Die Mieter:innen in der Weichselstraße 52 können aufatmen: Der Bezirk Neukölln übt erfolgreich das Vorkaufsrecht für das Wohnhaus aus. Eine Erfolgsgeschichte, die vor allem dem Engagement der Mieter:innengemeinschaft zu verdanken ist.
Am 8. November 2023 kam die erlösende Mitteilung: Das Bezirksamt Neukölln hat sein Vorkaufsrecht für das Gebäude mit 21 Wohnungen und zwei Gewerbeeinheiten in der Weichselstraße 52 wahrgenommen. Weder Käufer noch Verkäufer legten Widerspruch gegen die Entscheidung ein; damit ist die Ausübung des Vorkaufs rechtskräftig und der Weg frei für eine Übernahme des Wohnhauses durch die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land.
Es ist das erste Mal seit November 2021, dass ein Berliner Bezirk das Vorkaufsrecht ausübt. Zuvor war es lange Zeit eines der wenigen Instrumente für Bezirke und Gemeinden, um Mieter:innen in Milieuschutzgebieten vor Verdrängung zu schützen – bis das Bundesverwaltungsgericht dieses wirksame Instrument am 9. November 2021 aushebelte. Die Annahme allein aufgrund eines hohen Kaufpreises, dass der andere Käufer Mieter:innen mutmaßlich verdrängen könnte, sei keine ausreichende Grundlage für das Vorkaufsrecht. Mit seinem Urteil beschränkt das oberste Gericht die Ausübung des Vorkaufsrechts seitdem auf Gebäude, die erhebliche Mängel und/oder städtebauliche Missstände aufweisen.
Ein wichtiger Präzedenzfall für ein bewährtes Instrument
Bei dem Haus in der Weichselstraße 52 ist das der Fall: Es ist stark sanierungsbedürftig und gehört zu den Berliner Gebäuden mit den schlechtesten Energieeffizienzklassen. Der Bezirk Neukölln entwickelte eigenen Angaben zufolge ein Konzept zur Ausübung des Vorkaufsrechts bei sogenannten Problemimmobilien und nahm im September einen neuen Anlauf, um einen wichtigen Präzedenzfall zu schaffen. Das ist ihm nun gelungen – mit Unterstützung des Senats, der Mitte September einen Finanzierungszuschuss für den Erwerb zugunsten eines landeseigenen Wohnungsbauunternehmens zugesagt hatte, und dank des großen Engagements der Mieter:innen, die sich seit dem Verkauf des Hauses an die Hamburger Holding Hansereal im Juni aktiv für einen Vorkauf durch den Bezirk und den Erhalt ihrer Hausgemeinschaft eingesetzt haben.
Jochen Biedermann, Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung, Umwelt und Verkehr (Grüne), hatte sich in den vergangenen Monaten für die Mieter:innen stark gemacht und freut sich laut Mitteilung aus dem Bezirksamt über den Ausgang des Verfahrens: „Das zeigt, dass wir die Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts überzeugend umgesetzt haben. Gleichzeitig verdeutlicht das Verfahren, wie notwendig eine Reform des Vorkaufsrechts auf Bundesebene ist.“
Hoffnung auch für Mieter:innen in Wilmersdorf?
Angesichts des positiven Ausgangs in Neukölln hoffen wir auch für die Hausgemeinschaft der Mecklenburgischen Straße 89/Aachener Straße 1 in Wilmersdorf, dass die Abwendung des Verkaufs an einen Schweizer Investor gelingt. Noch fehlt die Zusage für den Finanzzuschuss aus dem Senat, der in diesem Fall aufgrund des hohen Kaufpreises sowie der notwendigen Sanierungskosten deutlich höher ausfallen muss. Die Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf hatte sich von CDU bis Linke für den Vorkauf ausgesprochen, die landeseigene Gesobau die Übernahme in ihren Bestand zugesagt. Doch aus dem Senat für Finanzen kommt in diesen Tagen eine schlechte Nachricht für die Mieter:innen: Den Finanzzuschuss soll es nicht geben. Dabei wäre es so wichtig, Wohnhäuser wie die in der Neuköllner Weichselstraße und in der Wilmersdorfer Mecklenburgischen Straße vor der renditeorientierten Verwertung zu schützen. In beiden Fällen handelt es sich um besonders attraktive Lagen – Eigentümer:innen können Wohnungen und Häuser hier aufgrund enorm gestiegener Boden- und Marktpreise gewinnbringend vermarkten, die Mieter:innen werden verdrängt. Daher fordern wir Finanzsenator Stefan Evers (CDU) auf, den notwendigen Finanzzuschuss erneut zu prüfen und der landeseigenen Gesobau dringend zuzusagen.
sk, fs
18.11.2023