Die Vorgänge um die Immanuelkirchstraße 35 machen fassungslos. Da wird trotz Milieuschutz eine Kernsanierung genehmigt, die nicht nur die Mieten vervielfacht, sondern dem Eigentümer auch die Möglichkeit einer Verwertungskündigung in die Hand gibt. Trotzdem ist sich das zuständige Bezirksamt keiner Schuld bewusst.
Mittlerweile haben alle zwölf verbliebenen Mietparteien eine Kündigung wegen Hinderung wirtschaftlicher Verwertung bekommen. Kein Wunder, schließlich werden ihre Wohnungen nach umfangreichen Grundrissänderungen nicht mehr existieren.
Der marode Altbau liegt im sozialen Erhaltungsgebiet Winsstraße. Aus den derzeit 52 überwiegend kleinen Wohnungen, größtenteils ohne Bad und ohne Innen-WC, sollen durch Zusammenlegungen großzügige Altbauwohnungen werden. Das Bezirksamt Pankow argumentiert, der Eigentümer habe einen Genehmigungsanspruch für den erstmaligen Badeinbau in 38 Wohnungen. „Aufgrund der sich daraus ergebenden umfangreichen Eingriffe in die Substanz konnte kein Bestandsschutz durchgesetzt werden“, so Bezirksbürgermeister Sören Benn (Linke) in einer Stellungnahme. Man habe die Grundrissänderungen genehmigen müssen, auch wenn damit „besondere Lasten für die Mieter verbunden sind“.
Die Mieter fühlen sich von solchen Äußerungen verschaukelt. „Seit 20 Jahren ist der Einbau innenliegender Bäder gängige Sanierungspraxis in Prenzlauer Berg“, empört sich Christian Sauer. Und Schlauchbäder gibt es in vielen Altbauwohnungen. Was hinter der eigentümerfreundlichen Haltung des Bezirks steht, ist unklar. Noch auf der ersten Mieterversammlung im September 2016 war den Bewohnern versichert worden, dass die Grundrissänderungen nicht genehmigt würden. Im Bezirk will man nach wie vor keinerlei Fehler einräumen. Auch von einer Rücknahme der skandalösen Baugenehmigung, wie von den Mietern gefordert, will man nichts wissen. Rechtlich wäre das möglich, könnte aber hohe Schadensersatzforderungen des Eigentümers nach sich ziehen.
Unterdessen wehren sich die Mieter vor Gericht gegen den Rauswurf. Bislang wurden zwei Räumungsklagen vor dem Amtsgericht verhandelt. Die erste wurde vom Eigentümer zurückgezogen, nachdem die Richterin erklärt hatte, dass es für eine Räumungsklage noch zu früh sei. Noch sei gar nicht klar, ob sich die Mieterin zum Kündigungstermin Ende Oktober einem Auszug widersetzen werde. In dem anderen Verfahren wurde eine gütliche Einigung angeregt. Ein neuer Termin wurde für November anberaumt. Der Richter fand in diesem Fall deutliche Worte für das Versagen des Bezirksamtes. Was da politisch gelaufen sei, könne man nicht so richtig nachvollziehen. Schließlich handele es sich nicht um das erste Sanierungsvorhaben in Prenzlauer Berg.
Birgit Leiß
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22.09.2017