Was ist eigentlich ein Sanierungsgebiet? Wo kann die Stadt das Vorkaufsrecht nutzen? Was ist in einem städtebaulichen Vertrag geregelt? Und was sagt ein Bebauungsplan aus? Die bau- und wohnungspolitische Debatte ist voller Fachbegriffe, die das MieterMagazin in einer kleinen Serie erklären wird. In dieser Ausgabe geht es um den Flächennutzungsplan, Bebauungspläne und sonstige Fragen der Bauleitplanung.
Die Stadtplanung ist bundeseinheitlich im Baugesetzbuch (BauGB) geregelt. Weil das Bauen in die gewünschten Bahnen geleitet werden soll, spricht das Gesetz von der Bauleitplanung. Sie ist zweistufig angelegt: die vorbereitende und die verbindliche Bauleitplanung.
Die vorbereitende Bauleitplanung ist der Flächennutzungsplan (FNP, auch F-Plan). Jede Gemeinde stellt für ihr gesamtes Gebiet die beabsichtigte Art der Bodennutzung dar. Wo soll gewohnt werden? Wo können neue Gewerbegebiete entstehen? Welche Flächen sollen landwirtschaftlich genutzt werden oder dem Naturschutz vorbehalten sein? Der FNP bildet die absehbaren Bedürfnisse der nächsten 20 Jahre ab. Es werden meist nur grobe Nutzungskategorien angegeben, etwa Gewerbe-, Wohnbau- oder gemischte Bauflächen.
Der aktuelle Berliner FNP stammt aus dem Jahr 1994, wurde aber ständig punktuell an neue Bedürfnisse angepasst. Eine komplette Neuaufstellung wird deshalb nicht angestrebt, obwohl 20 Jahre längst abgelaufen sind.
Die Darstellungen im Plan sind nie grundstücksscharf. Ein konkretes Baurecht kann aus dem FNP also nicht abgeleitet werden. Das ist der verbindlichen Bauleitplanung vorbehalten.
B-Plan: Streitpunkt zwischen Bezirk und Senat
Die verbindliche Bauleitplanung ist der Bebauungsplan (B-Plan). Ein B-Plan wird aufgestellt, wenn für ein Bauvorhaben genaue, bindende Vorgaben notwendig sind oder wenn eine Fläche für öffentliche Zwecke gesichert werden soll. Ein B-Plan kann ein ganzes zu entwickelndes Stadtviertel oder auch nur ein einzelnes Grundstück umfassen. B-Pläne können sehr detaillierte Vorschriften machen. Standardmäßig wird die Art der Nutzung festgelegt – zum Beispiel allgemeines Wohngebiet, reines Wohngebiet, Gewerbegebiet, Kerngebiet, Grünflächen, Verkehrsflächen oder Gemeinbedarfs- und Sonderbauflächen mit entsprechender Zweckbestimmung – und das Maß der Bebauung, also die zulässige Baudichte, die Höhe der Gebäude, einzuhaltende Baufluchtlinien und Baugrenzen. Darüber hinaus kann ein B-Plan auch bestimmen, wo Sozialwohnungen entstehen sollen, wie Häuser gestaltet werden, wo Parkplätze entstehen oder wo Flächen für die Regenwasserversickerung angelegt werden sollen. Der B-Plan darf nur nicht den Festlegungen des übergeordneten FNP zuwiderlaufen.
Die Zuständigkeit für die B-Pläne liegt bei den Bezirken. Wenn die Senatsverwaltung aber eine „außergewöhnliche stadtpolitische Bedeutung“ erkennt, kann sie ein B-Planverfahren an sich ziehen. Das führt oft zu Streit, denn die „außergewöhnliche Bedeutung“ ist nicht eindeutig definiert. In der Vergangenheit hat die Senatsverwaltung den Bezirken immer wieder die Planungshoheit entzogen, wenn diese einen Bebauungsplan in eine Richtung entwickelt haben, die dem Senat nicht passte – auch wenn das fragliche Projekt für die Gesamtstadt unbedeutend war.
Zu jedem B-Plan gehört eine ausführliche Begründung. In der Regel dauert das Verfahren bis zur Festsetzung des B-Plans durch die Bezirksverordnetenversammlung mindestens zwei Jahre.
Wegen der Arbeitsbelastung in den Planungsämtern hat sich in den letzten Jahren eingeschliffen, dass B-Planverfahren gar nicht mehr bis zur endgültigen Festsetzung durchgeführt werden, sondern oft schon eingestellt werden, wenn die sogenannte „Planreife“ erreicht ist. Dann ist der Plan so weit ausgearbeitet, dass er als Grundlage für Baugenehmigungen dienen kann.
Bauleitpläne sind unbegrenzt gültig, sofern sie nicht geändert, von einem neueren Plan „überschrieben“ oder offiziell aufgehoben werden. Die Bauleitplanung soll eigentlich die Ziele der Kommunen darstellen. In der Praxis reagieren die Städte oft nur noch auf Investoren, die mit ihren Bauplänen ins Rathaus kommen. Die Planungsämter ändern dann den FNP oder stellen einen B-Plan auf, um das Projekt zu ermöglichen oder in verträgliche Bahnen zu lenken. Die Bauleitplanung ist vielfach zur „Baubegleitplanung“ herabgesunken.
Weil B-Pläne nur aufgestellt werden, wenn eine Planung erforderlich erscheint, gibt es in der Stadt weite Flächen ohne verbindliche Bauleitplanung, den sogenannten unbeplanten Innenbereich. Soll hier etwas gebaut werden, wird die Frage der Zulässigkeit nach dem Paragraphen 34 des Baugesetzbuchs beantwortet. Demnach wird ein Bauvorhaben genehmigt, „wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung (…) in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt“. Eine Baulücke, die ausschließlich von viergeschossigen Wohnhäusern umgeben ist, kann also nur mit einem Wohnhaus in gleicher Höhe bebaut werden. Weder ein Bürogebäude noch ein Hochhaus wären hier zulässig.
West-Berlin hat keinen unbeplanten Innenbereich
Eine Besonderheit im Westteil Berlins ist der Baunutzungsplan. Bevor mit dem Bundesbaugesetz – dem Vorläufer des BauGB – Flächennutzungs- und Bebauungspläne als Standard festgelegt wurden, hatte der West-Berliner Senat im Jahr 1961 für das ganze Gebiet der Teilstadt einen Baunutzungsplan aufgestellt. Die Aussagen dieses Plans waren detaillierter als bei einem FNP, aber gröber als in einem B-Plan. Mit der Einführung des Bundesbaugesetzes hat der Senat beschlossen, den Baunutzungsplan als Bebauungsplan in das neue Recht überzuleiten. Das heißt, West-Berlin ist mit einer verbindlichen Bauleitplanung vollständig abgedeckt. Es gibt hier keinen unbeplanten Innenbereich, wo Bauanträge nach Paragraph 34 entschieden werden. Wo keine neueren Bebauungspläne aufgestellt wurden, gilt der Baunutzungsplan heute noch.
Der Plan ist jedoch veraltet und schreibt Stadtplanungsvorstellungen fest, die heute niemand mehr vertritt: eine strikte Trennung von Wohnen und Arbeiten und eine starke Senkung der Bebauungsdichte. Das führt vielerorts zu einer absurden Rechtslage. So ist beispielsweise die Südliche Friedrichstadt im Baunutzungsplan als Kerngebiet ausgewiesen, in dem Geschäfte, Vergnügungsstätten, Gewerbebetriebe und Büros zulässig sind – keinesfalls aber Wohnungen. Das traditionelle Geschäfts- und Zeitungsviertel, das sich hier einmal befand, war jedoch im Krieg nachhaltig zerstört worden und mit dem Mauerbau war auch die Verbindung zur alten City im Bezirk Mitte abgeschnitten. Wenn man hier sinnvollerweise Wohnungen bauen wollte – wie etwa um 1970 am Mehringplatz oder bei der Internationalen Bauausstellung 1987 –, musste das Bezirksamt gut begründete Ausnahmen und Befreiungen von den Festsetzungen des Baunutzungsplans erteilen oder einen neuen B-Plan aufstellen, was noch aufwendiger und langwieriger war. Das ist auch heute noch so. Obwohl der mittlerweile 57 Jahre alte Baunutzungsplan längst keine Entscheidungshilfe mehr darstellt, sondern zu einer grotesken Baurechtshürde geworden ist, traut sich niemand, ihn einfach für ungültig zu erklären.
Jens Sethmann
Wer plant was?
Stadtplanung ist ein Kernstück der kommunalen Selbstverwaltung und damit grundsätzlich Sache der Städte und Gemeinden. Nur wenn es um Dinge von überörtlicher Bedeutung geht, zum Beispiel Fernstraßen, Bahnstrecken, Hochschulen oder Kraftwerke, liegt die Planungshoheit beim Land oder beim Bund. Da Berlin Bundesland und Stadt zugleich ist, kann es vieles selbst gestalten. Für den Flächennutzungsplan und stadtweit bedeutsame Planungen hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung das Heft in der Hand. Die Zuständigkeit für Bebauungspläne und kleinteiligere Planungen liegt im Grundsatz bei den Bezirken.
js
Flächennutzungsplan Berlin: www.stadtentwicklung.berlin.de/planen/fnp/
Übersichtskarte der Bebauungspläne: www.stadtentwicklung.berlin.de/planen/b-planverfahren/berlin/
Baunutzungsplan und historische Flächennutzungspläne: www.stadtentwicklung.berlin.de/planen/fnp/de/historie/
Gesetzestext des BauGB: www.gesetze-im-internet.de/bbaug/
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