1. Der Umstand, dass die Wohnung nicht als Gesamtheit, sondern Zimmer für Zimmer an einzelne Nutzer vermietet wurde, stellt keinen sachlichen Grund dafür da, den Mietspiegel nicht anzuwenden und ein Sachverständigengutachten wegen angenommener Zugehörigkeit zu einem besonderen Teilmarkt einzuholen.
2. Bei der am Berliner Mietspiegel orientierten gerichtlichen Schätzung der ortsüblichen Vergleichsmiete können die besonderen Umstände der Zimmervermietung durch einen Zuschlag auf die Mietspiegelwerte berücksichtigt werden.
3. Für den Zuschlag ist zum einen zu berücksichtigen, dass der Vermieter gegenüber mehreren Mietern von Einzelzimmern einen höheren Verwaltungsaufwand hat als bei einer Gesamtvermietung. Daneben ist zu berücksichtigen, dass der Mietspiegel nicht ausweist, wie die Wohnungen belegt sind. Einer erhöhten Abnutzung bei Mehrbelegung trägt das Gesetz im Fall der nachträglichen Untervermietung von Wohnraum durch die Regelung des § 553 Abs. 2 BGB Rechnung. In Analogie zu § 553 Abs. 2 BGB ist ein Zuschlag von jedenfalls mehr als 40 € pro Mieter nicht mehr angemessen.
AG Wedding vom 15.2.2023 – 15a C 138/22 -, mitgeteilt von RA Nikolaus Krehnke
Anmerkung des Berliner Mietervereins
Das Landgericht – ZK 65 – hat in der Verhandlung am 9. Juli 2024 die Argumentation des Amtsgerichts vollständig übernommen. Die Klägerseite hat daraufhin die Berufung zurückgenommen.
Urteilstext
Tatbestand
Die Kläger nimmt die Beklagte im Rahmen des zwischen den Parteien bestehenden Wohnraummietverhältnisses auf Zustimmung zu einer Erhöhung der monatlich geschuldete Nettokaltmiete in Anspruch.
Zwischen den Parteien besteht ein Mietverhältnis dergestalt, dass in dem Mietshaus S.-Str. xx in 1xxxx Berlin, VH 3. OG rechts von der Klägerin an die Beklagten Folgendes vermietet wird: das Zimmer Nr. 1 (1. Zimmer nach der Woh-nungstüre) zur alleinigen Nutzung, sowie Wohnküche, Bad mit Wanne und WC, Flur sowie Garten zur gemeinsamen Nutzung durch eine 3er WG.
Das Wohnhaus wurde vor 1918 errichtet. Die Wohnfläche für die gesamte Wohnung beträgt 104,25 m². Die mitgemietete Gemeinschaftsfläche beträgt 35,51 m².
Mit Schreiben vom 07.12.2021, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, begehrte die Klägerin die Zustimmung der Beklagten zur Erhöhung der Nettokaltmiete von bislang 325,21 € auf 373,99 € monatlich ab dem 01.03.2022. Zur Begründung bezog sich die Klägerin auf von ihr benannte Vergleichszimmer. Die Beklagte erteilte ihre Zustimmung nicht.
Der empirica-Preisdatenbank zufolge lag der Standardpreis für WG-Zimmer im Wintersemester 2022 bei 500,00 €; wegen der Einzelheiten wird verwiesen auf die Angaben zu dieser Erhebung.
Die Klägerin behauptet, das Zimmer sei 22,59 m² groß. Ferner behauptet sie, dass für einzeln vermiete WG-Zimmer in Berlin das ortsübliche Vergleichsmietniveau bei aktuell zwischen 450 und 800 € liege.
Sie ist der Ansicht, der Mietspiegel 2021 könne – wenn überhaupt – nur als einfacher Mietspiegel herangezogen werden. Die Anwendbarkeit sei aber auch ausgeschlossen, da der hiesige Fall einer einzelnen Zimmervermietung durch die in den Mietspiegeln erhobenen und ausgewiesenen Werte nicht abgebildet werde.
Sie beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, einer Erhöhung der derzeit monatlich geschuldeten Nettokaltmiete für das von ihr innegehaltene und im 3. Obergeschoss rechts liegende Zimmer Nr. 1 (erstes Zimmer nach der Wohnungstür) mit einer Fläche von 22,59 m² sowie der anteilig mitgemieteten Gemeinschaftsfläche einer 3er WG von 35,51 m² bestehend aus Küche, Bad mit Badewanne und WC und Flur, S.-Straße xx in 1xxxx Berlin von 325,21 € auf 373,99 € ab dem 01.03.2022 zuzustimmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bestreitet, dass das Zimmer 22,59 m² groß sei und behauptet diesbezüglich, es habe eine Fläche von knapp 18 m². Sie ist der Ansicht, dass die Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete nach dem Berliner Mietspiegel zu bestimmen sei.
…
Entscheidungsgründe
I. Die gemäß §§ 23 Nr. 2a) GVG, 29a Abs. 1 ZPO vor dem zuständigen Gericht erhobene und auch im Übrigen zulässige Zustimmungsklage ist unbegründet.
Die Klägerin hat aus keiner ersichtlichen Anspruchsgrundlage, insbesondere nicht § 558 Abs. 1 BGB, einen Anspruch gegen die Beklagte auf Erteilung der Zustimmung zur begehrten Erhöhung der monatlichen Nettokaltmiete. Gern. § 558 Abs. 1 BGB kann der Vermieter eine Zustimmung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen. Vorliegend liegt bereits die Ausgangsmiete von 325,21 € über der ortsüblichen Vergleichsmiete.
1. Für die ortsübliche Vergleichsmiete dient der Berliner Mietspiegel 2021 als Schätzgrundlage i.S.d. § 287 BGB. Es kann dahinstehen, inwiefern der Berliner Mietspiegel gültig oder – aufgrund seiner mehrfachen Fortschreibung – noch nicht einmal als einfacher Mietspiegel wirksam ist. Jedenfalls aber handelt es sich um eine statistisch aufbereitete Datensammlung über die in Berlin gezahlten Mieten unter Berücksichtigung der Baualtersklassen, Wohnungsausstattung, -größe und Wohnlage. Außerdem gibt er mit der Orientierungshilfe zur Spanneneinordnung ein Instrument an die Hand, die Einzelvergleichsmiete anhand von wohnwerterhöhenden und -mindernden Merkmalen zu berücksichtigen. Damit gibt er eine taugliche Schätzgrundlage (vgl. auch AG Mitte, Urt. v. 19.04.2022 – 8 C 189/21 – GE 2022, 1058). Etwas anderes gilt hier auch nicht deshalb, weil Mietgegenstand nur ein WG-Zimmer unter Mitnutzung der Gemeinschaftsfläche ist. Der Umstand, dass die Wohnung nicht als Gesamtheit, sondern Zimmer für Zimmer an einzelne Nutzer vermietet wurde, stellt keinen sachlichen Grund dafür da, den Mietspiegel nicht anzuwenden und ein Sachverständigengutachten wegen angenommener Zugehörigkeit zu einem besonderen Teilmarkt einzuholen (vgl. der von der Beklagten vorgelegte Beschluss des LG Berlin v. 11.07.2022 – 64 S 89/21 -). Zwar ist der Klägerseite zuzugeben, dass der Mietspiegel lediglich Mieten für insgesamt vermietete Wohnungen ausweist. Dies kann aber in die gerichtliche Schätzung Eingang finden, indem die besonderen Begebenheiten (höherer Verwaltungsaufwand, größere Abnutzung) durch einen Zuschlag auf die Mietspiegel-Vergleichsmieten berücksichtigt werden.
Für die Auffassung der Klägerseite, dass der Mietspiegel hier nicht maßgeblich sei, streitet auch nicht das von ihr zitierte Urteil des LG Gießen. Das Urteil befasst sich nicht mit der Anwendbarkeit von Mietspiegeln bei Zimmervermietungen, sondern lediglich damit, dass innerhalb der Begründung eines Mieterhöhungsverlangens nach § 558a Abs. 2 Nr. 4 BGB bei Zimmervermietungen auch nur derartige Mietverhältnisse als vergleichbare Objekte benannt werden dürfen (LG Gie-ßen, Urt. v. 22.06.2012 – 1 S 98/21 -, juris Rn. 2). Die Frage, ob ein Mietspiegel, der sich nur insgesamt mit Wohnungen befasst, zur Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete eines Zimmers herangezogen werden kann, ist nicht Gegenstand dieser Entscheidung. Auch die von der Klägerseite zitierte Besprechung von Börstinghaus jurisPR-MietR 19/2012 Anm. 3) beschäftigt sich allein mit der Begründung des Erhöhungsverlangens im Rahmen des § 558a Abs. 2 Nr. 4 BGB.
Die von der Klägerseite eingereichte statistische Erhebung zu WG-Mieten hat keine ausreichende Aussagekraft, um bei der Schätzung Berücksichtigung zu finden. Anders als beim Mietspiegel ist nicht ersichtlich, inwieweit wohnwertbeeinflussende Merkmale wie die Lage und Ausstattung von Wohnung und Gebäude berücksichtigt wurden.
2. Als angemietete Fläche ist vorliegend eine Fiktion dergestalt zu bilden, dass auf die Zimmerfläche ein Anteil der Gemeinschaftsfläche in dem Verhältnis, zu dem die Beklagte die WG mitbewohnt, aufgeschlagen wird (vgl. LG Berlin, a.a.O.). Bei der 3er-WG beträgt ihr Anteil an der 35,51 m² betragenden Gemeinschaftsfläche eine Fläche von 11,84 m². Die fiktive Gesamtfläche beträgt demnach – je nachdem, ob das Zimmer knapp 18m² oder 22,59 m² groß ist – maximal 34,43 m².
3. Es kann dahinstehen, ob der Mietspiegel-Referenzwert im Mietspiegelfeld für Wohnungen bis 40 m² (hier aufgrund der einfachen Wohnlage und der Baualtersklasse A1) oder für Wohnungen von 90 m² und mehr (J1) heranzuziehen ist. Denn jedenfalls läge – auch unterstellt, das Zimmer ist, wie von der Klägerin behauptet, 22,59 m² groß – die ortsübliche Ver-gleichsmiete in beiden Fällen noch unter der hiesigen Ausgangsmiete.
Es wurden keine wohnwerterhöhenden oder -mindernden Merkmale vorgetragen, so dass der Mittelwert des Mietspiegels den Ausgangspunkt der gerichtlichen Schätzung nach § 287 ZPO bildet. Bei Mietspiegelfeld A1 liegt dieser bei 7,99 €/m². Für eine fiktiv 34,34 m² große Gesamtfläche ergibt dies eine Vergleichsmiete von 275,10 €. Beim Mietspiegelfeld J1 mit einem Mittelwert von 6,30 € liegt sie bei 216,34 €.
Auch unter Berücksichtigung des bei der Zimmervermietung zu machenden Aufschlages beträgt die ortsübliche Vergleichsmiete jedenfalls nicht mehr als die bereits geschuldete Miete von 325,21 €. Für den Aufschlag ist zum einen zu berücksichtigen, dass der Vermieter gegenüber drei Mietern von Einzelzimmern einen höheren Verwaltungsaufwand hat als bei einer Gesamtvermietung. Daneben ist zu berücksichtigen, dass der Mietspiegel nicht ausweist, wie die Wohnungen belegt sind. Die Wohnungen des Mietspiegelfeldes A1 und eine unbestimmte Zahl des Feldes J1 dürften geringer belegt sein als eine WG und damit bei den Gemeinschaftsflächen einer geringeren Abnutzung unterliegen. Einer erhöhten Abnutzung bei Mehrbelegung trägt das Gesetz im Fall der nachträglichen Untervermietung von Wohnraum durch die Regelung des § 553 Abs. 2 BGB Rechnung. Für einen ggf. zu zahlenden angemessenen Untermietzuschlag wird, gerade wenn als Grund für den Zuschlag die zu erwartende Abnutzung in den Blick genommen wird, 5 € bis 30 € je aufzunehmender Person genannt (Schmidt-Futterer/Flatow, 15. Aufl. 2021, BGB § 553 Rn. 21 m.w.N.). Zu berücksichtigen ist bei der hiesigen Konstellation, in der drei Zimmer einer WG einzeln vermietet werden, dass dieser Aufschlag bei der Miete von jeder der drei Mieterinnen Anklang findet. Ein Aufschlag von jedenfalls mehr als 40 € pro Mieter ist daher nicht angemessen.
II. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
III. Die Berufungszulassung erfolgte gem. § 511 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.
29.10.2024