Erstmals wird in Berlin die Einsetzung eines Treuhänders für ein seit Langem leer stehendes Mietshaus in die Wege geleitet. Dass ausgerechnet der Bezirk Steglitz-Zehlendorf vorprescht, hat viele überrascht. Berlinweit gibt es nach Schätzungen des Berliner Mietervereins circa 100 Wohnhäuser, in denen diese Vorgehensweise Anwendung finden könnte.
Seit über 15 Jahren gammelt das Eckhaus Hindenburgdamm/Gardeschützenweg in Lichterfelde vor sich hin. Der Eigentümer ist ein pensionierter Arzt, dem noch weitere Immobilien in Berlin gehören. Für solche Fälle gibt es mit der im April 2018 in Kraft getretenen verschärften Verordnung gegen Zweckentfremdung das Instrument des Treuhänders. Die Bezirke haben die Möglichkeit, einen solchen Treuhänder mit der notwendigen Instandsetzung und Wiedervermietung der Wohnungen zu betrauen.
„Es handelt sich nicht um eine Enteignung“, erklärt Michael Karnetzki (SPD), Stadtrat für Ordnung, Nahverkehr und Bürgerdienste in Steglitz-Zehlendorf. Der Eigentümer bekommt seine Immobilie nach Abschluss des Verfahrens wieder zurück, muss aber alle entstandenen Kosten tragen. Da der Bezirk keine Mittel hat, um finanziell in Vorleistung zu gehen, hat sich die Senatsverwaltung für Finanzen bereit erklärt, Mittel bereitstellen. Die Einsetzung eines Treuhänders sei erst dann möglich, wenn andere Maßnahmen nicht zum Erfolg geführt haben, betont der Stadtrat. Die bisher verhängten Zwangsgelder in Höhe von 10.000 und 20.000 Euro hätten den Vermieter leider nicht überzeugt, selbst zu handeln. Gegen das erste Zwangsgeld hatte er geklagt. Da man mit weiteren Rechtsmitteln des Eigentümers rechnet, müsse das Verfahren gründlich geprüft und vorbereitet werden. Als erster Schritt soll nun ein Gutachten über die Kosten der Sanierung erstellt werden. Es wird also ein langer Weg werden, bis die 11 Wohnungen wieder vermietet sind.
Beim Berliner Mieterverein fordert man, dass auch die anderen Bezirke endlich konsequenter vorgehen. Bisher wurde häufig argumentiert, bei einem völlig verwahrlosten und im Grunde unbewohnbaren Haus greife die Verordnung zum Verbot der Zweckentfremdung nicht. „Es wird höchste Zeit, dass gegenüber Eigentümern, die ihre Immobilie leer stehen und verwahrlosen lassen, Ernst gemacht wird mit dem Entzug der Verfügungsrechte“, so der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild.
Birgit Leiß
02.05.2020