Wenn Babys und Kleinkinder mobil werden und auf Entdeckungstour durch die Wohnung gehen, lauern plötzlich überall potenzielle Gefahren. Doch wer sie kennt, kann sie mit geeigneten Mitteln beseitigen oder entschärfen – damit das Kind die Welt ungefährdet entdecken kann.
Unfälle zählen zu den größten Gesundheitsgefahren, denen Kinder in Deutschland heute ausgesetzt sind. Wer kleine Kinder hat, weiß um die Gefahren durch Straßenverkehr, Spielplätze und Hunde. Wenigen ist aber bewusst, dass die meisten Unfälle im Haushalt passieren. Die regelmäßig vom Robert-Koch-Institut durchgeführte „Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland“ (KiGGS) kam zu dem Ergebnis, dass mit 43,8 Prozent die meisten Unfälle zu Hause oder im häuslichen Umfeld passieren. Zum Vergleich: In der Schule oder anderen Betreuungseinrichtungen sind es 24,2 Prozent, auf dem Spielplatz oder in Sporteinrichtungen 17,4 Prozent.
Die Sicherheit muss daher von Anfang an berücksichtigt werden. Zu den häufigsten Unfällen gehören Stürze vom Wickeltisch: „Immer eine Hand am Kind“, lautet hier die Empfehlung. Experten warnen eindringlich davor, das Baby alleine auf der Wickelunterlage liegen zu lassen – auch dann, wenn es sich noch nie alleine gedreht hat. Gleiches gilt für Bett und Couch. Säuglinge unter einem Jahr sollten im Bett weder Kuscheltiere noch Kissen oder Decken haben – es droht Erstickungsgefahr. Weitaus sicherer sind Schlafsäcke. Auch sollte eine nicht zu weiche Matratze gewählt werden.
Spätestens, wenn Kinder anfangen, sich an Gegenständen hochzuziehen oder die ersten Krabbelversuche unternehmen, wird es Zeit, die Wohnung kindersicher zu machen. Experten empfehlen, die Räume durch Kinderaugen zu betrachten. Und das ist ganz wörtlich gemeint: Am besten begibt man sich auf die Höhe des kleinen Mitbewohners und inspiziert alle Wohnräume aus „Krabbelperspektive“. Welche Gefahren lauern wo?
Spannend und verletzungsträchtig: die Küche
In der Küche verlocken Schubladen mit scharfen Messern und anderem Küchengerät: Hier bieten spezielle Schrank- und Schubladensicherungen Einhalt und helfen zudem, eingeklemmte Finger zu vermeiden.
Herd und Backofen sind ebenfalls hochspannend für kleine Entdecker – und gleichzeitig sehr gefährlich. Der Backofen lässt sich durch eine Türsicherung entschärfen. Ein vor den Herdknöpfen angebrachter Herdschutz verhindert, dass Kinder diese in einem unbeobachteten Moment umschalten. Eltern sollten sich außerdem angewöhnen, auf den hinteren beiden Kochfeldern zu kochen und Topf- und Pfannengriffe so nach hinten wegzudrehen, dass Kinder sie nicht von unten erreichen und herunterziehen können. Herunterhängende Kabel von Toaster, Wasserkocher und ähnlichem dürfen nicht sein. Heiße Getränke wie der morgendliche Kaffee oder Tee können zu schlimmen Verbrühungen führen und gehören – für Kinderhände unzugänglich – in die Mitte des Esstischs. Tischdecken gehören zu den Gegenständen, die sich während der Kleinkindjahre nicht empfehlen, denn ein Kind, das sich am Tisch hochzieht, reißt die Tischdecke gerne mit herunter. Glastische können beim wilden Spiel brechen und sind daher ebenfalls nicht empfehlenswert. Der Kinderhochstuhl sollte kippsicher sein und das Kind nicht darin herumklettern können.
Im Bad gehören Medikamente und Putzmittel kindersicher verwahrt – am besten in entsprechend unzugänglicher Höhe. Experten warnen davor, Putzmittel in Lebensmittelbehälter wie etwa leere Plastikflaschen umzufüllen, da Kinder sie mit Ess- und Trinkbarem verwechseln könnten. Auch Verbrühungen mit heißem Wasser bis hin zum Ertrinken im Badezimmer sind nicht zu unterschätzende Gefahren. Waschbecken, Dusche und Wanne sollten wie auch die Toilette für das unbeaufsichtigte Kind tabu sein. Das gilt auch für andere zugängliche Wassergefäße wie etwa Vogeltränken. Eine Rutschmatte auf dem Badezimmerboden verhindert das Ausrutschen auf nassen Böden.
Da sich leider auch unter beliebten Zimmer- und Balkonpflanzen einige hochgiftige Arten befinden, etwa der Oleander oder der Weihnachtsstern, empfiehlt sich eine Überprüfung der heimischen Gewächse auf ihr Gefahrenpotenzial.
Steckdosen werden mithilfe von speziellen Sicherungen unzugänglich für Kinderfinger. Fenster und Balkontüren können ebenfalls mit Sicherungen kindersicher gemacht werden, um Stürze nach draußen zu vermeiden. Wer Treppen in der Wohnung hat, sollte diese mit Treppengittern sichern. Es empfiehlt sich außerdem, freistehende Regale und Schränke an der Wand zu fixieren. Scharfe Möbelkanten entschärfen Eltern am besten mithilfe von Kantenschonern aus Plastik oder Gummi. Türschlüssel sollten – wo sie nicht notwendig sind – aus den Türen entfernt werden, damit sich Kleinkinder nicht einschließen können. „Schere, Messer, Feuer, Licht sind für kleine Kinder nicht“ – Gleiches gilt aber unbedingt auch für Kabel, Schnüre und Ketten. Verschluckbare Kleinteile sollten aus der Reichweite des Kindes entfernt werden, denn Kleinkinder stecken sich mit Vorliebe allerhand in den Mund. Besondere Erstickungsgefahr geht von Plastiktüten, aber auch kleineren Plastikteilchen wie den Verschlüssen von Papiertaschentuch-Packungen aus.
Schutz vor gefährlichen Stürzen
Grundsätzlich gilt: Der Vermieter hat eine sogenannte Verkehrssicherungspflicht für sein Eigentum. Gibt es etwa im Hof einen Gartenteich, muss dieser kindersicher eingezäunt sein. Bei einem privaten Hof-Spielplatz muss die Sicherheit der Spielgeräte jederzeit garantiert sein. Die Verkehrssicherungspflicht beinhaltet jedoch nicht die Kindersicherheit der Wohnung – hier sind die Erziehungsberechtigten in der Pflicht.
So entschied etwa 2006 der Bundesgerichtshof (VI ZR 189/05), dass ein Vermieter Zimmertüren mit Glasausschnitt, die baurechtlichen Vorschriften entsprechen, für eine Familie mit Kleinkindern nicht durch Sicherheitsglas ersetzen muss. Nehmen Mieter selbst größere Umbauten etwa an Fenstern, Türen oder Balkonen vor, gilt es zu beachten, dass bei Auszug eine Rückbaupflicht besteht, wenn keine anderslautenden Vereinbarungen mit dem Vermieter getroffen wurden.
Katharina Buri
Schadstofffreies Kinderzimmer
Für Babys und kleine Kinder ist eine möglichst schadstofffreie Raumluft besonders wichtig, um Atemwegserkrankungen vorzubeugen. Möbel, Bodenbeläge, Wandfarbe, Textilien und Reinigungsmittel können die Luft mit Ausdünstungen belasten. Daher am besten mehrmals täglich stoßlüften, nicht in den Wohnräumen rauchen und schon bei der Anschaffung auf schadstoffarme Produkte setzen. Diverse Siegel helfen bei der Auswahl. kb
Erste Hilfe bei Vergiftungen
Vergiftungen zählen im Kleinkindalter zu den häufigsten Unfällen, die Kinder im Haushalt erleiden. Der Giftnotruf der Charité hilft unter Telefon 030-19240 Tag und Nacht bei Giftnotfällen. Die Experten raten, Kinder, die eine kritische Substanz zu sich genommen haben, nicht zum Erbrechen zu bringen. Statt Milch – wie häufig fälschlicherweise genannt – sollte stilles Wasser oder Tee verabreicht werden. Außerdem sollte eine Stoffprobe dessen, was das Kind verschluckt oder eingenommen hat, mit zum Kinderarzt oder in die Klinik genommen werden. kb
Weitere Tipps unter https://giftnotruf.charite.de
Zum Weiterlesen:
Unter www.kindersicherheit.de gibt die Bundesarbeitsgemeinschaft „Mehr Sicherheit für Kinder e.V.“ zahlreiche Tipps für mehr Sicherheit zu Hause und unterwegs, etwa „10 Tipps für einen sicheren Advent“.
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29.04.2021