Die Erzeugung von Solarstrom auf dem Balkon ist mittlerweile rechtlich geregelt, doch bürokratische Hürden behindern die Verbreitung von einfachen Stecker-Solarmodulen. Ein Lankwitzer Mieter hat die Energiewende in die eigene Hand genommen und versorgt nun netzunabhängig sein Wohnzimmer vollständig mit selbsterzeugtem Strom.
Wie eine schmale Markise sind ein kleines Solarmodul und zwei große Fotovoltaik-Paneele schräg über der Terrasse der Dachgeschosswohnung angebracht. Zusammen haben sie eine Nennleistung von 220 Watt. Nach Südosten ausgerichtet und günstig geneigt reicht dies aus, um das Wohnzimmer autark mit Strom zu versorgen. „Das Gefühl ist unglaublich toll“, sagt Mieter Christian Gali, der die Anlage selbst installiert hat.
Ihm war wichtig, den eigenen Strom auch selbst zu verbrauchen. Daher speist er seinen Strom nicht ins Netz ein, sondern lädt damit eine Batterie. Der tagsüber erzeugte Strom kann dann abends verbraucht werden. Die Batterie ist an einen Wechselrichter angeschlossen, der die Energie in haushaltsüblichen Wechselstrom mit 230 Volt umwandelt. Im April, dem ersten Monat mit der neuen Anlage, waren auf dem Stromzähler 30 Kilowattstunden weniger als sonst aufgelaufen, eine Ersparnis von fast neun Euro.
Gali rechnet damit, dass seine Jahresstromrechnung um 30 Prozent niedriger ausfällt und sich die Anlage in viereinhalb Jahren bezahlt gemacht hat. „Da aber von künftigen Preissteigerungen auszugehen ist, wahrscheinlich früher.“
Technisch einfacher sind Plug-in- oder Stecker-Solaranlagen, die an eine normale Steckdose angeschlossen werden. So wird der Solarstrom ins allgemeine Netz eingespeist. Man bekommt dafür vom Netzbetreiber keine Vergütung, sorgt aber dafür, dass der eigene Stromzähler entsprechend langsamer läuft und die Stromrechnung sinkt.
Einfache Steckermodule sind ungefähr 1,60 mal 1 Meter groß und haben eine Leistung von 275 Watt. Sie sind schon ab 400 Euro zu haben. Bei optimaler Ausrichtung kann ein solches Modul im Jahr 250 Kilowattstunden erzeugen. Das ergibt eine jährliche Einsparung von über 70 Euro. Weil es bei dieser Konstruktion allerdings keinen Speicher gibt, kann die eingefangene Energie nicht genutzt werden, wenn in sonnigen Mittagsstunden mehr Strom produziert als aktuell verbraucht wird.
Vor einem Jahr wurden die Stecker-Solaranlagen auch aus der rechtlichen Grauzone herausgeholt. Seit April 2019 sind die Netzbetreiber verpflichtet, Steckdosen-Solargeräte bis 600 Watt auch dann zu akzeptieren, wenn sie nicht von einem Elektriker installiert werden. Man muss eine solche Anlage lediglich beim Netzbetreiber anmelden. In Berlin ist das die Vattenfall-Tochter Stromnetz Berlin – unabhängig vom gewählten Stromversorger. Stromnetz Berlin besteht allerdings darauf, dass keine normale Schuko-Steckdose, sondern eine spezielle Energiesteckdose benutzt wird, die von einem Elektriker installiert werden muss. Andere Netzbetreiber verlangen das nicht. In bestimmten Fällen muss noch der Stromzähler ausgetauscht werden.
Bürokratische Hürden noch immer zu hoch
Solche bürokratischen Hürden führen dazu, dass die Zahl der Balkonkraftwerke nicht so stark ansteigt wie erwartet. Die Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) schätzt, dass es 100.000 Stecker-Solaranlagen gibt. In den Niederlanden, wo es keine Meldepflicht gibt, sind es mehr als doppelt so viele.
Jens Sethmann
Der Balkon – ein unterschätzter Kraftwerkstandort
Die Sonne liefert die einzige erneuerbare Energie, die man auch als Mieter in einer Großstadt problemlos nutzen kann. Der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) zufolge könnte jeder Haushalt etwa zehn Prozent seines Strombedarfs selbst produzieren. Deutschlandweit wären rund zehn Millionen Balkone und Terrassen für die Installation von Mini-Solaranlagen geeignet. Man kann die Solarmodule auf einem möglichst nach Süden ausgerichteten Balkon schräg aufstellen oder sie senkrecht an einer Wand anbringen. Wer ein Paneel an die Balkonrückwand oder die Außenseite der Brüstung anschrauben möchte, braucht die Erlaubnis des Vermieters.
js
Position der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie zu Mini-Fotovoltaikanlagen:
www.pvplug.de
31.12.2022