Hochbetagte, bettlägerige Menschen aus der Wohnung zu befördern, weil der Eigentümer ein paar Quadratmeter mehr Platz braucht oder sich eine Zweitwohnung für gelegentliche Berlin-Besuche einrichten will – solche Klagen auf Eigenbedarf hatten noch vor 10 oder 15 Jahren kaum Aussicht auf Erfolg. Heute wird vor Gericht das Eigentumsinteresse nur allzu oft höher gewichtet als das Schicksal von Mietern, die seit 40 oder 50 Jahren in einer Wohnung leben und die ein Verlust der vertrauten Umgebung völlig aus der Bahn werfen würde. Keine Frage: Eigenbedarfskündigungen sind auch für jüngere Menschen eine große Belastung. Aber: Für Ältere können sie lebensgefährlich sein.
Edith Hoffmanns* Leben ist im November 2017 aus den Fugen geraten. Eigentlich wollte sie in der schönen Altbauwohnung in Tegel in Ruhe ihren Lebensabend verbringen. Seit 1984 lebt sie hier und hat sich ihr Zuhause liebevoll eingerichtet. Die 80-Jährige engagiert sich in der nahe gelegenen Seniorenfreizeitstätte und freut sich über den regelmäßigen Besuch der beiden Nachbarskinder: „Für die bin ich eine Ersatz-Oma.“ Auch die anderen Hausbewohner sind sehr hilfsbereit und tragen ihr schon mal schwere Sachen die Treppen hoch. Umgekehrt nimmt die alte Dame Pakete fürs ganze Haus entgegen. Doch im November 2017 teilte ihr die Eigentümerin mit, dass sie nun selber mit Kind und Lebensgefährten in Edith Hoffmanns Wohnung einziehen will.
Wenn die Mieterin davon spricht, wird ihr Atem schwer, und immer wieder steigen ihr Tränen in die Augen. Nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes hatte sie sich gerade erst wieder aufgerappelt – und nun das. Die Ungewissheit, ob sie in ihrer Wohnung bleiben kann, belastet sie enorm. Sie kann nur noch schlecht schlafen und verspürt eine ständige innere Unruhe. Im Dezember musste die alleinstehende Dame, die vorher nie etwas am Herzen hatte, ins Krankenhaus. Es war knapp vor einem Herzinfarkt, man musste ihr zwei Stents setzen. Die Medikamente, die sie seither nehmen muss, haben zu einer Einblutung ins Auge geführt.
Eine Zweizimmerwohnung für die Vermieterfamilie?
Sie kann jetzt nur noch eingeschränkt sehen. Edith Hoffmann glaubt nicht daran, dass ihre Eigentümerin selber hier einziehen will. Die Zweizimmerwohnung sei doch für eine Familie völlig ungeeignet. Angeblich soll das über 40 Quadratmeter große Wohnzimmer geteilt werden.
„Gott sei Dank bin ich schon damals nach dem Verkauf des Hauses in den Mieterverein eingetreten, ohne ihn wäre ich jetzt völlig hilflos“, sagt sie. Ihre Rechtsberaterin beim Berliner Mieterverein hat Widerspruch gegen die Kündigung eingelegt. Es sei eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes zu befürchten. Auch die lange Wohndauer und die Verwurzelung im Umfeld führt sie als Härtegründe an. Neben der neu aufgetretenen Herzkrankheit hat Edith Hoffmann auch Probleme mit der Wirbelsäule und der Hüfte, „wie das eben so ist in diesem Alter, da ist doch keiner mehr ganz gesund.“ Die Treppe zu ihrer im ersten Stock gelegenen Wohnung schafft sie gerade noch. In ein Seniorenwohnhaus möchte sie keinesfalls ziehen. Dafür fühlt sie sich zu selbstständig. Schon jetzt ist die Aufregung für die alte Dame aber kaum zu ertragen. Ende August ist die Kündigungsfrist abgelaufen. „Jeden Tag, wenn ich zum Briefkasten gehe, habe ich Angst, dass die Räumungsklage gekommen ist“, sagt die 80-Jährige.
Die tägliche Aufregung am Briefkasten
Zahlen gibt es nicht, doch dass Eigenbedarfskündigungen in den letzten Jahren zugenommen haben, bestreiten selbst Eigentümerverbände nicht. Das hat auch damit zu tun, dass viele Mietwohnungen in Einzeleigentum umgewandelt wurden. Das Risiko einer Eigenbedarfskündigung ist für die in diesen Wohnungen lebenden Mieter ungleich höher. Viele der privaten Vermieter, die die Wohnung ursprünglich nur als finanzielle Altersvorsorge gekauft haben, finden auf dem angespannten Wohnungsmarkt selber keine Wohnung mehr und wollen sie nun selber beziehen, bestätigt Carsten Brückner, Vorsitzender von Haus und Grund in Berlin. Es sind oft tragische Fälle. Denn während junge Menschen tagsüber auf Arbeit sind, sich abends mit Freunden treffen und im Urlaub um die Welt reisen, wird die Wohnung mit zunehmendem Alter zum Lebensmittelpunkt.
Sie sollten sich keine Sorgen machen, sagte man dem Ehepaar Schmidt*, als die Wohnungen in ihrem Haus in Lankwitz Anfang der 1990er Jahre in Eigentumswohnungen umgewandelt wurden. Der Käufer ihrer Wohnung habe keinesfalls vor, sie selbst zu nutzen, es sei für ihn eine reine Kapitalanlage. Im März dieses Jahres dann der Schock: Die Eigentümerin, die ihre Wohnung 2013 erworben hatte, will nun doch selber mit ihrem Mann und den beiden Kindern einziehen. Die junge Familie könne sich die ständig steigende Miete ihrer jetzigen Mietwohnung nicht mehr leisten, sagt sie. Außerdem wohnten die Großeltern im Nachbarhaus, und für die Kinder sei der Gemeinschaftsgarten samt Spielplatz ideal.
Richard Schmidt ist 86, seine Frau 82. Sie ist schwer krank und hat Pflegestufe 3. Seit 40 Jahren leben sie in der Dreieinhalbzimmerwohnung. Seit die Kündigung gekommen ist, habe sich der Gesundheitszustand seiner Frau rapide verschlechtert, erzählt Richard Schmidt. Ein Umzug in eine andere Mietwohnung kommt wegen der schweren Erkrankung nicht in Frage. Seit Monaten telefonieren sie Senioreneinrichtungen ab, aber alle haben jahrelange Wartezeiten. Dazu kommt, dass diese nur Ehepaare aufnehmen, die beide eine Pflegestufe haben. Herr Schmidt hat bisher noch keine. Am liebsten würden sie aber ohnehin hier wohnen bleiben. Mit dem Pflegedienst, der mehrmals die Woche vorbei schaut, und dank der Hilfe von Nachbarn kommt das Ehepaar noch gut zurecht. „Es ist ein Albtraum, ich wache jeden Tag mit Angst auf“, beschreibt Frieda Schmidt die Anspannung. Ende November läuft die Kündigungsfrist ab.
Ein aufschlussreicher Mietaufhebungsvertrag
Es mag nachvollziehbare Gründe geben, sein Eigentum selber nutzen zu wollen. Doch längst hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass das Besitzrecht der Mieter an ihrer Mietwohnung dem Eigentumsrecht gleichgestellt ist. Ein nicht unerheblicher Anteil der Eigenbedarfskündigungen sei indessen ohnehin missbräuchlich, so Christoph Müller, Berliner Fachanwalt für Mietrecht. In Wahrheit gehe es darum, die Wohnung leer zu bekommen, um sie teurer verkaufen oder vermieten zu können.
Im Falle von Kurt Schreiber* ist das ziemlich offensichtlich. In seinem Haus in Moabit, in dem er seit 1985 lebt, spielte sich vor ein paar Jahren eine üble Entmietungsgeschichte ab. Um sich keine Nachteile im laufenden Verfahren einzuhandeln, will der Mieter nicht, dass sein Name oder die Adresse des Hauses bekannt werden. Von den 30 Mietparteien sind damals 28 ausgezogen. Den beiden letzten Mietern wurde dann wegen Eigenbedarfs gekündigt. Begründung beim Nachbarn im Jahre 2015: Nach der Trennung von seiner Ehefrau wolle der Eigentümer selber einziehen. Nun wurde auch Kurt Schreiber zum 31. Dezember 2018 gekündigt. Diesmal wird die Trennung von der Lebensgefährtin ins Feld geführt. Dass der Eigentümer, der im Immobiliengeschäft tätig ist, in eine bescheidene Zweizimmerwohnung einziehen will, hält Kurt Schreiber für abwegig. „Er ist auch nach dem Auszug meines Nachbarn nicht dort eingezogen.“ Dieser Mieter musste sogar in der Mietaufhebungsvereinbarung explizit auf Schadensersatzansprüche wegen vorgetäuschtem Eigenbedarfs verzichten. Der Vermieter könne die Wohnung nach Auszug auch an Dritte verkaufen oder vermieten, heißt es in dem Papier ganz ungeniert.
Für Kurt Schreiber, der unter Angststörungen leidet, ist die Wohnung sein Ein und Alles. Der 71-Jährige hat weder Familie noch Freunde oder Bekannte. „Ich lebe völlig zurückgezogen und verlasse die Wohnung eigentlich nur zum Einkaufen.“ Die Kündigung ist für den Rentner eine enorme Belastung. Rücklagen für einen Umzug, Kaution oder andere Unkosten hat er nicht. „Wenn mir der Vermieter eine andere Wohnung plus Umzugskosten anbieten würde, würde ich ausziehen“, sagt er. Er hängt nicht am Kiez und eine Einzimmerwohnung würde ihm genügen. Hauptsache bezahlbar. Einen möglicherweise vorgeschobenen Eigenbedarf zu beweisen, wird nicht einfach werden. Die Gerichte haben viel Verständnis für die geänderte Lebensplanung von Eigentümern.
Auch Peter Schaadts* Eigentümer versuchen es immer wieder mit der Masche Eigenbedarf. Doch der 79-Jährige konnte durch eigene Recherchen, unter anderem zu den wahren Wohnverhältnissen seiner Vermieter, bisher drei Eigenbedarfskündigungen abwehren. Details will er nicht öffentlich machen, er kämpft bereits gegen die vierte Kündigung. „Seit 2012 lebe ich in ständiger Angst und Sorge, meine Wohnung zu verlieren“, sagt der Rentner. Umziehen zu müssen würde für ihn bedeuten, in eine völlig fremde Welt hineingeworfen zu werden: „Hier in der Gegend bin ich heimisch, es gibt Ärzte, zu denen ich Vertrauen habe und Geschäfte, in denen ich bekannt bin.“ Jüngere Leute könnten sich leichter umstellen, sagt Peter Schaadt. Dazu kommt, dass er weder Handy noch einen PC oder Internetanschluss hat: „Wie soll ich denn eine Wohnung suchen?“
Vier dicke Ordner im Nachlass
Braucht es einen verbesserten Kündigungsschutz für ältere Menschen? Die Diskussion um diese Frage ist kürzlich nach einem besonders tragischen Fall entbrannt. Dr. Jürgen Rostock, Wissenschaftler und Publizist, verstarb im März 2018 im Alter von 81 Jahren, nur wenige Monate nachdem ihm das Amtsgericht Mitte zur Räumung seiner Wohnung in der Torstraße verurteilt hatte. Die Eigentümerin, die 2013 seine Dreizimmerwohnung gekauft hatte, will eine Familie gründen. In ihrer Dreizimmerwohnung – ebenfalls eine Eigentumswohnung in Mitte – sei das nicht möglich, weil sie 23 Quadratmeter kleiner sei.
„Am Anfang war mein Vater optimistisch, er konnte sich nicht vorstellen, dass man ihn aus der Wohnung drängen könnte“, erzählt die Tochter des verstorbenen Mieters, Katharina Rostock. Die Eigentümerin habe ihm ihre eigene Wohnung angeboten und später im Internet Wohnungen für ihn gesucht. Doch ihr Vater wollte nicht umziehen. „Es wäre ihm schwer gefallen, sich in einer neuen Wohnung einzuleben, und er fühlte sich auch nicht so gesund und kräftig, dass er sich den Umzug zugetraut hätte“, erklärt Katharina Rostock. Später, als ihm sein Anwalt Christoph Müller klar machen musste, dass seine Chancen nicht gut stehen, sei er immer bedrückter geworden „Er hat das als große Ungerechtigkeit empfunden und wollte um die Wohnung kämpfen“, so die Tochter. Sie wolle nicht behaupten, dass sein plötzlicher Tod die Folge des Rechtsstreits war, betont sie. Doch mit Sicherheit sei es eine große nervliche Belastung für ihn gewesen. Ständig seien Anwaltsschreiben gekommen, die fristgerecht zu beantworten waren. Vier dicke Ordner hat Katharina Rostock in seinem Nachlass gefunden: „Er hätte sich in seinen letzten Lebensjahren gerne mit anderen Dingen beschäftigt.“
Doch obwohl dem Gericht sein Herzleiden bekannt war und obwohl sein Anwalt immer wieder vortrug, dass der Mieter aufgrund seines Alters, der Wohndauer und seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen einem Räumungsverfahren nicht gewachsen sei, entschied das Amtsgericht zugunsten der Eigentümerin. Mit dem Tod des Mieters seien mögliche Härtegründe weggefallen, argumentierte das Landgericht – und verurteilte die Tochter als Erbin zur Räumung der Wohnung.
Für Christoph Müller, den der Fall persönlich sehr mitgenommen hat, ein empörendes Urteil. Eigentlich habe der Gesetzgeber mit den Härtegründen einen Rettungsanker eingebaut. Doch die Rechtsprechung stelle dies zunehmend auf den Kopf. Gleichzeitig werde das mögliche Interesse der Eigentümer ins Unendliche gedehnt. Ob eine Einzelperson 100 Quadratmeter Wohnraum beansprucht oder in der Wohnung Bücher gelagert werden sollen – all dies sind mittlerweile akzeptierte Gründe, weswegen Mieter völlig unverschuldet ihre Wohnung verlieren. „Die Lage ist katastrophal, und wir Anwälte können nur noch juristische Sterbebegleitung leisten“, lautet sein bitteres Fazit.
Doch ganz so hoffnungslos ist die Sache nicht, wie der Fall von Hans-Jörg Ueberschär zeigt. Seit genau 50 Jahren wohnt er in einer Seitenstraße des Kurfürstendamms und wehrt sich unverdrossen gegen die Machenschaften der Vermieterin. Mehrfach hat die Eigentümerin seiner 35 Quadratmeter großen Parterrewohnung Eigenbedarf angemeldet. Mal wollte sie hier ihr Büro einrichten – ihr gehören auch Geschäftsräume direkt nebenan –, mal sollte ihr Sohn einziehen, später ihr Bruder.
Unbeeindruckt vom Richterspruch
Aktuell ist es die pflegebedürftige Großmutter aus München, die untergebracht werden muss. Vermutlich geht es in Wahrheit um eine lukrativere Vermietung als Gewerberaum. So sahen es auch die Gerichte, die die erste Eigenbedarfskündigung mit deutlichen Worten zurückgewiesen haben. Die Widersprüche und Ungereimtheiten begründeten „durchgreifende Zweifel“ an dem behaupteten Eigenbedarfswunsch und sprächen dafür, dass dieser nur vorgeschoben war (LG Berlin vom 4. Januar 2013 – 65 S 115/12). Auch die Mietaufhebungsvereinbarung, die Ueberschär auf hartnäckiges Drängen der Vermieterin in seiner Wohnung unterschrieb, wurde vom Gericht wegen arglistiger Täuschung für unwirksam erklärt. Dem ehemaligen Bauschlosser, der eine lange Liste von Krankheiten hat, fiel ein Stein vom Herzen. Doch Ende 2017 kam die zweite Eigenbedarfskündigung. „Mein Leben steht Kopf, weil meine Vermieterin aus meiner Wohnung ein Büro machen will“, sagt der 78-Jährige. Und was, wenn die zweite Kündigung doch durchgeht und er nach 50 Jahren ausziehen muss? Über diese Frage muss der Mieter nicht lange nachdenken: „Dann ist Schluss. Aus. Feierabend“, sagt er und macht eine unmissverständliche Geste.
Birgit Leiß
* Name ist der Redaktion bekannt
Die Rechtslage hat sich für Mieter verschlechtert
Nach dem Gesetz darf der Vermieter wegen Eigenbedarfs kündigen, wenn er die Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Haushaltsangehörigen benötigt. Er muss dabei vernünftige und nachvollziehbare Gründe darlegen. Allerdings erkennen die Gerichte zunehmend auch die Unterbringung eines Aupair-Mädchens oder die Nutzung als Büroräume als berechtigten Eigenbedarf an. Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbRs) können sich auf Eigenbedarf eines ihrer Gesellschafter berufen. Große Wohnungsgesellschaften und Immobilienunternehmen können allerdings nicht wegen Eigenbedarf kündigen.
Die Kündigungsfrist richtet sich nach der Wohndauer und beträgt mindestens drei Monate. Wohnt man schon mindestens fünf Jahre in der Wohnung, verlängert sie sich auf sechs Monate, nach mehr als acht Jahren auf neun Monate.
Auch wenn die Gründe des Vermieters plausibel sind, heißt das nicht automatisch, dass man ausziehen muss. Man kann der Kündigung unter Berufung auf Härtegründe widersprechen. Hohes Alter und lange Wohndauer allein reichen in der Regel allerdings nicht aus. Es müssen weitere Umstände wie Krankheiten, Gebrechlichkeit oder Suizid-Gefahr hinzukommen. Spätestens zwei Monate vor Ablauf der Kündigungsfrist muss man dies dem Vermieter schriftlich mitteilen. Zudem ist der Vermieter verpflichtet, dem Mieter eine ähnliche Wohnung aus seinem Bestand anzubieten, falls eine solche frei wird. Früher galt: Verletzt der Vermieter seine Anbietpflicht, wird die Kündigung unwirksam. Doch nach einem neueren BGH-Urteil macht sich der Vermieter lediglich schadenersatzpflichtig (BGH vom 14. Dezember 2016 – VIII ZR 232/15). Außerdem ist der Vermieter nur bis zum Ende der Kündigungsfrist verpflichtet, eine Alternativwohnung anzubieten. Wird sie erst während des Räumungsprozesses frei, muss er sie nicht anbieten – auch dann nicht, wenn er davon schon vor Ablauf der Kündigungsfrist wusste.
Im Streitfall wird vor Gericht zwischen dem Interesse des Eigentümers an der Nutzung seiner Wohnung und dem persönlichen Härtegründen des Mieters abgewogen. Wie immer kommt es auf die Umstände im konkreten Einzelfall an.
Wichtig: Wenn eine Mietwohnung erstmalig in Einzeleigentum umgewandelt wird, darf in Berlin zehn Jahre lang nicht wegen Eigenbedarfs gekündigt werden.
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Besserer Kündigungsschutz bei Eigenbedarf gefordert
Der Berliner Mieterverein (BMV) fordert, Mieter über 70 Jahre generell von einer Kündigung wegen Eigenbedarfs auszunehmen – eine gesetzliche Regelung, wie sie beispielsweise in Frankreich auch existiert. Eine Gesetzesänderung müsse klarstellen, so der Vorschlag des BMV, dass eine Härte anzunehmen ist, wenn der Mieter das 70. Lebensjahr vollendet hat oder seit mehr als zehn Jahren in der Wohnung lebt. Zudem soll ein berechtigtes Interesse des Eigentümers nur noch dann anerkannt werden, wenn der Vermieter die Räume zu Wohnzwecken für seine Familienangehörigen ersten Grades oder für Haushaltsangehörige dringend benötigt.
Die Eigentümerverbände lehnen eine starre Altersgrenze ab. „Es gibt keine Mieter erster und zweiter Klasse“, sagt Carsten Brückner, Vorsitzender von Haus und Grund Berlin. Jüngere Mieter seien nicht per se weniger schutzbedürftig. „Die Gerichte machen es sich nicht einfach und wägen extrem sorgfältig ab.“ Außerdem: Wer würde dann noch an über 60-Jährige vermieten?
„Das ist ein gewisses Risiko“, sagt der Geschäftsführer des Mietervereins, Reiner Wild. Doch auch 50-Jährige würden bei entsprechend langer Wohndauer unter diesen Kündigungsschutz fallen. Es gehe darum, betagte Mieter gar nicht erst den nervlichen und psychischen Belastungen einer Kündigung auszusetzen, argumentiert Wild.
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28.03.2022