Ökologisch nachhaltiges Wohnen im Mietshaus – das ist vor allem auch eine Frage des Geldes. Nicht zuletzt scheitert der Wunsch nach umweltfreundlichen Standards am Bau auch am Desinteresse des Vermieters. An Nachhaltigkeitskonzepten ausgerichtete Mietwohnprojekte sind daher auch selten. Doch es gibt sie – ein Beispiel aus dem Ortsteil Prenzlauer Berg.
Seit rund sieben Jahren plant und baut der Architekt Uwe Heinhaus Niedrigenergiehäuser in Berlin. Bislang waren es immer Eigentumswohnungen, in der Regel für Baugruppen. Sein Traum: Mal ein Passivhaus für Mieter bauen. Das Problem: Private Investoren sind an schneller und sicherer Rendite interessiert, wie sie der Neubau von Eigentumswohnungen oder die Sanierung von Altbauten abwerfen.
Der Ingenieur Paul Grunow, Mitbegründer des Unternehmens „q-cells“, das zu den weltweit größten Produzenten von Solarzellen gehört, ließ sich indessen von der Idee begeistern. Es fand sich sogar eine Bank als Geldgeber, die den ökologischen Ansatz ausdrücklich unterstützt.
Ganze zwei Mehrfamilienhäuser in Passivbauweise gibt es in Berlin. Beide sind eigentümerbewohnt. Am Arnimplatz, mitten im Szenebezirk Prenzlauer Berg, entsteht nun das dritte: ein Achtgeschosser mit 41 Wohneinheiten auf 4600 Quadratmeter Wohnfläche. Er wird ausschließlich für den Bezug durch Mieter gebaut.
Nachhaltigkeit hat ihren (Miet-)Preis
Vermietet werden Wohnungen zwischen 40 und 170 Quadratmeter Fläche. Fünf Gewerbeeinheiten sollen, dem Gedanken der Nachhaltigkeit verpflichtet, vor allem von Gewerbemietern mit ökologischer Ausrichtung bezogen werden. Auf 1000 Quadratmetern Innenhoffläche ist ein großer Gemeinschaftsgarten geplant. 92 Solarmodule auf dem Dach des Hauses werden rund 20 Prozent des Energiebedarfs abdecken, ein gasbetriebenes Blockheizkraftwerk hilft, energetische Versorgungslücken zu schließen. In Planung sind auch eine Grauwasseraufbereitungsanlage sowie Ladeanlagen für Elektroautos in der Tiefgarage, die sich aus der hauseigenen Solaranlage speisen werden. Die Wohnungen sind komfortabel und mit Balkonen und massivem Eichenholzparkett ausgestattet. Bezugsfertig soll das Passivhaus im Mai 2011 sein.
Erste Mieter haben schon ihre Verträge unterschrieben – zum Beispiel Ulrike van Doorn. Gemeinsam mit ihrem Mann wird sie eine Dreizimmerdachgeschosswohnung beziehen – eine von denen mit dem sensationellen Blick über den Kiez. Beide Mieter verdienen gut, aber den Stress, den Wohneigentum mit sich bringen würde, wollen sie vermeiden, auch die Gefahr, sich finanziell zu überheben. „Der Gedanke, mit unserer Wohnung einen größeren Beitrag zu ökologischer Nachhaltigkeit im Alltag zu leisten, hat mich von Anfang an begeistert“, erzählt Frau van Doorn.
Bei Mieten von rund 9 Euro pro Quadratmeter nettokalt ist Bauherrn wie Architekten bewusst, dass dieselbe zahlungskräftige Klientel in ihr Passivhaus einzieht, die bereits für die häufig kritisierte Gentrifizierung im Bezirk gesorgt hat – da geben sie sich keinerlei Illusionen hin. Mit einer günstigeren Miete könnte ein solches Projekt aber nicht kostendeckend aus privatwirtschaftlichen Mitteln realisiert werden.
Andererseits: Bedenkt man, dass die Wohnnebenkosten sich nur bei geschätzten 1 bis 1,50 Euro pro Quadratmeter bewegen (Durchschnittswert in Berlin: 2,35 Euro), liegt die Warmmiete jedoch noch weit unter den Beträgen, die im Neu- oder sanierten Altbau in den bevorzugten Lagen der östlichen Bezirke üblich sind.
Elke Koepping
MieterMagazin 10/10
Bauherr, Architekt und künftige Mieter feierten am Arnimplatz kürzlich Richtfest des ersten Öko-Miet-Neubaus in Berlin
Foto: Christian Muhrbeck
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Niedrigenergiehaus und Passivhaus –
der Unterschied
Niedrigenergiehäuser (NEH) haben aufgrund ihrer Bauweise (beispielsweise: gute Dämmung) einen Heizwärmebedarf von 40 bis 80 Kilowattstunden (kWh) pro Quadratmeter und Jahr. Zum Vergleich: Der Wärmebedarf eines ungedämmten Berliner Altbaus kann bis zu 300 kWh betragen. Im Vergleich zu einem NEH benötigt ein Passivhaus 80 Prozent weniger Heizenergie. Wärmegewinne erzielt es durch Sonneneinstrahlung. Eine Außenwanddämmung zwischen 25 und 40 Zentimeter und Fenster mit Dreifachverglasung bewirken, dass die Wärme im Haus bleibt. Für Frischluft sorgt eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung.
ek
09.06.2021