Immer wieder ärgern sich Mieterinnen und Mieter darüber, dass in Milieuschutzgebieten der Einbau von Fahrstühlen in der Regel nicht genehmigt wird. Man werde dann vielleicht nicht durch steigende Mieten verdrängt, müsse aber ausziehen, weil man die Treppen irgendwann nicht mehr schafft. Ein unlösbares Dilemma?
Der nachträgliche Einbau von Fahrstühlen wird in allen Gebieten mit Erhaltungssatzung restriktiv gehandhabt. Es gibt aber Unterschiede zwischen den Bezirken. In Mitte ist die Maßnahme in der Regel nicht genehmigungsfähig. Das gilt auch für den Dachgeschossausbau. Bezirksstadtrat Ephraim Gothe (SPD) argumentiert: Die Herstellung barrierearmer Wohneinheiten sei kein Ziel des sozialen Erhaltungsrechts. Zudem halten die Aufzüge in Gründerzeithäusern meist auf halber Treppe und sorgen daher gar nicht für Barrierefreiheit. Im Einzelfall könne dies zwar zur Verdrängung älterer oder mobilitätseingeschränkter Menschen führen, aber die Verdrängungsgefahr durch steigende Wohnkosten überwiege. Ganz ähnlich sieht man es in Tempelhof-Schöneberg. Hier wurden Aufzüge bislang nur gestattet, wenn sie nach der Bauordnung vorgeschrieben sind. Im letzten Jahr wurden jedoch auf Druck der CDU die Kriterien ausgeweitet.
Ein Aufzug verteuert die Miete ganz erheblich, zum einen durch den Modernisierungszuschlag, aber auch durch die Betriebskosten. Vom Eigentümer oder der Eigentümerin den Verzicht auf die Modernisierungsumlage zu verlangen, würde auch nichts bringen, weil die Wohnung dann trotzdem wegen des wohnwerterhöhenden Merkmals teurer vermietet werden kann.
In Neukölln ist man dagegen vergleichsweise großzügig. Immerhin 83 Aufzüge wurden hier seit Einführung der Milieuschutzgebiete 2016 genehmigt. Das Dilemma, Verdrängung durch Barrieren oder durch die Miethöhe könnten derzeit am besten die Vermieter:innen auflösen, sagt Neuköllns Stadtrat für Stadtentwicklung Jochen Biedermann (Bündnis 90/Die Grünen): „Modernisierungsumlagen sind kein Zwang. Man kann mit Hausgemeinschaften sprechen und gemeinsam überlegen, was gebraucht wird.“ Eine Lösung könne auch der Wohnungstausch innerhalb des Hauses sein.
Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Studie des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg. Demnach wünschen sich zwar 45 Prozent der über 60-Jährigen grundsätzlich einen Aufzug. Aber nur jeder Fünfte könnte sich die höhere Miete leisten.
Beim Berliner Mieterverein hält man die restriktive Genehmigungspraxis für gerechtfertigt. „Priorität ist, dass die Leute nicht verdrängt werden“, erklärt Geschäftsführer Sebastian Bartels. Sein Vorschlag: den Anbau zu erlauben, wenn der Eigentümer öffentliche Fördermittel in Anspruch nimmt. Dadurch würde es wesentlich günstiger für die Mieterinnen und Mieter.
Birgit Leiß
02.09.2023