Während sich die einen über den ungewohnten Anblick eines verschneiten Berlins freuen, bedeutet die weiße Pracht für andere lästige Arbeit: Sie müssen Schnee schippen und Wege freiräumen.
Verantwortlich für den Winterdienst sind eigentlich die Kommunen. Die geben diese Verpflichtung aber meistens an die Anlieger – also Grundstückseigentümer und Vermieter – weiter. Wenn diese nicht persönlich zur Schippe greifen wollen, beauftragen sie ein kommerzielles Winterdienstunternehmen oder den Hausmeister. Die dadurch entstehenden Kosten kann der Vermieter auf die Mieter umlegen, sofern dies im Mietvertrag vereinbart ist. Manche Vermieter wälzen aber auch die Winterdienstpflichten direkt auf ihre Mieter ab. Doch auch das geht nur, wenn diese Verpflichtung eindeutig im Mietvertrag festgelegt wurde. Durch eine Regelung in der Hausordnung kann der Vermieter den Mieter nur zum Winterdienst verpflichten, wenn die Hausordnung Bestandteil des Mietvertrages ist (Oberlandesgericht Frankfurt/Main, Wohnungswirtschaft und Mietrecht 1988, Seite 399). Eine einseitige nachträgliche Überwälzung durch den Vermieter, etwa durch plötzliche Änderung der Hausordnung, ist nicht zulässig. Wichtig: Der Vermieter wird nur dann von seiner Verantwortung entbunden, wenn er die Übertragung auf Dritte beim Amt für regionalisierte Ordnungsaufgaben in Berlin-Lichtenberg anzeigt.
Nur was im Vertrag steht, zählt
Das Straßenreinigungsgesetz in Berlin legt für den Winterdienst die Zeiten zwischen 7 Uhr und 20 Uhr fest, an Sonn- und Feiertagen beginnt die Pflicht ab 9 Uhr. Der Klage einer Mieterin, die ihr Haus um 4 Uhr 45 verlassen hat und dabei auf einer vereisten Treppe schwer gestürzt war, gaben die Richter des Oberlandesgerichts Brandenburg nicht nach. Sie entschieden: Um diese Zeit kann man noch nicht von nennenswertem Fußgängerverkehr sprechen, deswegen muss zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht geräumt sein (Az.: 5 U 86/06).
„Wie oft am Tag gestreut und geräumt werden muss, hängt von den Witterungsbedingungen ab“, erklärt Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund. Bei Dauerschneefall müssen die Räumarbeiten während des Tages wiederholt werden, allerdings nicht andauernd, wenn diese Arbeit erkennbar völlig zwecklos ist. „Im Streitfall muss allerdings der Streupflichtige beweisen, dass derart extreme Witterungsbedingungen vorgelegen haben“, warnt Ulrich Ropertz.
Enthält der Mietvertrag oder die Hausordnung keine andere Regelung, muss der zur Räumung Verpflichtete die gewöhnlich genutzten Wege vor dem Haus von Schnee und Eis freihalten. Dazu gehören der Hauseingang, der Bürgersteig vor dem Haus und die Wege zum Hof und zu den Mülltonnen. Gestreut und geräumt werden muss in einer Breite von mindestens einem Meter. Berufstätigkeit, Krankheit oder Urlaub entbinden nicht vom Winterdienst. Wer seinen Pflichten nicht nachkommen kann, muss sich eine Vertretung suchen.
Verletzt sich ein Fußgänger auf einem nicht gestreuten Weg, haftet dafür der Streupflichtige. Auf ihn können dann Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche zukommen. Wenn der Hauseigentümer seine Räum- und Streupflicht ordnungsgemäß auf die Mieter übertragen hat, haftet er in der Regel nicht nach einem Unfall. Denn der Vermieter kann erwarten, dass Mieter ihren vertraglich vereinbarten Pflichten nachkommen (Oberlandesgericht Dresden, Az.: 7 U 905/ 96). Trotzdem bleibt der Vermieter in der Verantwortung. Er muss zumindest stichprobenartig kontrollieren, ob Mieter oder das beauftragte Unternehmen ihre Pflichten ordnungsgemäß erfüllen. Kann der Vermieter nicht nachweisen, dass er seiner Überwachungspflicht nachgekommen ist, muss er für Schäden haften, die auf eine nicht ordnungsgemäße Schneeräumung zurückzuführen sind.
Der streupflichtige Mieter muss dem Vermieter übrigens keinen Schadensersatz nach einem Unfall zahlen, wenn für das Gebäude eine Haftpflichtversicherung besteht und er sich über seine Nebenkosten an den Versicherungsprämien beteiligt (Oberlandesgericht Oldenburg, Az.: 9 U 45/07). Achtung: Die schuldhafte Nichterfüllung des Winterdienstes kann als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld bis zu 10000 Euro bestraft werden.
Sina Tschacher
MieterMagazin 1+2/09
Die gewöhnlich genutzten Wege vor dem Haus und im Hof sind werktags von 7 bis 20 Uhr von Schnee zu räumen
Foto: Christian Muhrbeck
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Wer zahlt für Streumittel?
Hat der Mieter die Streu- und Räumpflichten vertraglich übernommen, bedeutet das nicht, dass er auch die dafür nötigen Streumittel und Arbeitsgeräte beschaffen muss (Amtsgericht Wuppertal, Wohnungswirtschaft und Mietrecht 1982, Seite 114). Die Kosten für die Streumittel kann der Vermieter über die Betriebskostenabrechnung auf die Mieter umlegen. Das setzt aber voraus, dass die Umlage dieser Betriebskostenarten mietvertraglich vereinbart wurde. Die Kosten für die Anschaffung von Arbeitsgeräten dagegen darf der Vermieter nicht an die Mieter weitergeben. Übrigens: In Berlin und vielen anderen Städten darf nicht mit Salz, sondern nur mit Sand, Asche, Granulat oder ähnlichem gestreut werden.
tsc
17.12.2017