Die zweimonatige Frist zur Ausübung des bezirklichen Vorkaufsrechts ist immer ein Wettlauf gegen die Uhr. Doch in Corona-Zeiten ist es fast unmöglich, schnell genug zu handeln. Das musste auch die Hausgemeinschaft des Hauses Manteuffelstraße, Ecke Muskauer Straße in Kreuzberg erfahren.
„Wir haben bis zuletzt gehofft und geglaubt, dass uns eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft übernimmt“, sagt Mietersprecherin Linda Kokott. Am 28. Februar hatten die Mieter erfahren, dass ihr Haus mit 21 Wohnungen in einem Kreuzberger Milieuschutzgebiet verkauft worden war. Nachdem alle angeschriebenen Stiftungen und Genossenschaften Corona-bedingt absagen mussten, kamen private Kaufinteressenten ins Spiel. Auch das kommunale Wohnungsunternehmen Gewobag war zeitweise interessiert. Doch am Ende sprangen alle ab. Linda Kokott kritisiert, dass die Mieter keine Einsicht in die Wirtschaftlichkeitsberechnung der Gewobag erhielten und somit auch nicht wissen, woran der Kauf letztendlich scheiterte. „Die Rede war von einem Sanierungsrückstau, aber mit der genauen Kalkulation hätte man vielleicht ein Gutachten über die Kosten in Auftrag geben können.“
Ohne einen kaufwilligen Dritten in der Hinterhand konnte der Bezirk den Käufer nicht zwingen, eine Abwendungsvereinbarung zu unterschreiben, die den Mietern immerhin ein milieuschutzgerechtes Vorgehen im Modernisierungsfall garantiert hätte. Der neue Eigentümer, Florian Grotmann, hatte sich von Anfang an geweigert, eine solche Vereinbarung zum Schutz der Mieter zu unterschreiben. Es könne nicht sein, dass energetische Sanierungen wie der Einbau einer modernen Heizung für 20 Jahre ausgeschlossen werden. In der Presse präsentierte sich Grotmann als mieterfreundlicher Eigentümer: Er werde den Mietern Zusatzvereinbarungen anbieten, mit denen er unter anderem auf Eigenbedarfskündigungen und Grundrissänderungen verzichte. „Auf mündliche Zusagen können wir uns nicht verlassen, wir haben bis jetzt nichts Schriftliches in der Hand“, sagt dazu Linda Kokott.
Man sei durchaus bereit, einen Kündigungsschutz sowie sozialverträgliche Mieten zu gewährleisten, heißt es in einer Stellungnahme des Eigentümers an das MieterMagazin. Zur Verbesserung der Wohnqualität plane man Balkone, Aufzüge, Grünflächen sowie den Ausbau des Dachgeschosses. „Vielleicht können die Mieter darin auch einen Vorteil für sich sehen“, so Florian Grotmann. Diese Sanierungspläne lassen jedoch erhebliche Mietsteigerungen befürchten.
Die Häuser Waldemarstraße 114, Skalitzer Straße 100 und Naunynstraße 42 im gleichen Quartier hatten mehr Glück. Hier konnte der Bezirk drei Abwendungsvereinbarungen aushandeln. „Damit konnten etliche Mietwohnungen gesichert werden – und das ohne den Einsatz öffentlicher Gelder“, freut sich der Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg Florian Schmidt (Grüne).
Birgit Leiß
28.03.2022