Der Aktionskünstler Kurt Jotter ist tot. Der Mitbegründer des „Büros für ungewöhnliche Maßnahmen“ hat mehr als drei Jahrzehnte lang die Mieterbewegung mit humorvollen Protestformen bereichert.
„Berlin wird helle“ hieß die Aktion gegen den „Weißen Kreis“, die Kurt Jotter 1987 zusammen mit dem Berliner Mieterverein auf die Beine gestellt hat: Gegen die Aufhebung der Mietpreisbindung in West-Berlin wurden nachts per Dia-Projektor viele Hausfassaden mit riesigen Protestmotiven angestrahlt. „Damit wurde deutlich gemacht, dass die Wohnung die dritte Haut des Menschen ist und Bedeutung für die gesamte Existenz hat“, so Kurt Jotter. Die aufsehenerregenden Bilder schafften es sogar in die Tagesschau.
Im selben Jahr folgten weitere fantasievolle Aktionen: Der Bau eines „Anti-Kreuzberger Schutzwalls“ auf der Kottbusser Brücke – eine Antwort auf die Abriegelung Kreuzbergs während des Reagan-Besuchs 1987 – war Straßentheater vom Feinsten. Zum Abschluss der Berliner 750-Jahr-Feier im selben Jahr inszenierte Jotters Büro eine satirische Jubelparade. Unter dem Titel „Bürger beklatschen Banker“ spendete man den an der IWF- und Weltbank-Tagung Teilnehmenden 1988 ironischen Applaus. In der Nacht zum 3. Oktober 1990 kamen 10.000 Leute auf den Kollwitzplatz zur Ausrufung der „Autonomen Republik Utopia“.
Ab Mitte der 90er Jahre wurde es ruhiger um das Büro für ungewöhnliche Maßnahmen. 2013 nahm Kurt Jotter seine Mission wieder auf. Zusammen mit betroffenen Mietern protestierte er mit Polystyrol-Platten gegen Mieterhöhungen nach Fassadendämmungen, stellte sich gegen Mieterverdrängung oder besuchte mit einer „Hai-Society“ einen Immobilienkongress.
Im vergangenen Jahr wurde Kurt Jotter auf dem Fahrrad von einem Auto angefahren. Von den Unfallfolgen hat er sich nicht mehr erholt. Er starb am 2. Juni im Alter von 72 Jahren.
Jens Sethmann
30.08.2022