Vor allem kleine Kinder nehmen gern die ganze Wohnung in Beschlag. Doch Rückzugsnischen sind für alle wichtig. Wie sieht die passende Wohnung für die Familie aus?
Quer durchs Wohnzimmer verläuft die Eisenbahn und die Kuscheltiere bevölkern alle Räume. „Je kleiner Kinder sind, desto mehr suchen sie die Nähe ihrer Eltern“, sagt die Berliner Architektin Gunhild Reuter. Deshalb spielen Kleinkindern am liebsten dort, wo sich Mama oder Papa gerade aufhalten. Damit die Erwachsenen nicht über Spielzeugautos und Bauklötze stolpern, sind zum Beispiel abgeteilte Spielecken sinnvoll. „Für kleine Kinder empfiehlt sich ein Bereich in der Küche – jedoch mit gutem Sicherheitsabstand zum Herd -, wo man sie stets im Auge hat“, so Judith Wilson, Autorin des Buches „Family Living“. Sie empfiehlt zudem, um diesen Spielbereich klar abzugrenzen, einen andersfarbigen Boden, eine Sportmatte oder auch ein frei stehendes Schrankelement. Natürlich muss der Raum genügend Platz bieten für eine solche Ecke. Schon deshalb ist eine große Wohnküche für Familien und insbesondere für Alleinerziehende ideal. Sie fungiert dann als Gemeinschaftsraum und kann ein Wohnzimmer überflüssig machen.
Sinnvoll ist auch, dass Kinderzimmer möglichst nah an der Wohnküche oder einem anderen gemeinschaftlich genutzten Raum liegen, so dass die Kleinen Blickkontakt zu ihren Bezugspersonen haben können. „Ältere Kinder benötigen dagegen viel mehr Privatsphäre und brauchen Rückzugsnischen“, sagt Reuter. Ganz wichtig sei es auch für die Eltern, einen eigenen Rückzugsbereich ohne Spielzeugchaos zu haben. Die klassische Familie habe es leichter, eine diesen Erfordernissen entsprechende Wohnung zu finden. „Alleinerziehende mit einem Kind finden dagegen allzu oft nur Wohnungen mit einem Durchgangszimmer und damit ohne wirkliche Rückzugsmöglichkeiten – weder für Erwachsene noch für das Kind.“
Kinder bis sechs Jahre brauchen wenige Möbel, aber dafür viel Spielfläche auf dem Fußboden. Schulpflichtige Kinder benötigen wiederum neben dem Bett einen Schreibtisch und vielleicht noch eine Sitzecke.
„Teenagern ist Privatsphäre oft wichtiger als eine große Wohnfläche“, so Wilson. „Kleine Kinder – große Zimmer. Große Kinder – kleine Zimmer“ laute die Devise. Kinder- beziehungsweise Jugendzimmer sollten allerdings mindestens zehn bis zwölf Quadratmeter groß sein. Ideal sind nutzungsneutrale Räume, sprich: eine große Wohnküche und ansonsten ähnlich große, geschlossene Räume. Dann können die Zimmer auch leichter getauscht werden. Wichtig kann das auch dann werden, wenn die Großeltern mit einziehen, weil sie nicht mehr alleine wohnen können und gepflegt werden müssen. Dann allerdings sollte die Wohnung und der Zugang zu ihr barrierefrei sein oder beides entsprechend umgebaut werden können.
Es gibt noch andere Dinge, die Familien beachten sollten, wenn sie sich eine Wohnung suchen: Gehören kleine Kinder zur Familie, muss es einen sicheren Platz für den Kinderwagen geben und alle Hausbewohner sollten problemlos an ihm vorbeikommen. Bestenfalls gibt es dafür einen Raum im Erdgeschoss, denn immer mal wieder werden Kinderwagen im Hausflur angezündet. Die Eingänge müssen breit genug sein für den Wagen. Zum Hauseingang sollten möglichst keine Stufen führen. Ideal ist eine Rampe. Klingel und Türklinke müssen auch für Kinder erreichbar sein. „Für Eltern und Kinder ist es gut, wenn noch andere Familien mit im Haus wohnen“, weiß Reuter. „Dann haben die Kinder gleich Spielkameraden in der Nähe.“ Sinnvoll ist es auch, wenn in den übereinander liegenden Wohnungen überall Familien mit Kindern wohnen, weil die sich am Kinderlärm weniger stören.
Kinderlärm muss nicht zum Streitfall werden
Denn das kann in Mietshäusern zum Streitfall werden. Vor allem harte Böden aus Holz oder Laminat sind problematisch, nicht nur, wenn die Kleinen mit dem Bobbycar durch die Wohnung rasen. „Nachträglich eine Trittschalldämmung einzubauen ist in der Regel viel zu aufwendig.“ Auch ein Teppich löst das Problem nicht völlig. „Allerdings kann man ihn auf einer weichen Korkunterlage oder Gummigranulatplatte verlegen, das dämmt zusätzlich.“
Wer weiter oben wohnt, wird sicher dankbar sein, per Aufzug Kind und Einkäufe in die Wohnung befördern zu können. „Es sollte Freiflächen im Haus selbst und im Hof geben“, so Reuter. Allerdings ist in vielen Häusern Streit vorprogrammiert, wenn Kinder im Hof lauthals toben. „Beispielhaft sind deshalb Wohngruppenprojekte, die auf das Zusammenleben von Alt und Jung ausgerichtet sind.“ Ein Vorzeigeprojekt ist in dieser Hinsicht ein Mehrfamilienhaus aus den 50er Jahren am Kreuzberger Bethaniendamm: Die vormals 18 Ein- und Zweizimmerwohnungen wurden zusammengelegt zu acht Familienwohnungen mit bis zu sechs fast gleich großen Zimmern.
In Neubauwohnanlagen gibt es zum Teil Spielgelegenheiten, die die Eltern von der Wohnung aus im Blick haben können. „Eltern mit kleineren Kindern bis sieben, acht Jahren kommt das entgegen, weil sie nicht neben ihren spielenden Junioren sitzen müssen.“ Auch Häuser mit Laubengang sind praktisch für Kinder, da sie dort im Freien herumtoben können, ohne den Gefahren des Straßenverkehrs ausgesetzt zu sein.
Kristina Simons
Den Gefahren keine Chance: Die kindersichere Wohnung
Für Kinder zugängliche Möbel sollten gerundete Kanten haben und standfest sein. Auch Strapazierfähigkeit ist ein Sicherheitskriterium. Denn was aus den Fugen geht, erhöht die Verletzungsgefahr. Solide Beschläge und nachziehbare Schraubverbindungen sind deshalb ebenfalls von Vorteil. Glastische sind in Sachen Sicherheit generell bedenklich. Spitze Ecken und Kanten können durch entsprechenden Schutz entschärft werden, der entweder aufgeklebt oder -gesteckt wird.
Sturzgefahr droht an Fenstern, Balkonen und Treppen: Sperren erlauben, dass ein Fenster nur spaltbreit geöffnet werden kann. Treppen können durch Gitter unzugänglich gemacht werden. Kinder dürfen keine Möglichkeit finden, auf die Balkonbrüstung zu klettern – etwa über Stühle, einen Tisch oder ähnliches. Auf glatten Böden können Kinder ausrutschen. „ABS“-Socken mit Gumminoppen an der Sohle geben beim Laufen mehr Sicherheit.
Elektrizität ist ebenfalls eine große Gefahrenquelle. Deshalb sollten überall Steckdosensicherungen angebracht werden, dabei Verlängerungskabel mit Mehrfachsteckdosen nicht vergessen. Elektrogeräte sollten immer außer Reichweite eines Kindes sein. Auch die Kabel von elektrischen Geräten dürfen nicht herunterhängen und dem Kinderzugriff zugänglich sein. Der Herd lässt sich durch ein Schutzgitter abschirmen. Wer Radiatoren oder Gasheizer nutzt, die allesamt eine große Hitze entwickeln können, sollte seine Kinder niemals unbeaufsichtigt in den entsprechenden Räumen lassen.
Auf Tischdecken sollte verzichtet werden: Zieht ein Kind daran, kann es sich durch heiße Speisen oder Getränke verletzen. Bislang verborgene Gefahrenquellen in der eigenen Wohnung lassen sich aufspüren, indem man die Perspektive des Kindes einnimmt: einmal auf allen Vieren durch alle Zimmer krabbeln.
lk
Auch Kinder sind Mieter – und haben Rechte
Wenn Kinder toben, lachen, schreien, weinen oder Türen knallen, müssen die Nachbarn das in der Regel hinnehmen (unter anderem: Amtsgericht Berlin-Wedding vom 6. März 2002 – 6a C 228/01). Vermieter haben kein Recht, deswegen das Mietverhältnis zu kündigen. Nach Meinung des Deutschen Mieterbundes (DMB) ist vor allem bei kleinen Kindern und Säuglingen eine erhöhte Toleranz gefragt. Allerdings gebe es Grenzen, etwa wenn Kinder mit Roller-Skates durch die Wohnung fahren. Hier kann der Vermieter einschreiten. Von älteren Kindern könne erwartet werden, dass sie beim Spielen in der Wohnung Rücksicht auf die Nachbarn nehmen, so der Mieterbund. Die Eltern müssten außerdem dafür sorgen, dass insbesondere die Nachtruhe zwischen 22 und 7 Uhr eingehalten wird. Babygeschrei müssen die Nachbarn allerdings hinnehmen.
In Berlin soll Kinderlärm künftig gegenüber anderem Lärm – wie dem von Autos oder Presslufthämmern – toleranter bewertet und dadurch juristische Schritte dagegen erschwert werden. Der Senat und sämtliche Fraktionen einigten sich auf eine entsprechende Änderung des Landes-Immissionsschutzgesetzes. Allerdings soll es weiterhin Toleranzgrenzen auch für Kinderlärm geben und mutwilliger Krach wird weiterhin nicht geduldet.
Mieter dürfen nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes einen Kinderwagen im Hausflur abstellen, wenn sie darauf angewiesen sind und der Platz es zulässt (BGH vom 10. November 2006 – V ZR 46/06). Wer eine Wohnung miete, habe auch das Recht, die Gemeinschaftsflächen zu nutzen. Das schließt auch das Spielen der Kinder und ihrer Freunde im Hof mit ein. Auch zum Haus gehörende Grünanlagen dürfen Kinder in der Regel zum Spielen nutzen. Verbote sind nur in Ausnahmefällen möglich, etwa wenn der Rasen durch zu viele Kinder kaputt zu gehen droht.
Kinder dürfen wie Erwachsene den Aufzug benutzen. Aufzugfahren als Spiel darf jedoch verboten werden, da das den Fahrstuhl unnötig blockiert und Energie verschwendet.
ks
Kindermöbel können mitwachsen
Vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern „passen“ angeschaffte Möbel schon nach kurzer Zeit nicht mehr. Flexible Konstruktionen sind die Lösung für dieses Problem. Beispiel Wickelkommode: Lassen sich Aufsatz und Unterbau trennen, kann der obere Teil als Wandregal und der Sockel als Schrank genutzt werden.
Multifunktionsmöbel dieser Art sind gerade im Kinderzimmer eine Anschaffung, die sich langfristig rechnet. So kann auch das erste Bettchen mit dem Kind wachsen: Es sollte nicht nur in der Höhe verstellbar sein, sondern auch in Länge und Breite. Wird das Kind größer, kann die Gitterkonstruktion an einer oder beiden Längsseiten entfernt werden.
Zurückhaltung ist generell beim Design geboten. Beim Möbelkauf dürfen Kinder ab einem gewissen Alter mitreden – aber das heiß begehrte „Tigerenten“-Motiv auf Schranktür oder Teppich ist wenige Jahre später schon „total uncool“ – es passt dann auch irgendwie nicht zum Poster des Popstars an der Wand. Ob sich thematische Elemente – etwa an einem Etagenbett, das als Piratenschiff oder Burg gestaltet ist – beizeiten entfernen lassen, sollte vor dem Kauf überprüft werden. Praktisch ist auch eine Schranktür als Tafel, die immer wieder neu bemalt werden kann. Dezentes Design der Möbel und Abwechslung durch Accessoires, die sich austauschen lassen – mit dieser Kombination ist man auf der sicheren Seite.
lk
MieterMagazin 1+2/10
Lesen Sie auch zu diesem Thema:
Leitartikel dieses MM-Spezial:
Familien in die Stadt!
Der Familienbegriff im Wandel der Zeit:
Mehr Pluralität, neue Anforderungen
Die familienfreundliche Stadt:
Wohlfühl-Milieu für Groß und Klein
Die familiengerechte Wohnung:
Das Glück braucht passende Wände
Familientaugliches Wohnungsangebot:
Mittendrin ist knapp und teuer
Großer Gemeinschaftsraum und kleine Rückzugsmöglichkeiten – für Familien ideal
Fotos: Christian Muhrbeck
Literatur zum Wohnen mit Kindern
Judith Wilson: Familiy Living. Wohnideen für die ganze Familie,
Deutsche Verlags-Anstalt 2008, 24,95 Euro;
Thomas Drexel: Wohnideen für Kinder,
Blottner Verlag 2008, 39,80 Euro;
Anita Kaushal: Mit Kindern wohnen: Designideen für Familien,
Knesebeck Verlag 2007, 39,95 Euro
Wohnen im Alter und mit Alten
www.berlin.de
Informationen des Berliner Senats zum Thema Wohnen im Alter inklusive rechtlicher und finanzieller Bedingungen für den altengerechten Umbau der Wohnung sowie Beratungsstellen;
„Pflege zu Hause“,
Ratgeber der Stiftung Warentest,
aktualisierte Auflage Mai 2009, 16,90 Euro
Weitere Informationen zur kindersicheren Wohnung findet man im Internet unter anderem auf
www.elternwissen.com
(Kinder-Sicherheit)
und www.kinder.de
(Littles / Wohnen & Betreuen / Kindersicherheit);
Kinderhochstühle wurden von der Stiftung Warentest im Magazin test 8/2007 geprüft;
Informationen zu Matratzen und Kinderbetten stehen in test 2/2007.
Um die kompletten Inhalte im Internet herunterzuladen, reicht es, die entsprechenden Suchbegriffe unter
www.test.de
einzugeben.
Alles untersagen ist nicht erlaubt
Foto: Kerstin Zillmer
Kleiner Mann ganz groß – der Stuhl wächst mit
Foto: Christian Muhrbeck
Wie man sich kinderfreundlich, gesund und sicher einrichtet, kann man nachlesen in:
Möbel kaufen. Qualität erkennen.
Stiftung Warentest 2009, 224 Seiten. 14,90 Euro.
Zu bestellen im Internet
unter www.test.de
(Bücher + Spezialhefte / Kinder + Familie)
20.12.2022