Den Einkauf bis in die 10. Etage schleppen, weil der Aufzug nicht funktioniert? Das ist wohl für alle beschwerlich – aber für manche ganz unmöglich. Da reicht es nicht, wenn der Vermieter einfach Stühle auf den Treppenabsatz stellt. Wer von solcher Unbill betroffen ist, kann seine Miete mindern und unter Umständen Hilfe verlangen. Er muss seine Forderungen aber rechtzeitig anmelden.
„… wir freuen uns, sie vorab über die vom Eigentümer beauftragte Modernisierung der Aufzüge informieren zu dürfen. … Geplant ist eine Bauzeit von circa 3 bis 4 Wochen je Aufzug. In dieser Zeit kann die Anlage nicht genutzt werden. Jedoch werden in den Treppenaufgängen Stühle aufgestellt, so dass die Möglichkeit besteht, sich zwischendurch auszuruhen …“ Karsten B. muss sich tatsächlich erst einmal hinsetzen, als er diese Ankündigung seiner Hausverwaltung Vista Venture AG gelesen hat. Der Mieter in der Kurfürstenstraße 80-83 ist gehbehindert. Soll er über so lange Zeit täglich die Treppen steigen? Immerhin wohnt er in der 10. Etage.
Karsten B. hat sich mit der Modernisierungsankündigung an den Berliner Mieterverein gewendet: Für die Dauer der Stilllegung des Aufzugs sei er erst einmal berechtigt, eine Mietminderung vorzunehmen, erklärte Aliki Bürger, Beraterin beim Berliner Mieterverein (BMV), und weist in ihrem Antwortschreiben den Mieter darauf hin, dass er seine Mietminderungsabsicht der Vermieterseite vor der Stilllegung des Aufzuges schriftlich mitteilen müsse. Der konkrete Mietminderungsbetrag könne dann nach einer Wiederinbetriebnahme des Aufzuges berechnet und schließlich mit der laufenden Mietzahlung verrechnet werden.
Aber was, wenn das tägliche Leben ohne den Fahrstuhl eigentlich gar nicht mehr weitergeführt werden kann oder wenn es gar lebensbedrohlich wird? 2015 waren Charlottenburger Senioren fast zwei Wochen in ihren Wohnungen eingesperrt, weil in den Aufzügen vorgeschriebene Notfalltelefone eingebaut wurden und die Aufzüge so lange ausfielen. Rollstuhlfahrer wie der Reinickendorfer Mike R. stehen immer wieder vor nicht funktionierenden Aufzügen und damit vor unüberwindbaren Treppen. Und in Berlin-Gropiusstadt brach vor wenigen Monaten ein 63-jähriger herzkranker Mieter tot zusammen, nachdem er seine Einkäufe bis in die 9. Etage hatte schleppen müssen.
Der Vermieter soll eine Lösung anbieten
Wer aufgrund seiner gesundheitlichen Verfassung während eines Fahrstuhlausfalls die Wohnung überhaupt nicht mehr verlassen könne, so Mietrechtsexpertin Aliki Bürger, dem stehe unter Umständen eine Ersatzunterkunft zu, deren zusätzliche Kosten vom Vermieter erstattet werden müssten. Es können aber auch Aufwendungserstattungsansprüche geltend gemacht werden: Hilfen, um das Treppenhaus zu überwinden, die Inanspruchnahme von Bekannten und Nachbarn, Einkaufs- und Bringedienste und auch besondere Dienstleistungen, die während der Fahrstuhlreparatur in der Wohnung stattfinden müssen.
Wer das Haus täglich verlassen muss, etwa um zur Arbeit zu gehen, dringende Arztbesuche zu machen oder wer regelmäßig medizinische Behandlungen braucht, der kann seinen Vermieter auffordern, eine Lösung für das Problem zu finden und anzubieten.
Aliki Bürger vom Berliner Mieterverein: „Dabei ist es wichtig, dass die betroffenen Mieter ihre Bedürfnisse rechtzeitig und klar dem Vermieter gegenüber artikulieren.“
Rosemarie Mieder
Mietminderung in welcher Höhe?
Wie hoch eine Mietminderung bei Ausfall eines Aufzugs ist, hängt davon ab, in welchem Stockwerk eine Wohnung liegt. So entschied das Amtsgericht Mitte, dass bei einer Lage im 10. Obergeschoss und darüber die Gesamtmiete um 20 Prozent und bei einer Lage in der 6. Etage noch um 15 Prozent gemindert werden dürfte, weil der Fahrstuhlausfall eine erhebliche Gebrauchsbeeinträchtigung darstelle (Amtsgericht Mitte vom 19. April 2007 – 10 C 24/07)
rm
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