Das im Juli 2019 gegründete berlinweite Netzwerk „200 Häuser“ will der Umwandlung von Mietshäusern in Eigentumswohnungen einen Riegel vorschieben. Das MieterMagazin sprach mit Gabriela Burghardt aus der Hasenheide 71, Clara Meister aus der Corinthstraße 53 – zwei der betroffenen Häuser – sowie Coni Pfeiffer von der Nachbarschaftsinitiative „GloReiche“, die zu den Mitbegründern gehört.
MieterMagazin: Was kam es zur Gründung des Netzwerks?
Coni Pfeiffer: Die Idee kam von Florian Schmidt, dem Friedrichshain-Kreuzberger Baustadtrat. Er hatte Initiativen und betroffene Häuser angeschrieben. Zurzeit gehören über 50 Hausgemeinschaften, Mieterbündnisse und Organisationen zum Netzwerk, darunter auch der Berliner Mieterverein. Bei jedem Treffen kommen neue hinzu. Beim zweiten Treffen haben wir übrigens erfahren, dass es nicht 200, sondern sogar 255 Häuser sind, die in Milieuschutzgebieten Friedrichshain-Kreuzbergs umgewandelt wurden.
Clara Meister: Die Verdrängung durch Umwandlung betrifft immer mehr Mieter, und die Folgen werden immer dramatischer. Denn es wird ja immer schwieriger, etwas Neues zu finden. Durch den Mietendeckel könnte sich das noch verschärfen, denn nur durch Umwandlung lässt sich künftig eine maximale Rendite erzielen. Wir fordern daher als ersten Schritt, dass die Mieter darüber informiert werden müssen, wenn ein Antrag auf Teilung gestellt wurde.
MieterMagazin: Umwandlungen grundsätzlich zu untersagen wäre aber eine Sache der Bundes-Gesetzgebung. Da kann Stadtrat Schmidt wenig ausrichten.
Coni Pfeifer: Das ist richtig, und daher fordern wir auch Gesetzesänderungen. Unser Ziel ist es, Umwandlungen, Eigenbedarfskündigungen und daraus resultierende Zwangsräumungen erst einmal auf die politische Agenda zu bringen. Auf der Ebene der Bundespolitik gibt es doch größtenteils gar kein Bewusstsein dafür, was sich vor Ort abspielt. Dabei betrifft es große Teile der Gesellschaft. Wenn nur noch Menschen in ihrer Wohnung oder ihrem Kiez bleiben können, die vermögend genug sind, um ihre eigene Wohnung zu kaufen, gefährdet das den sozialen Frieden. Gewachsene Nachbarschaften werden zerstört. Meinetwegen kann sich jemand eine neugebaute Eigentumswohnung kaufen – aber doch keine Altbauwohnung, aus der vorher jemand rausgekündigt wurde.
Gabriela Burghardt: Je mehr wir werden, desto besser kann man Druck machen. Mich beruhigt es überhaupt nicht, dass man zehn Jahre beziehungsweise in Milieuschutzgebieten sieben plus fünf Jahre lang vor einer Kündigung geschützt ist. Was ist nach Ablauf dieser Frist? Früher oder später muss man raus. Meine Wohnung ist die Basis meines Lebens.
Coni Pfeiffer: Außerdem gibt es genug Beispiele dafür, mit welchen Mitteln Mieter schon vor Ablauf der Frist rausgeekelt werden. Im Geschäftsbericht der Eigentümerin der Mariannenstraße steht zum Beispiel ganz offen, dass man vorhat zu renovieren und ordentlich Krach machen will. Dass deswegen vermutlich einige Mieter ausziehen werden, läge im eigenen Interesse.
MieterMagazin: Wo wollen Sie ansetzen? Welche Aktionen fanden schon statt?
Damit nicht jedes Haus bei Null anfangen muss
Clara Meister: Es geht um Solidarität. Man fühlt sich dem so ausgeliefert. Deswegen gibt es dieses Netzwerk, in dem wir uns gegenseitig unterstützen, auch ganz praktisch, etwa wenn Kaufinteressenten Wohnungen besichtigen.
Coni Pfeiffer: Zurzeit sind wir noch in der Aufbauphase. Demnächst soll unsere Homepage fertig sein, wo sich betroffene Hausgemeinschaften vorstellen und wo auch Infos, etwa zur baurechtlichen oder juristischen Seite, zusammengetragen werden. Sonst fängt jedes Haus, das neu betroffen ist, wieder von Null an. Außerdem wollen wir die Verdrängung sichtbar machen und erstellen eine Karte mit allen betroffenen Häusern. Bei der Veranstaltung „Baustelle Gemeinwohl“, die Ende August stattfand, waren wir ebenfalls dabei.
Interview: Birgit Leiß
10 oder 7 plus 5?
Wenn ein Mietshaus erstmalig umgewandelt wird, sind die Mieter in Berlin zehn Jahre lang vor einer Kündigung wegen Eigenbedarf oder mangelnder wirtschaftlicher Verwertung geschützt. In Milieuschutzgebieten, wo die Umwandlung eigentlich nicht erwünscht ist, muss das Bezirksamt dies genehmigen, wenn sich der Eigentümer verpflichtet, in den nächsten sieben Jahren nur an die Mieter zu verkaufen. Wenn dann nach sieben Jahren ein Dritter die Wohnung kauft, darf dieser erst nach weiteren fünf Jahren wegen Eigenbedarf kündigen.
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Das MieterMagazin stellt in lockerer Folge Nachbarschafts- und Quartiersinitiativen vor.
28.03.2022