In Berlin sind in den letzten zehn Jahren 124.421 Mietwohnungen in Einzeleigentum umgewandelt worden – im Jahr 2020 allein über 19.000. Wurde die Wohnung während des laufenden Mietverhältnisses umgewandelt, sind Mieterinnen und Mieter in Berlin zehn Jahre vor Eigenbedarfskündigungen geschützt. Das heißt aber auch, dass jetzt eine Welle von Eigenbedarfskündigungen anrollt. Höchste Zeit, diese Welle zu brechen.
Die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen ist ein starker Beschleuniger der Verdrängung. Zwar ist in Berlin seit dem 7. Oktober 2021 die Umwandlung nahezu ausgeschlossen (hierzu unsere Infobox: „Umwandlungsbremse seit August“). Doch in den zuvor umgewandelten Wohnungen sitzen viele Mieter auf einer Zeitbombe: Denn nach Ablauf der zehnjährigen Sperrfrist droht eine Eigenbedarfskündigung des Wohnungseigentümers.
Der bisherige Pankower SPD-Bundestagsabgeordnete Klaus Mindrup schätzt, dass ab jetzt in jedem Jahr bei 10.000 Berliner Wohnungen die Kündigungssperrfrist ausläuft. „Hier droht eine soziale Katastrophe in den vor allem betroffenen Innenstadtkiezen“, befürchtet Mindrup.
Der Schutz vor Kündigungen wegen Eigenbedarfs oder wegen Hinderung angemessener wirtschaftlicher Verwertung gilt für die Mieterinnen und Mieter, die schon vor dem Zeitpunkt der Umwandlung ihrer Wohnung dort lebten. Die zehnjährige Sperrfrist beginnt zu laufen, wenn der erste Erwerber nach der Umwandlung als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen ist.
In Milieuschutzgebieten gilt, dass seit 2015 umgewandelte Wohnungen zunächst sieben Jahre lang nur den Mietern zum Kauf angeboten werden dürfen. Erst danach ist der Verkauf an jemand anderes erlaubt. In diesem Fall beginnt dann eine fünfjährige Kündigungssperrfrist. Der Schutz summiert sich also im Milieuschutz auf zwölf Jahre.
Eigenbedarfsgründe enger fassen
Der wirtschaftliche Anreiz, Mieter loszuwerden, ist enorm hoch. Eine „mietfreie“ Wohnung lässt sich erheblich teurer weiterverkaufen oder zu einem viel höheren Preis neu vermieten. Um dieses Ziel zu erreichen, ist die Anmeldung von Eigenbedarf ein einfacher Weg. Die Rechtsprechung der letzten Jahre hat immer absurdere Gründe für den Eigenbedarf zugelassen, Mieter können sich praktisch kaum dagegen wehren. „Deswegen ist eine Reform des Rechts der Eigenbedarfskündigungen dringend erforderlich“, schreibt Klaus Mindrup in einem Diskussionspapier. Er fordert unter anderem, dass die Kündigungssperrfrist von 10 auf 20 Jahre verlängert wird, Eigenbedarf nur für enge Familienangehörige zum dauerhaften Wohnen ausgesprochen werden kann und ein Eigenbedarfsregister angelegt wird, um zu verhindern, dass ein Eigentümer aus spekulativen Gründen oder mehrfach kündigt. Alte, Kranke oder Familien mit Kindern müssten als Härtefälle geschützt werden. Im Falle einer rechtmäßigen Kündigung müsste der Eigentümer die Umzugskosten der Mieter tragen. Auch der Berliner Mieterverein (BMV) verlangt, den Eigenbedarf erheblich einzuschränken. So soll er ausgeschlossen sein, wenn jemand vermieteten Wohnraum erwirbt, wenn die Mieter über 70 Jahre alt sind oder schon zehn Jahre in der Wohnung leben. Vorgetäuschter Eigenbedarf müsse stärker sanktioniert werden, fordert der BMV.
Jens Sethmann
Umwandlungsbremse seit August
Nach dem Erlass des Baulandmobilisierungsgesetzes und einer entsprechenden Verordnung des Landes Berlin gilt seit dem 7. Oktober 2021 in ganz Berlin eine „Umwandlungsbremse“. Die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen wird nur noch in Ausnahmefällen genehmigt, unter anderem wenn ein Haus an Erben aufgeteilt werden soll oder zwei Drittel der Wohnungen an die Mieter verkauft werden. Diese Regelungen gelten allerdings nur bis Ende 2025 – aber auch in den Milieuschutzgebieten. Ausgenommen sind Häuser mit bis zu fünf Wohnungen. Häuser, die bereits grundbuchlich in Einzeleigentum aufgeteilt sind, betrifft diese neue Regelung jedoch nicht.
js
Lesen Sie auch:
27.03.2022