Im Prinzip hat sich auf den Höfen der Mietwohngebäude in den letzten Jahrzehnten nichts verändert. Die Teppichklopfstangen sind zwar verschwunden, aber die Müllsammelbehälter sind geblieben. Geblieben ist auch viel zu oft die Unansehnlichkeit der Behälter und der Standplätze: Tonne neben Tonne, manchmal überdacht, manchmal umzäunt, aber meistens kein Hingucker. Kaum ein Platz, der seiner Bedeutung als Rohstoffsammelstelle gerecht wird.
Der Müll von heute ist der Rohstoff von morgen. Angesichts der Rohstoffverknappung und Klimadebatte müssen Müll und Müllvermeidung verstärkt in den Fokus – und den Mietern kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Je besser der Müll getrennt wird, desto umweltschonender und effektiver ist die Weiterverwertung. Die Aufgabenteilung ist bekannt: Der Mieter trennt den Müll, der Vermieter kümmert sich um die Gestaltung und Reinigung der Müllstandplätze, die Entsorger sind für die fachgerechte Sammlung einschließlich des reibungslosen Transports verantwortlich, und die Verwerter suchen nach Einsatzmöglichkeiten des Rezyklats – möglichst im Lande.
Zwei von vielen Möglichkeiten der Wiederverwertung: neue Müllbehälter aus Rezyklat und Verkleidungen für die Müllstandplätze. Letztere sind eine preiswerte Möglichkeit, bestehende Standorte aufzuwerten. Als Materialien kommen neben recycelten Kunststoffen auch Metall, Holz sowie Natur- und Kunststein zur Anwendung. Neue Formen wie Ellipsen oder Rondelle sorgen für Auflockerung.
Kleine Verbesserungen in Eigenregie
Einfache Gestaltungslösungen sind nach Zustimmung des Vermieters auch von Mietern in Eigenregie umsetzbar, zum Beispiel Pflanzkübel oder -kästen. Diese müssen natürlich gewartet, gelegentlich neu bepflanzt und vor allem sauber gehalten werden. Was nützt die schönste Gestaltung, wenn der Müll nicht in die Behälter, sondern daneben entsorgt wird? Pflanzkübel und -kästen dürfen den Transport der Müllbehälter natürlich nicht beeinträchtigen. In Zweifelsfällen hilft die Berliner Stadtreinigung (BSR) mit Ratschlägen – wie auch bei allen Problemen rund um die Müllentsorgung.
In Berlin kooperieren Mieter, Wohnungsbaugesellschaften und Entsorger bei der Gestaltung der Müllplätze. Ein Beispiel ist der Architektur-Wettbewerb „Der innovative Müllplatz“, das Motto: „Tonne Idee“. Ausgelobt von der BSR, dem Bund Deutscher Architekten, dem Entsorger Berlin Recycling und dem Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen, beteiligten sich 70 Architekten, Landschaftsplaner, Wohnungsbaugesellschaften, Hausverwaltungen, Künstler, Privatleute, Azubis und Studierende. Die Ergebnisse sind in einer Broschüre dokumentiert (siehe Link unten). Viele Lösungen laden zum Nachmachen ein. Susanne Hoffmann hat einen Kletterturm für den Müllplatz des Studentenwohnheims „Siegmunds Hof“ in Tiergarten entworfen, in dem die Müllbehälter „versteckt“ sind. In Neubauten kann ein Wirtschaftsgeschoss zu ebener Erde geplant werden, das auch als Platz für die Müllbehälter dient. Auch Kombinationen mit Fahrradabstellplätzen sind möglich.
Eine Entwicklung der BSR ist arc32, eine Vorrichtung, die 240-Liter Tonnen um 32 Grad nach vorn neigt. Die Einwurfhöhe wird so auf das barrierefreie Maß von unter 85 Zentimeter reduziert. Die Abfallentsorgung wird damit auch für Rollstuhlfahrer, Menschen mit Gehhilfen, kleine oder ältere Menschen einfacher. Ein weiterer Vorteil: Die Behälter bleiben immer am gleichen Platz, denn das Gestell ist fest verankert. Auch seheingeschränkte Menschen finden so leichter die richtige Tonne. Der arc32 ist mit einem eigenen Deckel versehen, der sich, von einem Schließarm geführt, beim Neigen der Tonne von selbst öffnet. Ruckartiges Zufallen wird durch einen Stoßdämpfer vermieden.
Unterfluranlagen sind im Trend
Mülleinwurfsäulen erleichtern den Senioren einer Wohnanlage der Wittenauer Wohnungsbaugenossenschaft in der Techowpromenade in Reinickendorf das Einwerfen. Die Behälter stehen unsichtbar unter den Säulen in unterirdischen Containern. Der Abfall der 1024 neuen Wohnungen in den Pepitahöfen in Spandau wird ebenfalls über sogenannte Unterflurbehälter mit Einwurfsäulen entsorgt, die gemeinsam mit der BSR geplant und errichtet wurden. Auch das Wohnungsunternehmen WBM setzt in den Hochhäusern auf der Fischerinsel auf BSR-Unterflursysteme – nicht zuletzt als Ersatz für die immer verschmutzten Müllschlucker. Geleert werden die unterirdischen Großbehälter mit Hilfe eines speziellen Kranfahrzeuges.
Die Charlottenburger Baugenossenschaft hat am Groß-Berliner Damm 150 in Adlershof 121 Wohneinheiten errichtet. Rund um die Anlage wurden 18 Unterflurliftanlagen platziert. Die Behälter lassen sich über eine Bediensäule von den Mietern per Knopfdruck ans Tageslicht holen – auf eine gewünschte Höhe, so dass auch Kinder und Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen sie leicht nutzen können. Mieter des Beamten-Wohnungsvereins zu Köpenick entsorgen ihren Müll ebenfalls mit Unterflurliftanlagen. Müllverwehungen oder Vandalismus an den Stellplätzen wird mit diesem System vorgebeugt, das Wohnumfeld wird aufgewertet. Rund 400 Unterflursysteme gibt es bereits in Berlin, weitere 400 kommen in den nächsten zwei Jahren dazu.
Unter dem Motto „Freestyle“ konnten bei dem Wettbewerb visionäre Ansätze für Einzelplätze oder ganzheitliche Entsorgungslösungen eingereicht werden. Rafael Gonzalez macht den Raum über den Abfalltonnen zum Treffpunkt für die Mieter. Solarkollektoren sorgen für Strom zur Beleuchtung des sogenannten MSP 17. Der Berliner Architekt Jens Milbach favorisiert Müllkomprimierer für Hausmüll, die den Abfall direkt in der Wohnung zu Müllkugeln komprimieren, die über die Kanalisation zur Kläranlage transportiert werden, wo sie herausgefiltert und zu Energie oder Wiederverwertbarem aufbereitet werden. Milbach: „Die besondere Ästhetik dieses Konzepts liegt in seinen Folgen für die Stadt und ihre Menschen, in den frei werdenden Räumen, die es schafft. Mit ihm können dort grüne Oasen entstehen, wo derzeit Müllstandplätze sind. Passé wäre auch das heute mit Abholung und Transport von Abfällen verbundene Verkehrs- und Lärmaufkommen.“ Vision oder Träumerei? Deutschland, des Öfteren als Weltmeister bei der Mülltrennung bezeichnet, hat bei der Gestaltung seiner Müllstandplätze noch Nachholbedarf.
Rainer Bratfisch
BSR-Tipp für Vermieter
„Für ein sauberes und attraktives Wohnumfeld sollten Sie immer auch Ihre Mieterinnen und Mieter mit ins Boot holen. Das zahlt sich für beide Seiten aus. Denn je geringer Ihr Aufwand für das Sauberhalten Ihrer Anlagen ist, desto geringer fallen die Betriebskosten aus. Das freut Ihre Mieterinnen und Mieter – und bringt Ihnen Punkte. Gleichzeitig tun Sie so etwas für den Umweltschutz und die Nachhaltigkeit. Denn das richtige Trennen von Abfällen leistet dazu einen großen Beitrag.“
Weitere Informationen:
Broschüre Architektur-Wettbewerb „Tonne Idee – Der innovative Müllplatz“:
www.bsr.de/assets/downloads/Broschuere_Architektur_Award_2017.pdf
23.11.2019