Mehreren Mietern der Babelsberger Straße 2 in Wilmersdorf wurden Ende Januar sämtliche Fenster zugemauert, die zur Giebelwand gingen. Grund: ein geplanter Neubau auf dem Nachbargrundstück. In Zeiten von Lückenschließungen und Nachverdichtung ist dies kein Einzelfall.
Die empörten Mieter haben über einstweilige Verfügungen die Bauarbeiten gestoppt. Allerdings war es für vier der sechs Stockwerke bereits zu spät. Lediglich die oberste Etage blieb frei, die Fenster der fünften Etage sind nur zu einem Drittel zugemauert. In die betroffenen Schlaf- und Wohnzimmer gelangt nun wesentlich weniger Licht – ein eindeutiger Verlust an Wohnqualität.
Auf dem Eckgrundstück Babelsberger Straße 1/Berliner Straße 161 sollen hochwertige Eigentumswohnungen entstehen. Das ist nur möglich, wenn die Fenster in der bisherigen Brandmauer weg kommen. Im Grundbuch der Babelsberger Straße 2 ist dies als Baulast eingetragen, der Eigentümer muss also zustimmen. Beim Berliner Mieterverein sieht man daher wenig Chancen, dass ein Rückbau durchgesetzt werden kann. Das gelte selbst dann, wenn es keinen entsprechenden Eintrag im Grundbuch gebe, erklärt Rechtsexperte Frank Maciejewski: „Solange der Neubau bauordnungsrechtlich zulässig ist, kann der Eigentümer sich nicht dagegen wehren, und was dem Eigentümer zuzumuten ist, ist auch dem Mieter zuzumuten.“ Zwar habe es der Vermieter in diesem Fall versäumt, schon im Mietvertrag auf die Vormerkung hinzuweisen. „Wir haben unsere Wohnung schließlich mit allen Fenstern angemietet“, meint denn auch einer der Bewohner. Doch weil die Anzahl der Fenster nicht explizit im Mietvertrag steht, handelt es sich auch nicht um eine zugesicherte Eigenschaft im juristischen Sinne, so Maciejewski. Anders kann es aussehen, wenn der Vermieter selber Bauherr ist und einen Anbau oder Umbau plant. Allerdings hat der Bundesgerichtshof selbst in einem solchen Fall, nämlich der Calvinstraße 21, unlängst einen Rückbauanspruch als wirtschaftlich unzumutbar für den Eigentümer zurückgewiesen. Der Teilabriss des Neubaus stünde in einem krassen Missverhältnis zum Nutzen der freigelegten Fenster (BGH vom 22. Januar 2014 – VIII ZR 135/13).
Rechtsanwalt Hans Günter Hell, der die einstweiligen Verfügungen durchgesetzt hat, ist dennoch optimistisch: „Das Gericht hat das Zumauern der Fenster ganz klar als schweren Eingriff in die Besitzrechte des Mieters gewertet.“ Erschwerend komme hinzu, dass der Vermieter seiner Darlegungspflicht nicht nachgekommen sei: „Den Mietern wurde nicht einmal die Baugenehmigung vorgelegt“, so Hell.
Doch ganz ohne Risiko ist die einstweilige Verfügung nicht. Sollte sich in der Hauptverhandlung herausstellen, dass sie zu Unrecht ergangen ist, könnten auf die Mieter unter Umständen Schadensersatzansprüche zukommen.
Ebenfalls umstritten ist, ob den Mietern ein dauerhafter Anspruch auf Senkung der Miete zusteht. Fünf Prozent Mietsenkung plus eine einmalige Kompensation von 500 Euro pro Wohnung bietet der Vermieter derzeit. „Viel zu wenig“, meinen die Mieter und ihr Anwalt. Schließlich seien die Zimmer nun wesentlich dunkler.
Birgit Leiß
23.11.2016