Jedes Jahr wenden sich Zehntausende von Mietern an eine der Beratungsstellen des Berliner Mietervereins (BMV). Sie haben Fragen zur letzten Betriebskostenabrechnung, wollen eine Mieterhöhung prüfen lassen oder haben ein anderes Problem mit ihrem Vermieter. Die Hitliste der Themen hat sich dabei in den letzten Jahren verändert: Steigende Mieten und Eigenbedarfskündigungen sind für immer mehr Mitglieder der Anlass, Rat zu suchen.
Fast alle Streitigkeiten oder Nachfragen lassen sich in der Beratung lösen, nur ein Bruchteil landet vor Gericht. Für lediglich 2427 Fälle wurde bei der Rechtsschutzversicherung des BMV im Jahre 2013 Kostendeckung beantragt. Will heißen: In 2427 Fällen zogen Mieter vor Gericht, um ihre Ansprüche durchzusetzen oder sie wurden von ihrem Vermieter verklagt. Bei der Gesamtzahl von fast 90.000 Beratungen ist das ein erstaunlicher kleiner Teil.
Und worüber streiten sich Vermieter und Mieter am häufigsten? Nach der bundesweiten Statistik, die der Deutsche Mieterbund (DMB) erstellt hat, stehen Auseinandersetzungen um die Betriebskosten ganz oben auf der Hitliste: In 38 Prozent aller Beratungen ging es darum. Es folgen mit knapp 20 Prozent Wohnungsmängel. Alle anderen Themen wie Schönheitsreparaturen, Mieterhöhung oder Kündigung kamen weitaus seltener vor. Alle diese Zahlen beziehen sich auf das Jahr 2012. In Berlin sieht das etwas anders aus. Zwar ist auch hier die sogenannte Zweite Miete das Top-Thema: Rund ein Viertel aller Ratsuchenden hatte im Jahre 2013 Fragen zu den Heiz- oder Betriebskosten.
Es folgen mit 18,7 Prozent Wohnungsmängel. Doch in der Hauptstadt treibt es wesentlich mehr Mieter wegen einer Mieterhöhung in die Beratung (15,6 Prozent) als im Rest des Landes. Zu Modernisierungsvorhaben oder drohenden Kündigungen gab es ebenfalls einen größeren Beratungsbedarf als im bundesweiten Durchschnitt – ein deutlicher Hinweis darauf, dass steigende Mieten in der Hauptstadt ein drängenderes Problem sind als beispielsweise in Schwedt oder im ländlichen Raum. Übrigens nehmen 27,9 Prozent der BMV-Mitglieder die Telefonberatung in Anspruch. Wer nur eine kurze, präzis umrissene Frage hat, für den ist das ein praktisches, zeitsparendes Angebot.
Die häufigsten Gründe, vor Gericht zu ziehen, waren nach der DMB-Statistik im Jahr 2012 allgemeine Vertragsverletzungen und Betriebskosten. Beides stand auch im Vorjahr auf den vorderen Plätzen. Fast jeder fünfte Prozess drehte sich um das Thema Mietkaution (17,3 Prozent). Dieser Anteil ging gegenüber 2011 um 1,2 Prozent zurück. Einen deutlichen Anstieg verzeichnet die DMB-Rechtsschutzversicherung bei Verfahren zum Thema Mieterhöhungen. Von 12,5 Prozent im Jahr 2011 kletterte der Anteil auf 15 Prozent. Auseinandersetzungen rund um das Thema Kündigung spielen in rund 10 Prozent der Fälle eine Rolle.
Interessant ist in diesem Zusammenhang die Prozessstatistik des BMV. Sie zeigt: Steigende Mieten und teure Modernisierungsvorhaben sind für immer mehr Mieter ein Problem. Stritt man sich im Jahre 2007 in 528 Fällen vor Gericht um eine Mieterhöhung, waren es im vergangenen Jahr 634 Fälle. Die Zahl der strittigen Modernisierungsfälle hat sich im gleichen Zeitraum verdreifacht, von 50 auf 149 Prozesse. Leicht zurückgegangen sind dagegen Verfahren wegen Schönheitsreparaturen und Kaution. Insgesamt geht es aber nach wie vor bei einem Gros der Fälle um Allgemeine Vertragsverletzungen (30 Prozent). In diese Rubrik fallen beispielsweise Ansprüche wegen Mängelbeseitigung, Mietminderung oder Mietrückstände.
Die Bilanz kann sich sehen lassen
Die Frage nach dem Erfolg vor Gericht ist gar nicht so einfach zu beantworten, denn viele Verfahren enden mit einem Vergleich. Die Bilanz aus dem Jahre 2010: Von rund 1850 Streitigkeiten wurden 350 von Mietern verloren, 650 gewonnen. Der Rest endete mit einem Teilerfolg beziehungsweise einem Vergleich. Diese Erfolgsquote kann sich sehen lassen, heißt es beim Berliner Mieterverein.
Birgit Leiß
MieterMagazin 9/14
Rat und Tat
Der Weg vors Gericht
Ist eine gerichtliche Auseinandersetzung nicht zu vermeiden, müssen Mieter beziehungsweise deren Rechtsanwälte zunächst eine Kostendeckungsanfrage bei der Rechtsschutzversicherung stellen. Die übernimmt die Kosten nur dann, wenn das Mitglied eine Rechtsberatung in Anspruch genommen hat, wenn die Mitgliedsbeiträge gezahlt wurden und wenn der Prozess eine gewisse Aussicht auf Erfolg verspricht. Zudem gilt eine dreimonatige Wartefrist für Neumitglieder. Wichtig: Es sind nur Auseinandersetzungen zwischen Vermieter und Mieter in den Versicherungsschutz einbezogen, nicht aber Nachbarschaftsstreitigkeiten, Ansprüche gegenüber dem Jobcenter oder ähnliches.
bl
29.03.2022