Der technische Fortschritt sorgt bei der alljährlichen Heizkostenablesung für eine kleine Revolution. Die altbekannten Verdunstungsröhrchen werden immer häufiger durch elektronische Verteiler ersetzt, die über Funk oder Breitbandkabel abgelesen werden. Für die Mieter entfällt damit der lästige Ablesetermin – aber auch die Möglichkeit, die Werte schwarz auf weiß zu sehen und mit ihrer Unterschrift zu bestätigen. Viele sind daher verunsichert und fragen sich: Wie kann ich kontrollieren, ob der Verbrauch korrekt abgelesen wurde?
Noch ist die Fernabfrage die Ausnahme. Beim Messdienstunternehmen „Ista“ werden derzeit 1,2 Prozent aller Heizkostenverteiler in Berlin per Funk abgelesen. Beim Konkurrenten „Techem“ sind es dagegen schon knapp 12 Prozent. Aber auch in den Fällen, wo noch ein Mitarbeiter in die Wohnung kommt, händigt er dem Mieter immer häufiger keine Ablesequittung mehr aus, sondern tippt die Zahlen lediglich in einen Handcomputer ein, oder aber es werden die Daten elektronisch „ausgelesen“. Die Vorteile für die Abrechnungsfirmen liegen auf der Hand: eine deutliche Zeit- und Kostenersparnis und weniger Fehler („Zahlendreher“) durch die automatische Übertragung auf den Computer: „Das Papier ist nichts weiter als ein fehleranfälliger Zwischenschritt vom Erfassungsgerät zur Abrechnung„, erklärt Stefan Lutz, Leiter der Public-Relations-Abteilung von Techem. Sind die Geräte auch noch mit Funk ausgestattet, sind zudem keine Terminabsprachen mit den Mietern mehr erforderlich.
Dem Ableser über die Schulter schauen
Trotzdem ist die beleglose Ablesung umstritten. Viele Mieter befürchten einen Verlust ihrer Kontrollmöglichkeiten, denn wie soll man die Heizkostenabrechnung überprüfen, wenn man die zu Grunde gelegten Werte nicht in der Hand hat? Die Vermieter rechnen daher mit einer steigenden Zahl von Einsprüchen und kritisieren die Praxis der Messdienstunternehmen. Allerdings gibt es unterschiedliche Standpunkte. Beim Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) hält man die Abschaffung der Belege für unproblematisch: „Die Verbrauchswerte sind ja in den Erfassungsgeräten gespeichert und damit für den Mieter auch weiterhin nachvollziehbar“, meint Sprecherin Michaela Tahl. Auch beim Berliner Mieterverein (BMV) ist man der Auffassung, dass dem Mieter durch das fehlende Ableseprotokoll keine Nachteile entstehen: „Vielen Mietern ist gar nicht klar, dass ihre Unterschrift lediglich der Beweiserleichterung des Vermieters dient, denn haben sie erst einmal unterschrieben, können sie sich nachher nicht mehr auf Ablesefehler berufen“, erklärt Frank Maciejewski. Für den Rechtsexperten des BMV ist es daher zwar verständlich, dass viele Mieter auf den gewohnten Beleg nicht verzichten wollen. „Entscheidend ist aber, dass der Mieter zum Zeitpunkt der Ablesung eigenhändig kontrolliert, ob die Werte stimmen.“ Bei Techem spricht man statt von belegloser lieber von papierloser Ablesung: „Bei elektronischen Geräten wird der Wert gespeichert und ist im Sichtfenster ein Jahr lang abzulesen, bei Verdunstern wird das Röhrchen vom Vorjahr verschlossen und bleibt zur Kontrolle ein weiteres Jahr am Heizkörper“, erklärt Stefan Lutz. Quittungen seien daher lediglich Hilfsmittel. „Wir empfehlen den Nutzern, den Ableser zu begleiten und sich die Werte zeigen zu lassen, die er in den Computer eingibt“, meint auch Jens Bäcke vom Messdienstunternehmen Ista.
Ob mit oder ohne Protokoll – der Mieter kommt also nicht umhin, die Verteiler selber abzulesen. Dazu muss man aber wissen, wie das funktioniert. Das ist nicht immer kinderleicht, zumal eine Vielzahl von Modellen auf dem Markt ist. Es lassen sich hauptsächlich zwei Arten von Heizkostenverteilern unterscheiden: Bei den Verdunstungsgeräten wird die Temperatur des Heizkörpers auf ein Glasröhrchen, das mit einer Messflüssigkeit gefüllt ist, übertragen. Diese Flüssigkeit verdunstet entsprechend der Temperatur und der Benutzungszeit. Die verdunstete Flüssigkeitsmenge wird einmal jährlich auf einer Skala abgelesen. Eine genaue Ablesung ist nur unter Herausnahme der Ampulle möglich. Man muss dem Ableser also buchstäblich über die Schulter schauen. Wichtig ist, immer in Augenhöhe abzulesen. Bei neuen Geräten wird das abgelesene und verschlossene Röhrchen für ein Jahr neben das neue Röhrchen geklemmt. Bei Geräten älterer Bauart ist das jedoch nicht der Fall. Heizkostenverteiler nach dem Verdunstungsprinzip sind in Berlin noch weit verbreitet und gelten als preiswert. Übrigens messen Verdunster im Gegensatz etwa zu Stromzählern keine physikalischen Größen, sondern zeigen lediglich Vergleichswerte an. Das heißt, es wird der Benutzungsgrad jedes einzelnen Heizkörpers im Vergleich zur Gesamtanlage registriert.
„Dreifühler“ sind am genauesten
Das gilt auch für die elektronischen Heizkostenverteiler. Hier ist das Glasröhrchen durch ein batteriebetriebenes Rechenwerk ersetzt. Die Geräte arbeiten unterschiedlich: Einige messen nur die Oberflächentemperatur des Heizkörpers (Einfühlergeräte), andere nehmen zusätzlich den Wert der Raumluft auf und errechnen daraus die Verbrauchsanteile (Zweifühlermessgeräte). Am genauesten sind die Dreifühler, die neben der Vor- und Rücklauftemperatur des Heizkörpers auch noch die Raumlufttemperatur erfassen. Die ermittelten Werte können einfach vom Display abgelesen werden und bleiben bis zu einem festgelegten Stichtag gespeichert. Bei manchen Modellen muss man ein bestimmtes Knöpfchen drücken, um die Zahlen abzurufen. Bei anderen erscheinen der aktuelle Verbrauchswert und der Vorjahreswert im Wechsel auf dem Display. Außerdem wird in der Regel der nächste Ablesestichtag – meist ist es der 31. Dezember – angezeigt.
Bei elektronischen Heizkostenverteilern mit Funksystem setzt sich mit Erreichen des Stichtags die Anzeige auf Null zurück und der Verbrauchswert wird als Vorjahreswert im Gerät gespeichert. Ein großer Vorteil der funkfähigen Geräte ist, dass im Falle eines Mieterwechsels unkompliziert ein Zwischenstand abgerufen werden kann.
Was ist nun in den Fällen, wo die abgelesenen Einheiten nicht im Gerät gespeichert werden? „Auch das ist kein Nachteil für den Mieter, die Beweislast liegt dann beim Vermieter“, erklärt der Rechtsexperte des Berliner Mieterverein. Wer zu anderen Werten kommt als der Ableser, sollte das dem Vermieter schriftlich mitteilen.
Wärmestaus vermeiden
Immer wieder sind Mieter irritiert, weil der Verteiler auch im Sommer oder an Heizkörpern, die immer abgedreht sind, einen Verbrauch anzeigt. Diese so genannte Kaltverdunstung gehört zu den normalen Systemeigenschaften und ist nicht zu vermeiden. Zum Ausgleich werden beim Verdunstungsprinzip die Röhrchen von den Herstellern „überfüllt“. Eine entsprechende Norm schreibt diese Kaltverdunstungsvorgabe zwingend vor. Aber auch bei elektronischen Verteilern ist ein Weiterlaufen des Zählers trotz abgedrehter Heizung normal, denn die Geräte registrieren nun mal auch Wärme aus anderen Quellen. Mieter sollten daher die direkte Sonneneinstrahlung auf den Verteiler vermeiden. Auch Heizkörperverkleidungen oder überlange Gardinen können durch Wärmestau die Ergebnisse verfälschen.
Der Vermieter kann übrigens die Erfassungsgeräte auch mieten (leasen), statt sie zu kaufen, wenn nicht über 50 Prozent der Mieter seiner schriftlichen Ankündigung widersprechen. Für den Mieter wird das fast immer teurer.
Über kurz oder lang werden Heizkostenverteiler nach dem Verdunstungsprinzip vom Markt verschwinden. Für Energie sparende Niedrigtemperaturheizungen sind sie gar nicht zugelassen. Die Messdienstbranche forciert ohnehin das prestigeträchtige Funksystem. Der Grund: Trotz erheblicher Kostenreduzierung durch den Wegfall der Vor-Ort-Ablesung wird den Eigentümern meist sogar mehr in Rechnung gestellt – die Gewinnspannen für die Firmen erhöhen sich also. Lediglich der Ablesedienst Kalorimeta stemmt sich als einer der Großen in der Branche gegen den Trend. Hier hält man das vom Mieter unterschriebene Ableseprotokoll für ein wichtiges Beweismittel und macht mit diesem Service sogar ganz gezielt Werbung.
Birgit Leiß
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MieterMagazin 5/05
Heizkostenverteiler: klassischer Verdunstungszähler (oben), moderne elektronische Variante (unten)
Fotos: techem
Interview
Der Vermieter muss wirtschaftlich arbeiten
MieterMagazin: Kann man bei einer Vor-Ort-Ablesung darauf bestehen, einen Beleg zu erhalten?
Maciejewski: Nein. Wir raten dem Mieter, sich die Werte vor dem Termin selbst zu notieren, wobei man die Nummer des Messgerätes festhalten muss und die Angabe, in welchem Raum es sich befindet. Wer nicht weiß, wie sich die Daten abrufen lassen, sollte beim Vermieter oder bei seinem Abrechnungsunternehmen eine Gebrauchsanweisung anfordern.
MieterMagazin: Darf der Vermieter ohne Zustimmung des Mieters auf Fernablesung umstellen?
Maciejewski: Ja, ebenso wie er den Wärmemessdienst oder die Art des Heizkostenverteilers frei wählen darf. Allerdings muss der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit beachtet werden. Völlig überteuerte Systeme muss der Mieter nicht dulden. Auch die Kosten für die Anschaffung neuer Erfassungsgeräte dürfen auf den Mieter nicht umgelegt werden.
Interview: bl
BMV-Info 74: Die verbrauchsabhängige Heizkostenabrechnung
Frank Maciejewski ist Jurist beim Berliner Mieterverein
Foto: Kerstin Zillmer
11.12.2018