Wegen des russischen Krieges gegen die Ukraine haben die Europäische Union und viele andere Länder Sanktionen gegen das Eigentum russischer Oligarchen verhängt. Beim Einfrieren russischen Immobilienvermögens versagt Deutschland, weil es hier kein transparentes Immobilienregister gibt.
Die Sanktionen sollen die wirtschaftlichen Spielräume des russischen Staates einengen, damit er seinen Angriffskrieg nicht mit Gewinnen aus dem Ausland finanzieren kann. Besonders im Fokus stehen die Oligarchen, die mit ihren Firmen eng mit Präsident Putin verbandelt sind. Diese Oligarchen legen ihr beträchtliches Vermögen gern im Ausland an: in Unternehmensbeteiligungen, Immobilien, Schiffen, Kunstwerken oder Profi-Fußballclubs. Forscher gehen weltweit von einem anonymen russischen Auslandsvermögen in Höhe von einer Billion Euro aus. In Deutschland belaufen sich die russischen Vermögenswerte schätzungsweise auf 20 bis 50 Milliarden Euro. Ein guter Teil davon liegt in Berlin.
„Die massiven Ströme internationalen Immobilienkapitals in unsere Stadt sind spätestens seit der Finanzkrise ein allseits bekanntes Problem – aber sie sind es umso mehr, wenn sie indirekt oder direkt Krieg finanzieren“, sagt Katalin Gennburg, Stadtentwicklungspolitikerin der Linken.
Verwirrende komplizierte Firmenkonstrukte
„Der Versuch, Vermögenswerte für die Durchsetzung von Sanktionen einzufrieren, scheitert in der Praxis häufig daran, dass die Behörden in Deutschland, der EU und weltweit größtenteils nicht in der Lage sind, diese Vermögenswerte zu identifizieren“, sagt Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit. Im Grundbuch wird der Eigentümer oft durch Firmennamen oder durch die Namen von Ehefrauen oder Kindern verschleiert. Unterschiedliche Schreibweisen bei der Übertragung russischer Namen ins hiesige Alphabet machen es den Behörden gleichfalls nicht leicht. Zudem haben viele Oligarchen nicht nur die russische, sondern oft noch mehrere andere Staatsangehörigkeiten. Ihre Besitzverhältnisse tarnen sie gern mit Firmensitzen in Staaten wie Zypern oder die Vereinigten Arabischen Emiraten. Durch die verwirrend komplizierten Firmenkonstrukte kann man auch mit dem Handelsregister und dem deutschen Transparenzregister die wahren wirtschaftlich Berechtigten nur unter hohem Rechercheaufwand erkennen.
So konnte der Unternehmer Arkadij Rotenberg, der schon seit 2014 auf der Sanktionsliste steht, noch 2016 Grundstücksgeschäfte mit Villen in Wilmersdorf tätigen. Rotenberg ist ein langjähriger persönlicher Freund Putins und gilt als „König der Staatsaufträge“. Unter anderem baute er die politisch enorm brisante Brücke vom russischen Festland auf die annektierte Krim.
Die Luxusyachten der Oligarchen Alischer Usmanow und Roman Abramowitsch liegen noch unbehelligt im Hamburger Hafen. Italienische Behörden – erfahren im Kampf gegen mafiöse Strukturen – haben hingegen schon mehrere Yachten beschlagnahmt. Während in Frankreich bis Ende März Vermögen im Wert von knapp 850 Millionen Euro eingefroren wurde, sind es in Deutschland nur 95 Millionen Euro.
Hierzulande krankte die Durchsetzung bisher auch an einem Wirrwarr der Zuständigkeiten. Deshalb hat das Bundeskanzleramt im März eine Task Force zur „effektiven Durchsetzung von Sanktionspaketen“ einberufen, in der sechs Ministerien und acht Bundesbehörden sowie die Länder zusammenarbeiten sollen.
„Es braucht dringend ein Mieten- und Liegenschaftskataster sowie eine verwaltungsseitige Zusammenführung der bestehenden Register“, sagt Katalin Gennburg. Ein Vorschlag des Landes Berlin, Steuerumgehung und Geldwäsche mit einem Immobilienregister zu erschweren, wurde im März 2021 vom Bundesrat abgelehnt. „Es bleibt jedoch das Anliegen des Senats, die Abfragemöglichkeiten zukünftig weiter zu vereinfachen, ohne dabei unnötige Parallelstrukturen zu schaffen“, erklärt Daniela Brückner, Staatssekretärin der Senatsverwaltung für Justiz.
Jens Sethmann
Steuervermeidungs- und Geldwäscheparadies Deutschland
Der deutsche Immobilienmarkt ist bei ausländischen Anlegern so beliebt, weil sie hier ihr Geld sehr einfach anonym unterbringen können. Im Grundbuch kann man eine Briefkastenfirma als Eigentümerin eintragen lassen, ohne dass der Name des eigentlichen Besitzers genannt wird. Solche Briefkastenfirmen gibt es zu Tausenden in Luxemburg, in Zypern oder auf den britischen Kanalinseln. Oft werden mehrstufig verschachtelte Firmennetzwerke konstruiert, die letztlich in Steueroasen wie den Cayman- oder Jungferninseln enden. Gewinne aus dem deutschen Vermietungsgeschäft werden an die ausländischen Mutterfirmen übertragen, sodass dem deutschen Fiskus erhebliche Steuereinnahmen verloren gehen. Die Anonymität auf dem deutschen Immobilienmarkt bietet auch ideale Möglichkeiten zum Reinwaschen großer Mengen kriminell erworbenen Geldes. Es ist in Deutschland sogar zulässig, Immobilien mit Bargeld zu kaufen.
js
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27.05.2022