Seit über einem Jahr lebt eine 102-Jährige ohne Heizung alleine in einem entmieteten Haus in Halensee. Dem Vermieter scheint das egal zu sein. Beim Berliner Mieterverein hat man den Eindruck, dass man die alte Dame vergraulen und loswerden will.
Seit 35 Jahren wohnt Lotte W.* in dem Mehrfamilienhaus in Halensee. Mittlerweile ist sie sehbehindert, schwerhörig und dement. Die Pflege ist gut organisiert, ihre Tochter und ein Pflegedienst kümmern sich um sie.
2014 wurde das Haus an ein Unternehmen der Salaground Group verkauft, ein auf Vermarktung von Eigentumswohnungen spezialisiertes Unternehmen. Ein Jahr später erhielten die Mieter Modernisierungsankündigungen. Niemand stimmte zu, trotzdem zogen alle anderen Mieter nach und nach aus, zum Teil gegen Abfindungen, aber auch weil das Wohnen zunehmend unerträglich wurde. In die leer gezogenen Wohnungen wurden Familien aus Osteuropa einquartiert. Die Leute hätten sogar im Keller geschlafen, berichtet die Tochter von Lotte W. Niemand habe sich um den Müll gekümmert, Ratten tummelten sich auf dem Grundstück.
2017 wurde dann begonnen, die – unbestritten veraltete – Heizungsanlage immer mal wieder abzustellen. Im April 2018 wurde sie ganz außer Betrieb genommen, ohne das der Mieterin mitzuteilen. Die alte Dame behalf sich mit zwei Radiatoren. Doch die reichten nicht, um die Räume warm zu bekommen. Erst durch eine einstweilige Verfügung des Amtsgerichts Charlottenburg konnte der Vermieter dazu bewegt werden, Elektroheizkörper zur Verfügung zu stellen.
Salaground-Geschäftsführer Lars Bruch betont in einer Stellungnahme gegenüber dem MieterMagazin, dass er den „Sonderstatus“ der Mieterin und ihren Wunsch, in der Wohnung zu bleiben, respektiere. Doch der Umgang mit der alten Dame spricht dieser Aussage Hohn. Mit den Bauarbeiten werde demnächst begonnen, so Bruch. Eine neue Modernisierungsankündigung liegt nicht vor. Um die horrenden Stromkosten von mehreren Tausend Euro zu bezahlen, musste Lotte W. einen Kredit aufnehmen. Der Vermieter verlangt sogar weiterhin Heizkostenvorschüsse. Ihre Ansprüche wird die alte Dame vermutlich mit Unterstützung des Mietervereins gerichtlich durchsetzen müssen.
„Wir werden ausharren, eine 102-Jährige verpflanzt man doch nicht“, erklärt ihre Tochter. In ihrer Wohnung kennt sich die Mutter aus und kann alleine ins Bad. Ein Umzug würde sie enorm belasten und könnte dramatische Folgen für ihre Gesundheit haben.
Birgit Leiß
* Der Name ist der Redaktion bekannt.
27.05.2019