Die Wogen schlugen hoch, als die Wohnungsbaugesellschaft Degewo Ende Juni zur Mieterversammlung geladen hatte. Die etwa 150 Anwesenden waren nicht nur empört über angekündigte Mieterhöhungen von 1,90 Euro pro Quadratmeter, sondern auch über den rüden Umgangston. Den bekam auch der Berliner Mieterverein (BMV) zu spüren. Dessen anwesender Rechtsanwalt kam nicht zu Wort, dem BMV-Bezirksleiter Neukölln wurde vorgeworfen, die Mieter aufzuhetzen.
316 Wohnungen im Feuchtwanger Weg 1 bis 11 werden neue Fenster und Bäder bekommen, außerdem werden die Fassade wärmegedämmt und die Eingangsbereiche und Außenanlagen neu gestaltet. Für die Kernbauzeit wird es Ausweichwohnungen geben. Dass die Modernisierung schon aus Gründen der Energieeinsparung Sinn macht, wird niemand bestreiten. Doch über die Rechte und Pflichten der Mieter scheint es bei der Degewo merkwürdige Vorstellungen zu geben.
Schriftlich waren die überwiegend älteren Mieter aufgefordert worden, „Baufreiheit zu schaffen“ und ihre Keller und Balkone zu räumen. „Es gibt keine Mitwirkungspflicht, die Leute müssen den Bauarbeitern lediglich die Tür öffnen“, stellt der Rechtsanwalt des BMV, Jörg Grützmacher, klar. Bei der Degewo heißt es dagegen, man hätte lediglich die Wünsche nach Räumungshilfen geprüft. Anders als auf der Mieterversammlung dargestellt, muss eine Mietminderung während der Bauarbeiten auch nicht von der Degewo „genehmigt“ werden. Auf Mietminderung besteht ein Rechtsanspruch, so Grützmacher auf einer zweiten, vom Berliner Mieterverein einberufenen Mieterversammlung. Weil die Degewo eine pauschale Mietminderung ablehnt, bleibt den Mietern nichts anderes übrig, als ein detailliertes Bautagebuch zu führen und die Miete nur noch unter Vorbehalt zu zahlen.
Nachdem von einer öffentlichen Förderung zuerst gar keine Rede war, steht mittlerweile fest, dass Fördermittel aus dem KfW-Programm „Energieeffizient sanieren“ zur Verfügung stehen. Dazu Erika Kröber, Sprecherin der Degewo: „Wir haben den Antrag erst kurz vor Baubeginn gestellt, weil die Abruffrist zwölf Monate beträgt und wir mit einer Bauzeit von 15 Monaten rechnen“. Rechne man die Fördermittel sowie die Heizkostenersparnisse ein, reduziere sich die Mieterhöhung auf rund 1 Euro.
Was die von vielen Mietern kritisierte Abschaffung der Müllschlucker betrifft, kann man den Mietern dagegen nur wenig Hoffnungen machen. „Die Berliner Rechtsprechung verneint den Anspruch auf Beibehaltung fast einheitlich, aber hohes Alter und der damit verbundene Komfortverlust könnten vor Gericht gelten“, erklärt Grützmacher.
Unterdessen fühlen sich viele Mieter unzureichend über den Sanierungsablauf informiert. „Wir wissen immer noch nicht, wo unsere Umsetzwohnung liegt und ob es dort ein behindertengerechtes Bad gibt“, ärgert sich Horst Sommerfeld. Das Mitglied des BMV lebt seit über 40 Jahren in der Gropiusstadt, seine Frau ist schwer krank. „Wir werden mit allen Mietern Einzelgespräche führen“, verspricht Kröber.
Horst Sommerfeld kann nur jedem raten, in den Mieterverein einzutreten: „Alleine weiß man gar nicht, wo man ansetzen soll.“
Birgit Leiß
MieterMagazin 9/09
Zur Modernisierung am Feuchtwanger Weg: Über Rechte und Pflichten der Mieter hat die Degewo eigenwillige Vorstellungen
Foto: Sabine Münch
11.04.2018