In Berlin-Lichtenberg steht das derzeit größte Niedrigenergiehaus Europas. Das Wohnungsunternehmen Howoge hat die 18- und 21-Geschosser in der Schulze-Boysen-Straße 35/37 vor zwei Jahren innerhalb von neun Monaten vom Dach bis zum Keller saniert und umgestaltet. Vor allem die neu eingezogenen Mieter sind zufrieden.
Nach Fertigstellung im Januar 2007 standen noch 126 Wohnungen leer. „Inzwischen haben sich die Vorzüge des Niedrigenergiehauses herumgesprochen“, freut sich Howoge-Sprecherin Angela Reute. Seit Mitte März 2008 sind sämtliche Wohnungen vermietet.
Die Fassade wurde gedämmt, Kunststofffenster mit Isolierverglasung und Thermostatventile eingebaut, sämtliche Wasserleitungen erneuert, eine neue Fernwärme-Hausanschlussstation und ein Blockheizkraftwerk installiert. Neu für die Mieter ist vor allem die kombinierte Heizungs- und Lüftungsanlage. „Die Zuluftanlage bläst vorgewärmte Luft mit 15 bis 18 Grad in jeden Wohnraum“, erklärt Reute. Der Luftstrom sei so ausgelegt, dass stündlich in jedem Raum der hygienisch notwendige Luftwechsel stattfinde. Entscheidend sei nicht, ob der Heizkörper warm sei, sondern welche Raumtemperatur herrsche, und die betrage durchschnittlich circa 21 Grad Celsius.
Die neue Heizung begeistert Thomas Kuppe, der mit seiner Frau im Juli 2007 eine etwa 90 Quadratmeter große Wohnung in dem Plattenbau bezogen hat. „Wir mussten die Heizkörper nur ganz selten anmachen.“ Selbst bei niedrigsten Außentemperaturen habe man in der Wohnung 24 bis 25 Grad Wärme gemessen. „Die Fassade ist außerordentlich gut gedämmt, zudem haben wir dreifach verglaste Fenster.“ Ähnliches berichtet eine Mieterin aus dem 20. Stock, die vor etwa zwei Jahren in das Niedrigenergiehaus gezogen ist: „Die Wohnung ist warm, ohne dass ich groß die Heizung anmachen muss.“
Die durchschnittliche Nettokaltmiete liegt mit 5,11 Euro pro Quadratmeter um 1,04 Euro höher als vor der Sanierung, einschließlich einer Modernisierungsumlage von 77 Cent. Das Gebäude verbraucht allerdings rund 50 Prozent weniger Energie als vorher, nämlich statt 90,6 nur noch 44,9 Kilowattstunden pro Quadratmeter. Damit wurde auch der Kohlendioxid-Ausstoß um mehr als eine Tonne pro Wohnung gesenkt. Laut Betriebskostenabrechnung für 2007 zahlen die Mieter nun für Heizung und Warmwasser 0,63 Euro pro Quadratmeter und Monat – vor der Sanierung waren es noch 1,10 Euro. „Der Mehraufwand für die Mieter ist nach Abzug der Heiz- und Warmwasserkosteneinsparung von fast 0,50 Euro pro Quadratmeter noch im Bereich des Erträglichen“, so Reiner Wild, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Berliner Mietervereins. Die zusätzlichen Kosten müsse man auch in Relation zu weiteren Preissteigerungen bei Energie sehen.
Die energetische Sanierung des Doppelhochhauses war Teil des Pilotprojektes „Niedrigenergiehaus im Bestand“, das die Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena) seit Ende 2003 in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung durchführt. Es wird unter anderem durch zinsgüns-tige Darlehen der KfW-Förderbank finanziert. Die Sanierung hat insgesamt 8 Millionen Euro gekostet. 1,9 Millionen davon entfielen auf energiesparende Maßnahmen.
Umweltpreis für Howoge
Im November 2008 wurde die Howoge für ihr Niedrigenergiehaus mit dem Berliner Umweltpreis des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) in der Kategorie „Wirtschaft und Innovation“ ausgezeichnet. Mit dem größten Niedrigenergiehaus Deutschlands zeige die Wohnungsbaugesellschaft beispielhaft, wie mit vergleichsweise geringem Mehraufwand und vergleichsweise niedrigen Mehrkosten wirtschaftlich vertretbar ein Wohnhaus mit hohem Komfort für die Bewohner, geringen Betriebskosten, sinkendem Jahresenergiebedarf und reduziertem Kohlendioxid-Ausstoß entstanden sei.
Kristina Simons
MieterMagazin 3/09
Vorbildliche energetische Sanierung und erträgliche Mehrkosten für die Mieter: Plattenbau Schulze-Boysen-Straße 35/37 in Lichtenberg
Foto: Christian Muhrbeck
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Das Niedrigenergiehaus
Der Begriff „Niedrigenergiehaus“ ist gesetzlich nicht definiert. Niedrigenergiehäuser verbrauchen sehr wenig Energie für Heizwärme und Warmwasser. Der Heizwärmebedarf ist um etwa 30 Prozent geringer als bei Gebäuden, die den Anforderungen der Energieeinsparverordnung (Stand 2007) entsprechen. Er liegt pro Jahr zwischen 40 und 70 Kilowattstunden pro Quadratmeter. Dafür sorgt vor allem eine gute Dämmung, die Wärmeverluste an Außenwänden, Dächern, Fenstern, Decken oder zu unbeheizten Kellern vermeidet. Bei Neubauten ist diese Bauweise mittlerweile Standard.
ks
11.05.2017