Was ist eigentlich ein Sanierungsgebiet? Wo kann die Stadt das Vorkaufsrecht nutzen? Was ist in einem städtebaulichen Vertrag geregelt? Und was sagt ein Bebauungsplan aus? Die bau- und wohnungspolitische Debatte ist voller Fachbegriffe, die das MieterMagazin in einer kleinen Serie erklären will. In diesem Teil geht es um die Instrumente der Städtebauförderung.
Ein Sanierungsgebiet wird festgesetzt, wenn ein Stadtviertel „zur Behebung städtebaulicher Missstände wesentlich verbessert oder umgestaltet“ werden soll, wie es im Baugesetzbuch heißt. Solche Missstände liegen zum Beispiel vor, wenn die Bebauung „den allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse“ nicht entspricht.
Als diese Formulierungen 1971 ins damalige Städtebauförderungsgesetz geschrieben wurde, verstand man unter Sanierung oder Stadterneuerung – diese Begriffe werden gleichbedeutend benutzt – in erster Linie den kompletten Abriss der alten Gebäude und den anschließenden Neubau des Stadtviertels. Im Weddinger Sanierungsgebiet Brunnenstraße und im Neuköllner Gebiet Rollbergstraße wurde dieses Prinzip der Kahlschlagsanierung bis in die 80er Jahre sehr konsequent vollzogen. Das Kreuzberger Sanierungsgebiet Kottbusser Tor zeigte hingegen, dass die Stadterneuerung sehr wandelbar ist: Man begann mit maßstabsprengenden Großbauten wie dem Neuen Kreuzberger Zentrum und endete bei der behutsamen Stadterneuerung, bei der die alte Bausubstanz möglichst vollständig erhalten und modernisiert wurde.
Sanierungsgebiete werden vom Senat als Rechtsverordnung erlassen, für die Durchführung ist aber der jeweilige Bezirk zuständig. Die Verwaltung kann öffentliche oder private Unternehmen als Sanierungsträger beauftragen. Das Sanierungsrecht gibt der Verwaltung alle Mittel für eine komplette Bodenneuordnung in die Hand. Sie kann Grundstücksgeschäfte kontrollieren, das Vorkaufsrecht ausüben und enteignen. Baumaßnahmen brauchen eine gesonderte sanierungsrechtliche Genehmigung. Eigentümer und Gebietsbewohner sind intensiv an der Sanierungsplanung zu beteiligen. Nach dem Abschluss der Sanierung erheben die Bezirke von den Eigentümern eine Ausgleichsabgabe, mit der die Wertsteigerung des Grundstücks durch die Sanierung abgeschöpft wird. Manche Sanierungsgebiete laufen im vereinfachten Verfahren. Dabei übt der Bezirk keine Bodenmarktkontrolle aus und berechnet keine Ausgleichsbeträge.
Sanierungsgebiete sind kein Dauerrecht, sondern sollen nach 15, höchstens 20 Jahren aufgehoben werden. Das klappt nicht immer. So wurde das Sanierungsgebiet Kottbusser Tor erst 2002 nach 39 Jahren entlassen. In West-Berlin gab es rund 40 Sanierungsgebiete. Zwischen 1993 und 1995 wurden 22 Sanierungsgebiete neu ausgewiesen, vor allem im Ostteil der Stadt.
Nach einem ähnlichen Prinzip funktioniert das Entwicklungsgebiet, das für noch umfassendere Aufgaben konzipiert ist, nämlich zum Bau neuer Siedlungen oder gänzlich neuer Stadtteile. Hierfür wird von der öffentlichen Hand ein Entwicklungsträger gegründet, der alle benötigten Grundstücke kaufen oder enteignen lässt, die Fläche neu ordnet, für die Erschließung der Bauflächen mit Straßen, Kanalisation und Versorgungsnetzen sorgt und die Gebäude entweder selbst errichtet oder die Baugrundstücke mit einer Baupflicht verkauft.
Zwiespältige Erfahrung mit Entwicklungsgebieten
Berlin hat mit seinen Entwicklungsgebieten sehr zwiespältige Erfahrungen gemacht. In der Vereinigungseuphorie hatte der Senat zwischen 1992 und 1994 fünf Entwicklungsgebiete – Wasserstadt Oberhavel, Rummelsburger Bucht, Eldenaer Straße, Biesdorf-Süd und Adlershof – aufgestellt, in denen 31.300 Wohnungen und über vier Millionen Quadratmeter Gewerbeflächen entstehen sollten. Der damals ausbleibende Einwohnerzuwachs stellte das ganze Vorhaben in Frage, der Senat hielt jedoch nach dem Motto „Augen zu und durch“ bis 2001 daran fest. Der Zeitpunkt für einen rechtzeitigen Ausstieg ohne Verluste wurde so verpasst. Das klamme Land Berlin hatte aber auch nicht den langen Atem, die Entwicklungsmaßnahmen so lange durchzuführen, bis die Nachfrage wieder stieg. So endeten die Entwicklungsmaßnahmen 2007 mit halbgaren städtebaulichen Ergebnissen und einem finanziellen Fiasko.
Aktuell beabsichtigt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, für die künftigen Wohnungsbaustandorte Güterbahnhof Köpenick und Blankenburger Süden Entwicklungsgebiete aufzustellen.
Obwohl es noch relativ jung ist, hat das Programm Stadtumbau eine beträchtliche Wandlung hinter sich. Aus der Taufe gehoben wurde es 2002 als Stadtumbau Ost, um die Leerstandsprobleme im Osten Deutschlands zu bewältigen. Das bedeutete vor allem: ein geordneter Abriss von Plattenbauten. Auch in Berlin hat man zwischen 2003 und 2008 rund 4400 Wohnungen, 59 Schulen und 64 Kitas mit Fördergeldern abgerissen – eine sehr kurzsichtige Entscheidung. Im Jahr 2005 wurde das Programm Stadtumbau West aufgelegt, das sich weniger um die Folgen des demografischen Wandels als um den wirtschaftlichen Strukturwandel kümmerte.
Stadtumbaugebiete haben unterschiedliche Ansätze
2017 wurden Ost und West zu einem einheitliche Stadtumbau-Programm vereint, das in seinen Zielen sehr flexibel ist. In Gebieten mit hohen Geburtenzahlen sorgt der Stadtumbau für mehr Kitas und Spielplätze, in anderen Stadtteilen für mehr altersgerechte Wohnungen oder mehr Grünflächen. Die 18 Berliner Stadtumbaugebiete sind sehr unterschiedlich. Großsiedlungen, innerstädtische Quartiere sowie Gewerbe- und Bahnareale gehören dazu. Mit neuen Stadtumbaugebieten will die Senatsverwaltung „vor allem die Herausforderungen der wachsenden Stadt bewältigen“ – also genau das Gegenteil wie beim Start des Stadtumbaus.
Das Programm Städtebaulicher Denkmalschutz wurde 1991 speziell für Ostdeutschland aufgelegt. Die Fördermittel werden in bau- und kulturhistorisch wertvollen Stadtquartieren eingesetzt. Zunächst stand die Instandsetzung und Modernisierung von Wohngebäuden im Vordergrund, ab 2002 richtete man verstärkt historische Straßen, Plätze und öffentliche Gebäude her. 2009 wurde das Programm auch auf den Westen ausgedehnt. Aktuell gibt es in Berlin neun Fördergebiete.
Um das Ausbluten traditioneller Geschäftsstraßen zu stoppen, wurde 2008 das Programm Aktive Zentren gestartet. Durch Verschönerungsmaßnahmen in den Straßen und Investitionen in öffentliche Einrichtungen sollen die Straßen als wirtschaftliche und kulturelle Mittelpunkte der Stadtteile gestärkt werden. Berlin fördert auf diese Weise zurzeit neun Einkaufsstraßen.
Das Programm Soziale Stadt wurde 1999 ins Leben gerufen. Es soll städtebaulich, wirtschaftlich und sozial benachteiligte Stadtteile stabilisieren und aufwerten. Investitionen in die öffentliche Infrastruktur, den öffentlichen Raum und das Wohnumfeld sollen auch den sozialen Zusammenhalt im Quartier stärken. Berlin hat dazu das Quartiersmanagementverfahren entwickelt, das bauliche Investitionen mit der Förderung von Nachbarschaftsaktivitäten kombiniert und stark auf die Einbindung der Bewohner und der Vor-Ort-Akteure setzt. Zurzeit gibt es in Berlin 34 Quartiersmanagements.
Jens Sethmann
Vielseitiger Werkzeugkoffer
Die ersten West-Berliner Sanierungsgebiete wurden 1963 noch ohne bundesgesetzliche Grundlage aufgestellt. Das Städtebauförderungsgesetz wurde 1971 beschlossen, damit sich der Bund an den Kosten der Stadterneuerung beteiligen kann. Das Gesetz kannte zunächst nur Sanierungs- und Entwicklungsgebiete. 1986 wurden die Regelungen in das Baugesetzbuch aufgenommen. Mittlerweile stehen für die verschiedensten Aufgaben Städtebauförderinstrumente zur Verfügung. Trotz des Namens sind Dörfer nicht ausgeschlossen. Die Programme werden von Bund, Ländern und Gemeinden gemeinsam finanziert. Um die Erfolge zu präsentieren, findet seit 2015 jedes Jahr im Mai der Tag der Städtebauförderung statt.
js
Informationen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen zu den Themen Sanierung, Stadtumbau, Städtebaulicher Denkmalschutz und Aktive Zentren: www.stadtentwicklung.berlin.de/staedtebau/foerderprogramme/
Soziale Stadt in Berlin: www.quartiersmanagement-berlin.de
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