Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden, dass ein Mietshaus mit 30 Wohnungen abgerissen werden darf zugunsten eines Neubaus mit 60 Eigentumswohnungen. Die geltende Mietobergrenze für Ersatzwohnraum erklärte das Gericht für null und nichtig. Ein enttäuschendes Urteil, das aber vorauszusehen war, heißt es beim Berliner Mieterverein.
Es geht um einen 1960er-Jahre-Bau in der Suarezstraße 24 in Charlottenburg. Seit 2018 steht er leer, die Mieter der preisgünstigen Wohnungen sind vertrieben worden. Das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf verweigerte der Eigentümerin jedoch die Abrissgenehmigung, weil die geplanten Eigentumswohnungen zu teuer für den Durchschnittsverdiener seien. Nach der Zweckentfremdungsverbotverordnung muss bei einem Abriss die gleiche Anzahl von Ersatzwohnungen für maximal 7,92 Euro nettokalt pro Quadratmeter geschaffen werden. Doch die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts erklärte diese Vorgabe für nichtig und verpflichtete die Behörde, den Abriss zu genehmigen. Begründung: Der Wohnraumverlust werde mehr als ausgeglichen. Die Eigentumswohnungen mit einem höheren Standard als die alten Mietwohnungen dienten zudem der Versorgung des allgemeinen Wohnungsmarkts. Die Luxusgrenze werde nicht überschritten. Das Zweckentfremdungsverbot schütze Wohnraum nicht um seiner selbst willen und sei auch nicht als Mieterschutz gedacht (VG vom 27. August 2019 – VG 6 K 452.18)
Der Berliner Mieterverein (BMV) befürchtet, dass sich Investoren, die abreißen wollen, von diesem Urteil ermutigt fühlen. „Die Abrissanträge werden vermutlich in die Höhe schnellen“, meint der stellvertretende BMV-Geschäftsführer Sebastian Bartels. Allerdings hatte der BMV ebenso wie andere Mietrechtsexperten die undifferenzierte Preisgrenze von 7,92 Euro von vornherein für rechtsunsicher gehalten. In der Tat monierten die Verwaltungsrichter, dass die starre und zeitlich unbegrenzte Festlegung eines geringen Mietpreises für Ersatzwohnraum den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletze. Der Neubau von Wohnraum würde dadurch wesentlich erschwert.
Das Gericht hat eine Berufung zum Oberverwaltungsgericht zugelassen. Der zuständige Stadtrat von Charlottenburg-Wilmersdorf, Arne Herz (CDU), geht davon aus, dass das Land Berlin in Berufung gehen wird: „Wir haben das Verfahren an die Senatsverwaltung abgegeben – ein üblicher Vorgang und aufgrund der Bedeutung noch einmal mehr geboten.“
Birgit Leiß
23.10.2019