGB keine Einigung zustande kommt, die Fortsetzung des Mietverhältnisses, deren Dauer sowie die Bedingungen, zu denen es fortgesetzt wird, durch Urteil bestimmt. Ist ungewiss, wann voraussichtlich die Umstände wegfallen, auf Grund derer die Beendigung des Mietverhältnisses eine Härte bedeutet, so kann bestimmt werden, dass das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit fortgesetzt wird.
Nach den in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gekommenen Vorstellungen, die letztlich auch in die unveränderte Fassung der §§ 574?ff. BGB eingeflossen sind, soll im Regelfall die Fortsetzung des Mietverhältnisses nur auf bestimmte Zeit erfolgen (vgl. BGH, Urt. v. 28. April 2021 – VIII ZR 6/19, NZM 2021, 597, beckonline Tz. 34 m.w.N.). Auf der Grundlage einer Prognose ist festzustellen, wann der Härtegrund voraussichtlich wegfallen oder ab welchem Zeitpunkt die Interessenabwägung nicht mehr zu Gunsten des Mieters ausgehen wird.
Gemessen hieran war die Fortsetzung des Mietverhältnisses auf bestimmte Zeit bis zum 31. Januar 2026 anzuordnen. Bis dahin erscheint die erfolgreiche Beschaffung von Ersatzwohnraum für den Beklagten zu 2) als möglich.
Die vollständige Ungewissheit über die zukünftigen Chancen des Beklagten zu 2), erneut Zugang zum Berliner Wohnungsmarkt durch Anmietung von Ersatzwohnraum zu finden, hätte der Kammer allerdings Veranlassung gegeben, das Mietverhältnis nicht lediglich befristet, sondern gemäß § 574 Abs. 2 Satz 2 BGB auf unbestimmte Zeit fortzusetzen. Das hätte erfordert, dass zukünftig weder eine Änderung der Lage am Berliner Wohnungsmarkt noch eine solche der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Beklagten zu 2) absehbar gewesen wäre (vgl. Kammer, Urt. v. 7. Dezember 2023, a.a.O., Tz. 16 m.w.N.). An diesen Voraussetzungen fehlt es:
Die Kammer ist zwar davon überzeugt, dass sich die Labilität des Berliner Wohnungsmarktes wegen einer hinter dem anhaltenden Bevölkerungszuwachs zurückbleibenden Neubautätigkeit noch vertiefen, jedenfalls aber fortsetzen wird. Das gilt trotz – oder womöglich sogar gerade wegen – der mit der Preisregulierung der Wohnraummieten über die §§ 556d ff. BGB verbundenen Markteffekte (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18. Juli 2019 – 1 BvL 1/18, 1 BvL 4/18, 1 BvR 1595/18, NZM 2019, 676, Tz. 62, 65; Kammer, Urt. v. 15. Dezember 2022, a.a.O., Tz. 19 m.w.N.; Heusch, NZM 2020, 357, 361 f.; Kühling, NZM 2020, 521, 526).
Es fehlt aber an der für eine unbestimmte Fortsetzung des Mietverhältnisses hinreichenden Gewissheit der Kammer, dass auch die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Beklagten zu 2) in absehbarer Zeit unverändert bleiben werden. Denn der Beklagte zu 2) hat im Rahmen seiner zweitinstanzlichen Parteianhörung glaubhaft bekundet, voraussichtlich ab Februar 2024 eine abhängige Beschäftigung mit einem festen monatlichen Bruttoeinkommen von etwa 2.500,00 EUR aufzunehmen. Zuvor waren seine Einnahmen, die der Beklagte zu 2) aus einer mittlerweile beendeten selbständigen Tätigkeit erzielt hat, nur schwankend und führten etwa im Jahre 2023 nur zu einem Quartalsgewinn von 1.256,00 EUR. Es ist zwar nicht überwiegend wahrscheinlich, aber immerhin möglich und nicht lediglich theoretisch vorstellbar, dass die Verstetigung seiner Einkünfte und der gleichzeitige Einkommenszuwachs sich nicht nur positiv auf die Bonität des Beklagten zu 2) und seine bereits davon mitbeeinflussten Marktchancen auswirken, sondern er gleichzeitig in die Lage versetzt wird, auch in anderen Preissegmenten nach Ersatzwohnraum nachzusuchen. Beide Umstände sind geeignet, die Erfolgschancen des Beklagten zu 2) am Berliner Wohnungsmarkt künftig zu erhöhen und ihm bis zum Fristablauf die Beschaffung von Ersatzwohnraum zu ermöglichen.
Die Beklagten können jedoch gemäß § 574a Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 Satz BGB nur verlangen, dass das Mietverhältnis unter einer angemessenen Änderung der Vertragsbedingungen fortgesetzt wird. Eine Fortsetzung zu den bisherigen Bedingungen ist der Klägerin nicht zuzumuten, da die bislang von den Beklagten entrichtete Miete deutlich unter der üblichen Marktmiete liegt.
Für den Vermieter angemessen sind im Falle einer vom Gericht längerfristig oder auf unbestimmte Zeit angeordneten Vertragsfortsetzung aber grundsätzlich nur solche Bedingungen, wie sie bei vergleichbaren Mietverhältnissen in der Gemeinde üblich sind (vgl. BGH, Urt. v. 26. Oktober 2022 – VIII ZR 390/21, NJW-RR 2023, 14, juris Tz. 61; Kammer, Urt. v. 7. Dezember 2023, a.a.O., Tz. 18 m.w.N.). Abzustellen ist dabei auf die vom Gericht erforderlichenfalls zu schätzende ortsübliche Neuvermietungsmiete, sofern diese für den Mieter noch sozialverträglich ist. Die Kappungsgrenze und die sonstigen Formalien der ohnehin nur für die ortsübliche Vergleichsmiete maßgeblichen §§ 558 ff. BGB sind dabei unbeachtlich (vgl. Kammer, Urt. v. 7. Dezember 2023, a.a.O., Tz. 18).
Aus diesem Grund hat die Kammer den Nettokaltmietzins in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang gemäß §§ 574a Abs. 2 Satz 1 BGB, 308a Abs. 1 Satz 1 ZPO für die Zukunft auf eine marktübliche Höhe angepasst. Die Entrichtung der erhöhten Miete hält sich für die Beklagten – auch wegen der zu erwartenden Konsolidierung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Beklagten zu 2) – im Rahmen des Sozialverträglichen.
Davon ausgehend endet das Mietverhältnis der Parteien ohne Weiteres nach Ablauf der Verlängerungszeit mit Ablauf des 31. Januar 2026. Einer erneuten Kündigung seitens der Klägerin bedarf es nicht (vgl. Hartmann, a.a.O., § 574c Rz. 4; Lützenkirchen/Selk, in: Erman, BGB, 17. Aufl. 2023, § 574a Rz. 4).
Für den Fall eines von der Prognose der Kammer zum Nachteil der Beklagten abweichenden künftigen Geschehensverlaufes ist deren Interessen von Gesetzes wegen Rechnung getragen. Sollten sich die von der Kammer zu Lasten der Beklagten berücksichtigten Umstände, insbesondere die durch die künftige Beschäftigung des Beklagten zu 2) zusätzlich eröffneten Chancen zur Beschaffung von Ersatzwohnraum oder die derzeitige Lage des trotz seiner Labilität bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht vollständig verschlossenen Wohnungsmarktes in Berlin nachträglich zum Nachteil des Beklagten zu 2) wesentlich verändern, eröffnet § 574c Abs. 1 BGB die Möglichkeit, gegenüber dem zukünftigen Räumungsanspruch der Klägerin eine Fortsetzung des Mietverhältnisses geltend zu machen, die über die von der Kammer angeordnete Befristung hinausgeht (vgl. Hartmann, a.a.O., § 574c Rz. 7 m.w.N.).
3)
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Die hier entscheidungserheblichen abstrakten Rechtsfragen sind durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt. Davon weicht die Kammer nicht ab. Die Klärung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 BGB obliegt unter Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles dem Tatrichter. Sie rechtfertigt die Zulassung der Revision ebenfalls nicht.
26.03.2024