Die Mieter der Seelingstraße 29 wollen, dass ihr Haus das erste in Charlottenburg-Wilmersdorf ist, für das der Bezirk sein Vorkaufsrecht ausübt. Die engagierte Hausgemeinschaft kämpft nicht nur für sich selbst, sondern auch für den Erhalt der sozialen Vielfalt im Kiez.
Am Haus hängen Protestplakate, und Mitte Februar organisierten die Mieter mit Unterstützung des Berliner Mietervereins eine Kundgebung. In Charlottenburg-Wilmersdorf ist das ein eher ungewohntes Bild. Viele Jahre hat das Bezirksamt das Instrument der sozialen Erhaltungsgebiete stiefmütterlich behandelt, anders als in Neukölln oder Friedrichshain-Kreuzberg. Noch nie wurde in Charlottenburg-Wilmersdorf das Vorkaufsrecht ausgeübt, gerade einmal zwei Abwendungsvereinbarungen wurden ausgehandelt. Das müsse sich ändern, findet die Hausgemeinschaft Seelingstraße 29. „In unserem Haus wohnen Familien, Studierende und Transferleistungsbezieher, wir könnten uns hier keine andere Wohnung leisten“, erklärt Mieterin Viola Dollinger-Rauch.
Der Altbau wurde Ende Dezember an einen Luxemburger Investor verkauft. „Uns war von Anfang an klar, dass wir auf uns aufmerksam machen müssen, sonst passiert gar nichts“, sagt Dollinger-Rauch. Über den Bezirksverordneten der Linken, Niklas Schenker, brachten sie einen Dringlichkeitsantrag für die Ausübung des Vorkaufrechts in der Bezirksverordnetenversammlung ein. Baustadtrat Oliver Schruoffeneger habe dann aber lediglich bei einer Genossenschaft sowie zwei städtischen Wohnungsbaugesellschaften angefragt, ob sie das Haus übernehmen würden, kritisiert die Hausgemeinschaft. Beide hätten angesichts des hohen Kaufpreises und des Instandhaltungsrückstaus abgewunken. Die Seelingstraße 29 ist nämlich seit über zehn Jahren ein klassisches Spekulationsobjekt. Der Alt-Eigentümer, die Marylebone GmbH, hat in der ganzen Zeit nichts ins Haus investiert. Nach Angaben des Baustadtrats läuft die Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts am 7. März ab.
„Von unserem Haus muss eine Signalwirkung ausgehen“, fordert Viola Dollinger-Rauch: „Wenn die Instrumente gegen Verdrängung nicht genutzt werden, sind die Milieuschutzgebiete lediglich rote Linien auf der Karte.“
Kurz nach Redaktionsschluss wurde bekannt, dass der Bezirk sein Vorkaufsrecht zugunsten der Degewo ausüben will – sofern der Käufer nicht doch noch die Abwendungsvereinbarung unterzeichnet. Der Finanzsenator hat den nötigen Zuschuss bereits zugesagt.
Birgit Leiß
27.02.2021