Die frühesten Bauvorschriften dienten vor allem der Gefahrenabwehr: Häuser waren so zu bauen, dass sie nicht einstürzen oder abbrennen. Die Sicherheit ist bis heute das Hauptziel der Bauordnung, doch im Laufe der Jahrhunderte kamen immer mehr Vorschriften hinzu. Die Bauordnung bildete den gesetzlichen Rahmen, in dem sich Berlin zur größten Mietskasernenstadt der Welt entwickelte. Die Sorge um gesunde und soziale Wohnverhältnisse schlug sich erst am Ende der Kaiserzeit in einer fortschrittlichen Bauordnung nieder. Die alten Mietskasernen sind bis heute nicht nur Zeugnisse des Baurechts, das während ihrer Entstehung galt, die gründerzeitliche Baupolizeiordnung beeinflusst die Planung und Architektur in der Berliner Innenstadt auch noch im 21. Jahrhundert.
Im Mittelalter, aus dem die ersten Bauvorschriften überliefert sind, waren die Gebäude zu großen Teilen aus Holz und standen in den Städten sehr eng beieinander. Der Brandschutz war deshalb elementar. Zum Heizen, Kochen und Beleuchten wurde im Haus mit offenem Feuer hantiert. Ausbrechende Brände konnten sich seinerzeit nicht nur im Haus schnell ausbreiten, sondern auch leicht auf Nachbargebäude übergreifen. Verheerende Stadtbrände ereigneten sich bis in die Neuzeit. Der Brand von Hamburg, der an vier Tagen im Jahr 1842 mehr als ein Viertel der Stadt zerstörte, war in Deutschland der letzte große Stadtbrand, der keine kriegerische Ursache hatte.
Die ersten bekannten deutschen Bauvorschriften stammen aus dem „Sachsenspiegel“, einem Rechtsbuch, dessen deutschsprachige Fassung um 1230 erschien. Bis dahin war das Recht fast ausschließlich mündlich überliefert worden. Der Sachsenspiegel wurde als Rechtsquelle jahrhundertelang beachtet und zuletzt sogar noch im Jahr 1927 vom Reichsgericht in Leipzig angewandt.
Dass eine Bauaufsicht durchaus nützlich sein kann, zeigte das Desaster um den Berliner Münzturm. Neben seinem Stadtschloss ließ der preußische König Friedrich I. ab 1701 einen Turm bauen, der 280 Fuß – also über 90 Meter – hoch werden sollte. Planung und Ausführung lagen in den Händen des Bildhauers und Architekten Andreas Schlüter. Nachdem der Turm im Jahr 1705 zu über zwei Dritteln errichtet worden war, zeigten sich Risse im Mauerwerk und das Bauwerk begann sich gefährlich zu neigen. Alle Stützungsversuche scheiterten, 1706 stürzte der Turm ein. Eine Bauaufsicht hätte bei einer Prüfung der Pläne vorab feststellen können, dass der Baugrund auf der Spreeinsel für ein solches Vorhaben ungeeignet war. Im Zeitalter des Absolutismus war allerdings undenkbar, dass Beamte einen Wunsch des Königs in Frage stellten. Schlüter wurde denn auch das Scheitern allein angelastet, er fiel in Ungnade und bekam fortan keine königlichen Aufträge mehr.
Eine geschriebene Bauordnung gab es in Preußen erst ab 1794 mit dem Allgemeinen Landrecht, das bis 1900 galt, als es durch das Bürgerliche Gesetzbuch abgelöst wurde. Die Regeln zur Nachbarbebauung waren ähnlich ungenau formuliert wie im Sachsenspiegel: „Uebrigens aber kann jeder in der Regel auf seinem Grunde und Boden so nahe an der Gränze und so hoch bauen, als er es für gut findet. Sind jedoch die Fenster des Nachbars, vor welchen gebaut werden soll, schon seit zehn Jahren oder länger vorhanden, und die Behältnisse, wo sie sich befinden, haben nur von dieser Seite her Licht, so muß der neue Bau so weit zurücktreten, dass der Nachbar noch aus den ungeöffneten Fenstern des untern Stockwerkes den Himmel erblicken könne.“
Das Allgemeine Landrecht konnte durch örtliche Polizeigesetze ergänzt werden. Davon wurde im Laufe der Jahre reichlich Gebrauch gemacht. In Preußen existierten zur Reichsgründung im Jahr 1871 etwa 300 verschiedene Baupolizeiordnungen. Auch die anderen Länder hatten eigene Bauordnungen, weil die Reichsverfassung das Bauwesen zur Ländersache erklärte.
Zu Beginn der Gründerzeit galt in Berlin die Baupolizeiordnung von 1853, die zusammen mit dem Hobrecht-Plan von 1862 den Rahmen für die Mietskasernenbebauung mit ihren hintereinander liegenden, engen Hinterhöfen vorgab. Das Baurecht hatte nicht gute und gesunde Wohnverhältnisse im Sinn, sondern vor allem den Brandschutz. So war die Mindestgröße des Innenhofes am Wendekreis eines Spritzenwagens der Feuerwehr ausgerichtet: 5,34 mal 5,34 Meter reichten aus.
Fallhöhe gleich Straßenbreite
Die Maximalhöhe der Bebauung richtete sich nach der Breite der Straße: Stürzt bei einem Brand die Vorderfassade um, ist so gewährleistet, dass die gegenüberliegenden Häuser nicht in Mitleidenschaft gezogen werden. Eine wichtige Rolle spielte daneben das Preußische Fluchtliniengesetz von 1875, welches vorschrieb, dass alle Neubauten direkt an der Straße gebaut werden und somit eine einheitliche Straßenflucht bildeten.
Im Jahr 1887 erließ die Brandenburgische Provinzialregierung eine neue Baupolizeiordnung für den Stadtkreis Berlin, in der die bis dahin extreme Grundstücksausnutzung leicht eingeschränkt wurde. So wurde nun eine Mindesthoffläche von 60 Quadratmetern vorgeschrieben, wobei eine Seite mindestens sechs Meter lang sein musste. Die Traufhöhe wurde auf 22 Meter begrenzt. Es durften aber immer noch zwei Drittel der Grundstücksfläche überbaut werden. Auch Kellerwohnungen waren weiterhin erlaubt. Der Berliner Magistrat, in dem die Grundbesitzer mehrheitlich vertreten waren, hatte sich vehement, aber vergeblich gegen diese kleinen bewohnerfreundlichen Veränderungen der neuen Bauordnung gewehrt.
Die Bauvorschriften führten dazu, dass Berliner Häuser sehr gleichförmig waren. Die Bauherren strebten nach größtmöglicher Grundstücksausnutzung und reizten die Möglichkeiten der Bauordnung in vollem Umfang aus. Man kann heute noch an den Fassaden der Altbauten ablesen, dass nach der Baupolizeiordnung Erker ab dem ersten Obergeschoss um 1,30 Meter vorspringen und ein Drittel der Hausbreite einnehmen durften. In unzähligen Fällen wurde exakt so verfahren. Die Hofdurchfahrten weisen oft genau die gesetzlichen Mindestabmessungen von 2,30 Metern Breite und 2,80 Metern Höhe auf. Auch die Grundrisse ähnelten sich sehr.
„Es ist eine fast mathematische Aufgabe, an der Hand der Verbote und Bestimmungen der Polizei den vorhandenen Raum aufs äußerste auszunutzen“, schrieb der Kunstkritiker Karl Scheffler 1908. „Unter den gegebenen Umständen und unter Voraussetzung des normalen rechteckigen Bauplatzes kann das Ergebnis der Zimmerverteilung kaum anders sein; es ist ein glattes Rechenexempel.“
Die Berliner Vororte hatten eine andere Bauordnung als die Hauptstadt. So waren in den damals noch ländlich geprägten Gemeinden wie Reinickendorf, Tempelhof, Lichtenberg, Weißensee oder Pankow geringere Gebäudehöhen erlaubt. Noch heute kann man zum Beispiel an der Grenze von Prenzlauer Berg zu Pankow gut erkennen, wo einst die Stadtgrenze verlief: Die fünfgeschossigen Altbauten stehen im alten Berlin, in Pankow sind sie ein Stockwerk niedriger.
Wohnungsreformer, Städtebauer, Hygieniker und Kommunalpolitiker forderten ab 1889 ein Reichswohnungsgesetz, das gesunde und hygienische Wohnverhältnisse durch mehr Licht und mehr Luft herstellen sollte. Die mächtigen Haus- und Grundbesitzer verhinderten allerdings ein solches Gesetz.
Fenster sollen direkt ins Freie führen
Erst 1918, in den letzten Monaten des Kaiserreichs, wurde in Preußen ein Wohnungsgesetz verabschiedet, das den Forderungen der Reformer nahe kam. Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern sollten eine abgestufte Bauordnung erlassen. Als Muster diente die preußische Einheitsbauordnung von 1919. Danach mussten Wohnräume mindestens 2,50 Meter hoch sein, Fenster mussten direkt ins Freie führen, und es musste in jeder Wohnung die Möglichkeit zum Querlüften vorhanden sein. Hintergebäude sollten nicht mehr gebaut werden und Wohnungen im Keller oder im Dachgeschoss unzulässig sein. In der Berliner Bauordnung von 1925 wurden diese Regelungen übernommen. Die bereits vor dem Ersten Weltkrieg zum Erliegen gekommene Mietskasernenbebauung wurde damit auch rechtlich beerdigt.
Während der Weimarer Republik war die fortschrittliche neue Bauordnung von 1925 allerdings nicht mehr so entscheidend. In der Praxis waren die Richtlinien für die Vergabe der Hauszinssteuer-Hypotheken bedeutender. Seit 1924 wurde der Wohnungsbau mit den Einnahmen aus der Hauszinssteuer, einer Steuer auf den Althausbesitz, angekurbelt. Wer mit diesen öffentlichen Mitteln bauen wollte, musste Baustandards einhalten, die über die Mindestanforderungen der Bauordnung hinausgingen. So sollten die Wohnhäuser nur im Ausnahmefall mehr als drei Vollgeschosse haben. In Mietshäusern sollte jede Wohnung mindestens ein Zimmer mit 20 Quadratmetern haben und für die Küche betrug die Minimalgröße zehn Quadratmeter. Jede Wohnung musste außerdem ein Badezimmer mit einer Mindestbreite von 1,40 Meter aufweisen, Aborte sollten wenigstens 90 Zentimeter breit sein. Allgemein hatten die zu fördernden Neubauwohnungen den Anforderungen an „gesunde, zweckmäßig eingeteilte und solide gebaute Dauerwohnungen“ zu entsprechen, sie durften aber „nach Größe, Anordnung, Raumzahl, Raumhöhe und Ausstattung die notwendigsten Anforderungen nicht überschreiten“. Da es zu jener Zeit kaum Bauherren gab, die ohne die Hauszinssteuer-Hypotheken bauen konnten, entsprechen fast alle zwischen 1924 und 1931 errichteten Wohnhäuser diesen Vorgaben.
Nach dem Krieg bestand die Bauordnung in West-Berlin eine spektakuläre Kraftprobe: Beim riesigen Corbusierhaus, das im Rahmen der Internationalen Bauausstellung 1957 am Olympiastadion gebaut wurde, sah der Architekt Le Corbusier ursprünglich Raumhöhen von nur 2,26 Meter vor. Die Berliner Bauordnung benannte aber 2,50 Meter als Mindestmaß. Nach langem Tauziehen mit dem Star-Architekten setzten sich die Beamten durch. Um die beabsichtigten Raumproportionen zu wahren, plante Le Corbusier anschließend das gesamte Gebäude um. Die Bewohner sind heute allerdings noch dankbar für die damalige Standhaftigkeit der Ämter.
Seit der Reichsgründung 1871 gab es Bestrebungen, das Baurecht in Deutschland zu vereinheitlichen und die verschiedenen Bauvorschriften in einem Gesetzbuch zusammenzufassen. Doch die ausgeprägte Kleinstaaterei sorgte dafür, dass das Bauen auch über die Weimarer Republik hinaus Ländersache blieb. In der Bundesrepublik mündeten die Bemühungen erst 1960 im Bundesbaugesetz (seit 1986 Baugesetzbuch). Das Städtebaurecht wurde damit bundeseinheitlich geregelt. Das Bauordnungsrecht blieb jedoch weiter in der Zuständigkeit der Länder. Obwohl der Bund eine Musterbauordnung vorgegeben hat, verabschiedeten alle Bundesländer unterschiedliche Bauordnungen.
In der West-Berliner Bauordnung von 1958 wurde die Baudichte für Wohngebiete auf etwa ein Drittel der Gründerzeitbebauung reduziert. Weitaus detailliertere Bauvorgaben machten allerdings die Förderungsbestimmungen für den Sozialen Wohnungsbau. So ist zum Beispiel in den Richtlinien von 1977 nicht nur geregelt, dass Treppenhäuser, Küchen und Bäder auf der Verkehrslärmseite der Häuser liegen müssen, Häuser mit mehr als vier Geschossen einen Aufzug brauchen, jede Wohnung eine Loggia, einen Balkon oder eine Terrasse mit mindestens vier Quadratmetern haben muss und Wohnungen mit vier und mehr Zimmern mit einem zweiten WC ausgestattet sein müssen, sondern auch, dass das Klingelbrett beleuchtet wird, das Bad eine Liegewanne aufweist und in die Küche ein Doppelspülbecken gehört.
Die Uneinheitlichkeit der Bauordnungen verhinderte in Westdeutschland einheitliche Normen für Baumodule, die für eine Industrialisierung des Bauens nötig gewesen wären.
Im Gegensatz dazu trat in der DDR 1958 die Deutsche Bauordnung in Kraft, die sowohl Städtebau- als auch Bauordnungsrecht enthielt.
Hier wurde intensiv an der Typierung von Bauteilen gearbeitet. Die zentral festgelegten Maße der Plattenbauten waren für den Wohnungsbau die eigentliche Bauordnung.
In Zeiten, in denen kaum noch mit kohlebefeuerten Öfen geheizt wird, tritt der ursprüngliche Zweck der Bauordnung, der Brandschutz, etwas in den Hintergrund. In den heutigen Vorschriften werden so verschiedene Dinge geregelt wie die Zulässigkeit von Baustoffen, die Barrierefreiheit von Wohnungen, die Pflicht zur Installation von Kaltwasserzählern oder der Betrieb von Müllschluckern.
Schon in den frühesten Bauvorschriften wurden auch Gestaltungsfragen geregelt. In den heutigen Bauordnungen gibt es das „Verunstaltungsverbot“: Ein Gebäude darf nicht durch Werbeanlagen oder ähnliches in seinem Erscheinungsbild beeinträchtigt werden. Auch darf ein Haus nicht durch sein Äußeres das Straßen- und Ortsbild verunzieren. Ebenso alt wie diese Vorgabe ist der Streit darüber, wo die Freiheit der kreativen Gestaltung aufhört und die Grenze zur Verunstaltung überschritten wird. Mit dieser Geschmacksfrage müssen sich die Verwaltungsgerichte immer wieder befassen.
Seit den 90er Jahren gibt es unter den Bundesländern einen unausgesprochenen Wettbewerb um das liberalste Baurecht. Berlin wollte da nicht zurückstehen und erließ 2006 eine neugefasste Bauordnung. Die Abstände, die Gebäude voneinander einhalten müssen, wurden um 60 Prozent verkürzt. Es kann nun also erheblich enger gebaut werden.
Deregulierungs-Trend auch im Baurecht
Erleichtert wurde auch die Werbung an Baugerüsten: Sie sollte ohne jede Beschränkung erlaubt sein. Weil dies aber zum Schaden der hinter den Werbeplanen Wohnenden weidlich ausgenutzt wurde und manche Baugerüste nur aufgestellt wurden, um sie als Werbefläche zu vermarkten, musste der Senat zurückrudern: Seit 2010 muss großflächige Reklame wieder von der bezirklichen Bauaufsicht genehmigt werden und darf höchstens sechs Monate lang hängen. Die Werbemotive dürfen auch nicht mehr „verunstaltend“ wirken.
Die tiefgreifendste Änderung von 2006 betraf das bürokratische Verfahren: Viele Bauvorhaben werden von der Genehmigungspflicht befreit. Nur noch „Sonderbauten“ – das sind vor allem über 22 Meter hohe Gebäude – brauchen eine Baugenehmigung. Andere Bauvorhaben, aber auch Abrisse, müssen nur noch beim Bauamt angezeigt werden. Die Baugenehmigungsbehörden prüfen die Bauanträge nicht mehr in allen Einzelheiten, sondern stellen die Sicherheit des Gebäudes in die Verantwortung des Bauherrn und des Architekten.
Wenn nun etwas Gravierendes schiefgeht, ist der Architekt allein schuld – wie vor 300 Jahren der unglückliche Andreas Schlüter nach dem Münzturm-Desaster.
Jens Sethmann
Keine Traufe in des Anderen Hof
Der Sachsenspiegel aus dem 13. Jahrhundert gewährt jedem Grundeigentümer ein allgemeines Baurecht: „Man kann auch bauen ohne des Richters Erlaubnis mit Holz oder mit Stein drei Stockwerke übereinander, eins auf die Erde, die anderen zwei darüber, wofern man die Tür hat im unteren Stockwerk, kniehoch über der Erde.“ Zum Wohl der Allgemeinheit gibt es aber Einschränkungen.
Vor allem der Abstand zum Nachbarn wird geregelt: „Es darf niemand seine Traufe in eines anderen Mannes Hof hängen, noch soll man ein Fenster nach des anderen Mannes Hof haben.“ Jeder soll sein Grundstück einzäunen, erlaubt ist eine Höhe, „wie ein Mann auf einem Ross sitzend reichen kann“. Weiter heißt es: „Backofen und Abtritt und Schweinekoben sollen drei Fuß von dem Zaune stehen.“ Zur Verhütung von Bränden wird geregelt: „Jeder soll auch abdecken seinen Backofen und seine Mauer, dass die Funken nicht in eines anderen Mannes Hof fliegen, jenem zu Schaden.“ Burgen, Stadtbefestigungen oder Türme durften nicht ohne Erlaubnis des Richters gebaut werden. Auch regionalplanerische Fragen werden im Sachsenspiegel behandelt: „Man darf keinen Markt dem anderen auf eine Meile nahe bauen.“
Am Ende des Mittelalters zersplitterte das Machtgefüge, und das Rechtssystem wurde unübersichtlich. In den selbstbewusster werdenden Städten spielten die Zünfte eine bestimmende Rolle. Diese Organisationen der selbstständigen Handwerker verpflichteten ihre Mitglieder zu einer zunftgemäßen Produktion. Das Bauhandwerk unterlag damit einer starken Selbstkontrolle, die Qualität und Sicherheit der Gebäude gewährleisteten. Im Kirchenbau hatten zudem die „Bauhütten“ eine große Bedeutung. Der Meister der Bauhütte hatte die volle Verantwortung für den Bau. Durch die Zünfte und die Bauhütten schienen örtliche Bauordnungen nicht notwendig.
js
Die Renaissance des düsteren Hinterhofes
Die Baupolizeiordnung aus der Kaiserzeit wirkt sich indirekt auch heute noch auf das Baugeschehen aus. Wenn an einer Stelle gebaut werden soll, für die es keinen festgesetzten Bebauungsplan gibt, wird nach der Art der Nachbarbebauung entschieden, was dort zulässig ist. Was sich nach Paragraph 34 des Baugesetzbuches „in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt“, wird genehmigt.
Wenn also nebenan ein Altbau mit Vorderhaus, Seitenflügel und Quergebäude steht, darf ein Bauherr auf seinem Grundstück ebenso dicht und hoch bauen, obwohl die heutige Baunutzungsverordnung eine solche Flächenausnutzung nicht einmal annähernd zulassen würde.
In begehrten Lagen sind auf dieser Grundlage in den letzten Jahren schon mehrere kriegszerstörte Vorderhäuser oder Hinterhofgebäude neu errichtet worden, die man nach dem Krieg aus gutem Grund nicht wieder aufgebaut hatte. Vor allem in Prenzlauer Berg erlebt der düstere Hinterhof auf diese Weise eine Wiederauferstehung. Sogar Grundstücke, die nie mit Hinterhäusern bebaut waren, werden zugebaut.
js
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MieterMagazin 12/11
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Abb.: SenStadt Berlin
Berliner Gründerzeit: Aufbruchstimmung bei den Bauherren, Elend bei den städtischen Bewohnern (oben: Gemälde von Friedrich Kaiser, unten: Dachwohnung in der Rüdersdorfer Straße)
Fotos: MieterMagazin-Archiv
DDR-Wohnungsbau: Die eigentliche Bauordnung waren die Maße der Platte; Wohnungsbau in West-Berlin (unten: Corbusier-Haus): An die Mindestanforderungen der Bauordnung musste sich auch der Stararchitekt halten
Fotos: Sabine Münch
Seit 1977 müssen in Berlin laut Baurichtlinien die Klingelbretter beleuchtet sein
Foto: Sabine Münch
Zum Weiterlesen
Albert Buff: Bauordnung im Wandel, Verlag Callwey, München 1971, 195 Seiten
Johann Friedrich Geist/Klaus Kürvers: Das Berliner Mietshaus, 3 Bände, Prestel Verlag 1981/1984/1989
Geschichte des Wohnens,
5 Bände, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1996-1999
Die Bücher sind vergriffen, aber in Bibliotheken erhältlich.
Aktuelle Fassung der Bauordnung
für Berlin unter
www.stadtentwicklung.berlin.de
Foto: MieterMagazin-Archiv
Foto: Sabine Münch
Hinterhöfe einst und jetzt: Meyers Hof im Wedding um die Jahrhundertwende, heutiger Hof in der Jablonskistraße in Mitte, Hinterhof-Neubebauung in Prenzlauer Berg
Foto: Sabine Münch
14.05.2018