Bezahlbarer Wohnraum in Genossenschaften ist begehrt, aber knapp. Sowohl im Neubau als auch beim Erwerb von Immobilien durch Genossenschaften verhindern hohe Preise, dass günstiger Wohnraum entsteht. Die Genossenschaftsförderung kann dem nur unzureichend entgegenwirken. So erreicht beispielsweise die Vergabe von Darlehen zum Erwerb von Genossenschaftsanteilen viele von denen nicht, die man als Empfänger im Auge hatte.
2018 legte der Senat ein Förderprogramm für Genossenschaften auf (das MieterMagazin berichtete in Ausgabe 6/2019: „WBS-Haushalte: Berlin vergibt Darlehen für genossenschaftliches Wohnen“). Neben zinslosen Darlehen der Investitionsbank Berlin (IBB) für die Errichtung oder den Erwerb von Wohnungen mit Mietpreis- und Belegungsbindung wird auch der Erwerb von Genossenschaftsanteilen gefördert. Wer einen Wohnberechtigungsscheinen (WBS) hat, kann ein zinsloses Darlehen von bis zu 50.000 Euro beantragen. Am Ende der Laufzeit wird auf die Rückzahlung von 25 Prozent des Darlehens verzichtet, sofern noch ein WBS vorliegt. Gerade denjenigen, die am dringendsten auf günstigen Wohnraum angewiesen sind, nützt das jedoch nichts.
Bea Fünfrocken vom Verein Xenion, der politisch Verfolgte unterstützt, war Teilnehmerin des Runden Tisches „Alternativen zur öffentlichen Unterbringung Geflüchteter“ am 1. September 2020. Dieser war vom Senat zur „Entwicklung konkreter und struktureller Maßnahmen für einen raschen Übergang in den regulären Wohnungsmarkt“ einberufen worden. Fünfrocken forderte eine Beteiligung von Geflüchteten an den Konzeptverfahren für Wohnungen und gemeinschaftliche Wohnprojekte bei Genossenschaften. Und: „Problematisch ist auch die nicht funktionierende Einlagenförderung.“ Für das IBB-Darlehen ist nämlich ein sicherer Aufenthaltstitel nötig – und den können viele Geflüchtete nicht vorweisen.
Im November schlug Fünfrocken den zuständigen Senatsverwaltungen vor, einen revolvierenden Fonds bei der IBB aufzulegen, aus dem pro Wohnung die 12.500 Euro, auf deren Rückzahlung bei einem Darlehen verzichtet würde, direkt den Genossenschaften als Einlage zur Verfügung zu stellen seien. Eine substanzielle Antwort bekam sie bis heute nicht.
Das MieterMagazin fragte nach und erfuhr: Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung möchte in Kürze mit einer „moderaten Überarbeitung des Förderprogramms beginnen“, jedoch würden „die bisherigen Anforderungen fortgelten“. Man würde sich mit dem Vorschlag von Bea Fünfrocken und dem Verein Xenion beschäftigen.
Der Ausschluss von der Förderung trifft nicht nur Geflüchtete. Werner Landwehr vom Vorstand der Genossenschaft Diese eG kritisiert: „Laut Programm-Richtlinien müssen Geförderte die engen WBS-Grenzen beim Einkommen einhalten und sollen gleichzeitig nachweisen, dass ihre Bonität und ihr Einkommen für die Kreditrückzahlung ausreicht. Das gelingt nur einer sehr kleinen Gruppe und grenzt den Großteil der Menschen, die diese Förderung dringend benötigen, definitiv aus.“
Sieben Darlehen wurden 2020 genehmigt
Diejenigen, die nur sehr wenig Geld zur Verfügung haben und gerade deshalb besonders dringend eine günstige Wohnung brauchen, sind kaum in der Lage, ein Darlehen zurückzuzahlen. Und: „Kreditvergaben an die Empfänger und Empfängerinnen von Transferleistungen sind generell nicht zulässig“, erläutert Landwehr.
Nach Auskunft der IBB wurden 2020 nur sieben Anträge auf Förderung von Genossenschaftsanteilen mit einem Gesamtvolumen von 242.900 Euro genehmigt. 14 Anträge wurden abgelehnt. Einen wirksamen Beitrag zum zum genossenschaftlichen Wohnen für Menschen mit Benachteiligungen am Wohnungsmarkt leistet diese Förderung nicht.
Elisabeth Voß
„Zugang unabhängig vom Einkommen ermöglichen“
„Eine leistbare Wohnungsversorgung sollte auch in Genossenschaftswohnungen vor allem über günstige Nutzungsentgelte gewährleistet werden und möglichst allen, auch unabhängig vom Einkommen, den Zugang ermöglichen.
Günstige Erbbaurechte und sinnvolle Förderprogramme wären dabei allemal zielführender als die Auslagerung von Kosten in immer höhere Genossenschaftsanteile. Die Vergabe von Förderdarlehen für den Genossenschaftseintritt führt in der Konsequenz dazu, dass ausgerechnet die Haushalte mit geringen Einkommen langfristig die höheren Wohnkosten zu tragen haben. Neben dem Nutzungsentgelt müssen sie ja auch das Förderdarlehen zurückzahlen.“
27.02.2021