In Mitte sollen über 100 bezahlbare Wohnungen abgerissen werden, um Platz für einen exklusiven Neubau mit Tiefgarage zu machen. Eine Abrissgenehmigung gibt es zwar noch nicht, doch den Mietern wurde bereits gekündigt.
Für die Bewohner der Habersaathstraße 40-48 folgt ein Schrecken auf den nächsten. Im Frühjahr 2018 wurde ihnen vom neuen Eigentümer, der „Arcadia Estates Habersaathstraße 40-48“ eine Modernisierung mit Verdoppelung der Mieten angekündigt (das MieterMagazin berichtete in Ausgabe 9/2018: „Professionelle Verdrängung“). Ende August erhielten dann sämtliche Mieter eine sogenannte Verwertungskündigung. Eine angemessene wirtschaftliche Verwertung der Immobilie sei nur durch Abriss und Neubau realisierbar, heißt es in dem Schreiben. Der 1983 für Angestellte der Charité gebaute Block in Plattenbauweise erfordere umfangreiche Investitionen. Der Verwertungserlös bei einem Neubau sei angesichts der Kaufpreise für Wohneigentum höher.
Wie erst jetzt bekannt wurde, hat das Bezirksamt bereits am 7. Februar 2018 eine Baugenehmigung für den Neubau eines siebengeschossigen Wohngebäudes mit Tiefgarage erteilt. Das ist umso verwunderlicher, weil Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD) bei einer Mieterversammlung Mitte Juni erklärt hatte, der Neubau sei vom Tisch. Ausdrücklich sicherte der Baustadtrat den Mietern seine Unterstützung zu.
Auf Nachfragen zu diesem Widerspruch geht man beim Bezirksamt nicht ein. Stattdessen heißt es, ein Vorhaben sei baurechtlich zu genehmigen, wenn es dem öffentlichen Baurecht nicht widerspricht. Auf den baulichen Zustand des Bestandes komme es dabei nicht an. Über den am 3. Juli 2018 gestellten Abbruchantrag sei noch nicht entschieden. Dieser werde noch hinsichtlich einer Zweckentfremdung zu prüfen sein, so Gothe in einer Stellungnahme.
Eine Kündigung wegen mangelnder wirtschaftlicher Verwertung sei wegen der hohen Hürden nicht so leicht durchzusetzen, heißt es beim Berliner Mieterverein (BMV). Die Chancen für die Mieter schätzt man daher als gut ein. Die Arcadia Estates hat die Häuser schließlich gerade erst erworben, wusste also, auf was sie sich einlässt. Dass sie erst jetzt ein Sachverständigengutachten zur Bausubstanz einholt, sei irreführend, so Sebastian Bartels von der BMV-Geschäftsführung. Zudem enthält die vorgelegte Kalkulation etliche Fehler.
Bei der Mieterinitiative Habersaathstraße ist man fassungslos über das Lavieren des Bezirks. „106 Wohnungen mit sozial verträglicher Miete werden für 96 Luxusapartments platt gemacht – das darf doch nicht wahr sein“, so Theo Diekmann, Sprecher der Initiative. Schon jetzt steht mehr als die Hälfte der Wohnungen leer. Es sei zu befürchten, dass vor allem alte und chronisch kranke Mieter dem Druck nicht standhalten.
Birgit Leiß
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28.09.2018