Der Milieuschutz erlebt in Berlin seit einiger Zeit eine kleine Renaissance. Nachdem mehr als ein Jahrzehnt lang nur drei Bezirke mit diesem Verdrängungsschutzinstrument gearbeitet haben, fordern nun Mieterinitiativen stadtweit immer öfter einen Milieuschutz für Quartiere, in denen Modernisierungs- und Umwandlungswellen die alteingesessenen Mieter aus ihrem Zuhause zu vertreiben drohen.
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Fast alle Bezirke befassen sich heute ernsthaft mit dem Milieuschutz und der verwandten Umstrukturierungsverordnung. Dabei sind noch viele Vorbehalte aus dem Weg zu räumen. Immerhin hat sich Tempelhof-Schöneberg mittlerweile als vierter Bezirk in die Reihe der Milieuschutz-Anwender gestellt.
Ein großer Gewinn für die Wirksamkeit des Milieuschutzes ist die erst kürzlich geschaffene Möglichkeit, die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen zu verhindern. Wenn man das ganze Instrumentarium des Milieuschutzes konsequent anwendet, kann er mehr sein als nur der Notbehelf, mit dem man lediglich die allerschlimmsten Auswüchse der Mietervertreibung bekämpft.
Der Milieuschutz ist nur eine von drei möglichen Erhaltungssatzungen nach Paragraf 172 des Baugesetzbuches. Es gibt die soziale Erhaltungssatzung, die Umstrukturierungssatzung und die städtebauliche Erhaltungssatzung.
Die soziale Erhaltungssatzung ist das, was gemeinhin als Milieuschutz bezeichnet wird. Ihr Ziel ist es, die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung zu erhalten. Das bedeutet, der Milieuschutz ist nicht vorrangig ein Schutz für den einzelnen Mieter, sondern für die Gesamtheit der Bewohner. Die Umstrukturierungssatzung hat eine ähnliche Zielrichtung: Bei konkret geplanten Umbauten oder Modernisierungsmaßnahmen sollen die betroffenen Bewohner über einen Sozialplan abgesichert werden. Die städtebauliche Erhaltungssatzung wiederum soll die äußere Gestalt und Eigenart eines bestimmten Gebietes schützen, ohne dass ein so strenger Maßstab wie beim Denkmalschutz angelegt wird. Es gibt auch Erhaltungsgebiete, in denen gleichzeitig das städtebauliche und das soziale Erhaltungsziel verfolgt wird. Um die Ziele zu erreichen, können die Bauämter in ausgewiesenen Erhaltungsgebieten bestimmte Baumaßnahmen, Abrisse oder Nutzungsänderungen verbieten.
Die Erhaltungsgebiete, gleich welcher Art, werden von den Städten und Gemeinden festgelegt. Im Stadtstaat Berlin geschieht dies über Landesverordnungen. Deshalb spricht man hier von Erhaltungsverordnungen statt von -satzungen, die von den Bezirksämtern beschlossen werden. Abgesehen vom Namen gibt es aber keinen Unterschied. Berlin hat zurzeit 21 Milieuschutzgebiete mit rund 278.000 Einwohnern. Konkret beschlossen ist bereits die Aufstellung von zwei neuen Gebieten und eine Gebietserweiterung mit etwa 16.000 Einwohnern. Unverbindlich in Aussicht gestellt haben die Bezirke sieben weitere Milieuschutzgebiete mit zusammen über 150.000 Einwohnern.
Umstrukturierungsverordnungen sind in Berlin bislang fünfmal angewandt worden. Sie umfassen insgesamt 3600 Wohnungen.
Jens Sethmann
Wenn Sie wissen möchten, ob ein Gebäude innerhalb eines Milieuschutzgebietes liegt, können Sie auf der Internetseite des Berliner Mieterverein unter Weitere Informationen zum Thema: Straßenliste Milieuschutzgebiete in Berlin [PDF, 31 Seiten] nachschauen.
Der Berliner Mieterverein hat dort alle betroffenen Straßen und Hausnummern aufgelistet.
27.06.2024