Es kommt sehr selten vor, aber wenn es passiert, ist es eine Katastrophe: dass Mieter Hals über Kopf ihre Wohnung räumen müssen, weil das Haus, etwa nach einem Brand, für unbewohnbar erklärt wurde. Der Vermieter ist dann in vielen Fällen nicht in der Pflicht, für Ersatz zu sorgen – eine Gesetzeslücke?
Im Juli traf es etwa 100 Mieter aus Neukölln. Nach einem durch Brandstiftung ausgelösten Feuer in der Tiefgarage musste das Mietshaus an der Jahnstraße, Ecke Buschkrugallee geräumt werden. Das Haus sei nicht mehr standsicher, hatten Gutachter ermittelt. Die Mieter, darunter viele Familien, wurden für eine Nacht in einem Hotel einquartiert und mussten sich dann preisgünstigere Hostels oder Pensionen suchen. Auf einer Mieterversammlung erfuhren die fassungslosen Bewohner, dass ihre Hausverwaltung, die Firma Universa, sich nicht zuständig fühlt. Monika Steinmetz vom Berliner Mieterverein sieht das anders: „Der Vermieter ist mietvertraglich verpflichtet, für Ersatz zu sorgen, jedenfalls so lange bis feststeht, dass das Haus nicht mehr zu retten ist.“ Wenn es sich nämlich nur um einen vorübergehenden Mangel handelt, der behoben werden kann, liegt kein Wegfall der Vertragsgrundlage vor. Die Mieter, so die Rechtsberaterin, hätten dann Anspruch auf eine adäquate Ersatzunterkunft.
Etwas anderes ist es, wenn für ein Haus eine behördliche Abrissverfügung vorliegt. So war es beispielsweise bei der Hermannstraße 14 (das MieterMagazin berichtete in Ausgabe 5/20: „Evakuierung in den Regen“). Dass der Eigentümer eine Zeitlang teilweise möblierte Ersatzwohnungen bereitstellte, wie es dort der Fall war, ist also sogar als Kulanz zu werten – verpflichtet wäre er dazu nicht gewesen.
Wer muss in welchem Fall für Abhilfe sorgen?
Doch manche Frage ist umstritten. Der Jurist des Bezirksamtes Neukölln sieht den Vermieter auch bei vorübergehender Unbewohnbarkeit nicht in der Pflicht. Im Rahmen des ASOG (Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz des Landes Berlin) musste der Bezirk daher die Kosten für die Unterbringung der Bewohner übernehmen. Die Mieter gelten als Obdachlose. Maximal 25 Euro pro Tag und Person werden übernommen. Das sei eine berlinweite Vereinbarung der Bezirke, um das Geschäft mit Obdachlosen nicht weiter zu befeuern, erklärt Christopher Dathe, Sprecher des Neuköllner Baustadtrats Jochen Biedermann (Grüne). „Zum Glück haben wir wegen Corona derzeit viele leerstehende Ferienwohnungen“, meint Dathe. Zusätzlich startete der Bezirk einen öffentlichen Aufruf, um Wohnungen für die betroffenen Mieter zu akquirieren.
Einig sind sich die Juristen immerhin, dass Mietern Schadensersatzansprüche zustehen, falls ein schuldhaftes Verhalten des Vermieters vorliegt. Im Fall der Jahnstraße, Ecke Buschkrugallee hatte es in den letzten Jahren mehrmals gebrannt. Der Vermieter hätte also möglicherweise einen Sicherheitsdienst einstellen oder andere Maßnahmen ergreifen müssen. Bei der Hermannstraße muss sich der Eigentümer womöglich den schlechten Instandhaltungszustand des Hauses zurechnen lassen.
Bei der Jahnstraße, Ecke Buschkrugallee nahm die Sache ein glückliches Ende. Nachdem der Vermieter verschiedene Maßnahmen zur Bausicherung hat durchführen lassen, konnten die Mieter Mitte August wieder in ihre Wohnungen zurückkehren. Wäre das Haus nicht mehr zu retten gewesen, stünden sie jetzt auf der Straße.
Dass es in solchen Notlagen kein anderes Instrument gibt als die Obdachlosenhilfe, hält man beim Berliner Mieterverein für eine Gesetzeslücke. Sinnvoll wäre zum Beispiel eine Art Feuerwehrfonds oder ein bestimmtes Kontingent an Wohnungen bei den städtischen Wohnungsbaugesellschaften. Auch im Bezirk Neukölln, wo man innerhalb kurzer Zeit gleich zwei solcher tragischen Fälle hatte, hält man das für wünschenswert.
Birgit Leiß
Wann zahlt die Versicherung?
Eine Gebäudeversicherung des Hauseigentümers sichert Schäden am Gebäude ab und kann grundsätzlich im Rahmen von Mängelbeseitigungskosten auch Unterbringungskosten der Mieter übernehmen. Die Mieter müssen das Geld vorstrecken, haben aber auch die Möglichkeit, eine Klage auf Vorschuss einzureichen. Anschließend können sie Schadensersatz einklagen – und hoffen, dass sie das Geld wiederbekommen. Es sei aber auf jeden Fall ein hohes Risiko, auf einem Teil der Kosten sitzenzubleiben, heißt es beim BMV.
Nach einem Haus- oder Wohnungsbrand sind Schäden am Mietereigentum durch die Hausratversicherung abgedeckt. Der Vermieter ist nicht zuständig – es sei denn, ihn trifft ein Verschulden am Brand.
bl
27.08.2020