Wolfgang Mahnke engagiert sich seit 2014 bei der MieterWerkStadt Charlottenburg. Wir haben mit ihm über die Arbeit der Initiative und die drängendsten Themen im Kiez gesprochen.
Lieber Wolfgang Mahnke, wie ist die MieterWerkStadt entstanden?
Die MieterWerkStadt ist eine Initiative politisch aktiver Mieter:innen, die zum Teil seit Jahrzehnten um den Klausenerplatz wohnen. Damals waren es vor allem Mieter:innen der Neuen Heimat, ein Wohnungsunternehmen des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Viele der Wohnhäuser gehören jetzt zum Bestand der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Gewobag, bei der sich einige unserer Aktiven als Mieterbeiräte engagiert haben. Bis 2013 bildeten die unterschiedlich aktiven Mieter:innen einen informellen Verbund, der sich relativ regelmäßig am Klausenerplatz getroffen hat.
2013 stieg der Verdrängungsdruck für die Anwohner:innen spürbar. Die bereits aktiven Mieter:innen bekamen mit, dass viele Häuser modernisiert werden sollten. Nachbar:innen begannen, sich zu sorgen – die kleinen Gewerbetreibenden eingeschlossen. Der Wille war da, einen verbindlichen Zusammenschluss für Aktive ins Leben zu rufen – mit eigenem Namen. Da es bereits die KiezKulturWerkstadt in der Gegend gab, entschied sich die Gruppe in Anlehnung daran für die MieterWerkStadt Charlottenburg. Ich selbst kam im Zuge des Mietenvolksentscheids 2014 dazu. Eine Bezirksverordnete sprach mich damals an, weil ich mich zuvor für Kleingärten an der Forckenbeckstraße in Schmargendorf engagiert hatte. So wurde ich Mitstreiter, obwohl ich gar nicht im Kiez wohne.
Was war eure erste Aktivität als MieterWerkStadt?
Als erste größere Aktion hat sich die MieterWerkStadt am Mietenvolksentscheid Berlin beteiligt 2015 viele Unterschriften gesammelt – mit großem Erfolg: Es wurde eine Anstalt des öffentlichen Rechts geschaffen, die die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften enger an die Leine nimmt.
Wie setzt sich die Gruppe heute zusammen?
In der MieterWerkStadt beteiligen sich bis heute ganz unterschiedliche Menschen. Die Ängste, die durch Verdrängungsszenarien in Berlin aufkommen, sind bei allen präsent. Es besteht nicht immer unmittelbare Betroffenheit, sondern oft nur eine unspezifische Sorge, die Wohnung zu verlieren. Wir treffen uns einmal im Monat im Stadtteilzentrum DIVAN. Jedes Mal sind wir etwa zehn bis 12 Personen, die Hälfte davon derselbe harte Kern. Häufiger sind auch jüngere Menschen dabei, die sich aufgrund ihrer persönlichen oder beruflichen Situation allerdings nur eingeschränkt engagieren können. Bei den regelmäßig Aktiven haben wir – wie vielleicht alle Initiativen – ein Problem mit Überalterung. Ein Mitstreiter von uns beschäftigt sich intensiv mit dem Thema und hat ein Papier mit Lösungsansätzen erarbeitet.
Welche Themen haben euch nach dem erfolgreichen Mietenvolksentscheid 2015 beschäftigt?
Wir haben uns in den vergangenen Jahren sehr für die Ausweisung von Milieuschutzgebieten engagiert. Durch die Einwohnerfrage eines Mitstreiters fanden wir Anfang 2016 heraus, dass es beim Bezirksamt einmal eine halbe Stelle für das Thema Milieuschutzgebiete gegeben hat. Diese fiel allerdings Sparmaßnahmen zum Opfer. Auch nach einem zuvor von den Grünen initiierten Milieuschutz-Grobscreening sah sich das Bezirksamt weiterhin nicht veranlasst, die Ausweisung eines Milieuschutzgebietes rund um den Klausenerplatz einzuleiten. Um überhaupt ein Verfahren in Gang zu bringen, haben wir 2016 einen Einwohnerantrag formuliert mit dem Ziel, die Kieze zwischen dem Schloss Charlottenburg und dem Bahnhof Charlottenburg („Stutti“) als Milieuschutzgebiete ausweisen zu lassen. 1.000 Unterschriften sind von der Bevölkerung notwendig damit der Antrag in der Bezirksverordnetenversammlung behandelt wird. Anfang 2017 hatten wir weitaus mehr als die benötigten 1.000 Unterschriften beisammen, und die Bezirksverordnetenversammlung schloss sich unserem Antrag an. Nach anfänglich sehr schleppender Bearbeitung hat das Bezirksamt das Gebiet dann unter vorläufigen Milieuschutz gestellt. Nach einem Jahr erfolgte die dauerhafte Unterschutzstellung des Klausenerplatzes durch den Erlass einer Miieuschutzverordnung. Derzeitiger Stand ist also, dass der Klausenerplatz Milieuschutz hat, Schloßstraße und Amtsgerichtsplatz („Stutti“) aber noch nicht.
Was sind weitere wichtige Themen im Kiez?
Abriss und Zweckentfremdung sind in Charlottenburg-Wilmersdorf ein riesiges Problem. Hier wird Substanz abgerissen, die eigentlich noch gut in Schuss ist. Ein prominentes Beispiel ist die Schlüterstraße 44. In den Häusern wohnen noch Menschen, die keinen Ersatzwohnraum bekommen. Das geht gar nicht! Die MieterWerkStadt arbeitet dazu gerade mit dem Berliner Mieterverein und dem IniForum zusammen, das versucht, ein Gespräch mit den baupolitischen Sprecher:innen der Koalitionsfraktionen zu ermöglichen. Wir wollen Antworten auf unsere Fragen: Was können wir politisch erreichen? Welche Gesetzesänderungen sind dringend notwendig und wie sind sie umsetzbar? Und wie kann es überhaupt sein, dass ohne Ersatzwohnraum abgerissen werden darf?
Wie arbeitet die Initiative, um den Herausforderungen zu begegnen?
Maßgebliches Ziel bleibt, Verdrängung zu bekämpfen. Das zielt letztlich auf bezahlbaren Wohn- und Geschäftsraum für alle. Unser wichtigstes Anliegen ist es, zu erfahren, mit welchen Problemen sich die Anwohner:innen aktuell konfrontiert sehen. Je nach Art der von den Mieter:innen erfahrenen Repressalien versuchen wir, Druck auf die Politik auszuüben. Das geht durch Einwohnerfragen und -anträge, aber auch durch Wahrnehmung des – von uns bereits mehrmals genutzten – Rechts auf Akteneinsicht. Außerdem bringen wir unsere Forderungen immer wieder in die Bezirksverordnetenversammlung ein und werden dabei auch von einzelnen Abgeordneten oder Fraktionen unterstützt.
Darüber hinaus haben wir seit einiger Zeit einen Twitter-Account. Zunächst hatten wir uns gegen diesen Kanal entschieden – auch aufgrund mangelnder Kapazitäten. Aber wir haben erkannt, dass wir auf diesem Weg schnell etwas in die Welt tragen können und mehr Menschen erreichen. Ich setze dort auch ab und zu einen Tweet ab. Hauptsächlich wird der Account allerdings von einem anderen Ruheständler bespielt, der sich da so richtig reingefuchst hat.
Was ist aus eurer Sicht das größte Problem auf dem Berliner Wohnungsmarkt?
Fast alle Missstände, die wir sehen, sind nicht kommunal gemacht, sondern beruhen auf Bundesregelungen und Eigentumsverhältnissen, die der Spekulation Tür und Tor öffnen. Hier muss noch viel passieren. Wir versuchen, im Rahmen unserer Möglichkeiten Teil des Schrittes in die richtige Richtung zu sein – derzeit etwa durch die Unterstützung der Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“.
14.07.2022