Am Klausenerplatz in Charlottenburg gibt es einen Verein, der sich seit mehr als zwei Jahrzehnten um Grünflächen kümmert, Weihnachtsmärkte und Sperrmülltage organisiert, ein Repair-Café initiiert hat und vieles mehr. MieterMagazin-Autorin Birgit Leiß traf den Mitbegründer Klaus Betz sowie Christian Bade von der AG Wohnumfeld und Verkehr in ihrem Kiezbüro.
MieterMagazin: Der Kiez wirkt mit seinen verkehrsberuhigten Straßen und den vielen kleinen Läden fast wie eine heile Welt. Wieso ist gerade hier seit so langer Zeit eine Stadtteilinitiative aktiv?
Klaus Betz: Ende der 1990er Jahre drohte der Kiez abzurutschen: Verslumung, Kriminalität, eine verfehlte Mietenpolitik – da hatte sich einiges aufgestaut. Auf mehreren Veranstaltungen wurde der Unmut über die Missstände deutlich, aber auch die Bereitschaft, etwas dagegen zu tun – und zwar auf Dauer. Trotzdem hätte ich nie gedacht, dass es uns 22 Jahre später immer noch gibt.
Christian Bade: Ich denke, man kann ohne Übertreibung sagen, dass wir zur positiven Entwicklung beigetragen haben. Unser Anliegen war von Anfang an, den Kiez um den Klausenerplatz zu einem Ort zu machen, in dem sich Menschen unterschiedlicher Generationen, Nationalitäten und Weltanschauungen wohl fühlen. Wir sind ein stabilisierender Faktor.
MieterMagazin: Sie haben ein eigenes Vor-Ort-Büro – für eine Stadtteilinitiative fast schon Luxus …
Klaus Betz: Das ist ein Überbleibsel aus den Zeiten als Sanierungsgebiet. Das Wohnungsunternehmen Gewobag, der größte Vermieter im Kiez, stellt uns die Räume mietfrei zur Verfügung. Ohne dieses Büro wären wir nicht so erfolgreich.
Christian Bade: Es ist eine wichtige Anlaufstelle für die Anwohner. Die Leute kommen rein, brauchen vielleicht Hilfe beim Ausfüllen eines Antrags oder haben Drogengeschäfte beobachtet. Wir können weitervermitteln, außerdem sind wir gut vernetzt und haben Kontakte zur Polizei, zum Grünflächenamt und anderen Stellen.
MieterMagazin: Sie stecken sehr viel ehrenamtliche Arbeit in den Verein. Wieso macht man das?
Klaus Betz: Aus Liebe zum Kiez. Bei mir sind es 20 bis 30 Stunden pro Woche. Inzwischen bin ich Rentner, da geht das. Lediglich von 2001 bis 2007 wurden wir vom Bezirksamt als eine Art „Quartiersmanagement light“ finanziell unterstützt.
MieterMagazin: Haben sich die Arbeitsschwerpunkte im Laufe der Jahre verändert?
Klaus Betz: Den Bereich Mieten haben wir abgegeben an den Mieterbeirat der Gewobag – der übrigens auch auf unser Betreiben hin gegründet wurde. Unsere Flüchtlingsinitiative ist inzwischen in einem eigenen Projekt aufgegangen. Und das Projekt Öko-Kiez, das eine Zeitlang als Klimaschutzprojekt gefördert wurde, war langfristig nicht so erfolgreich und ist weitgehend eingeschlafen.
Christian Bade: Nach wie vor aktuell ist die unbefriedigende Verkehrssituation. Obwohl der Kiez eine verkehrsberuhigte Zone ist, wird gerast. Aktuell kämpfen wir für eine verbesserte Planung des Umbaus der A 100, damit unser Kiez nicht mit Durchgangsverkehr belastet wird.
MieterMagazin: Was waren Ihre größten Erfolge, wo sind Sie gescheitert?
Klaus Betz: Dass wir seit 20 Jahren eine Zeitung für den Kiez machen, ist wohl einmalig und trägt zur Identifikation der Anwohner mit dem Quartier bei. Nicht gelungen ist die Integration von Migranten in den Verein.
Christian Bade: Unser größter Erfolg ist, dass der Verein schon so lange existiert und erfolgreich ist. Sehr beliebt ist der Flohmarkt zweimal im Jahr. Und natürlich das Kiezfest.
Klaus Betz: Allerdings brauchen wir dringend Nachwuchs. Die meisten der 20 Aktiven – insgesamt hat der Verein 80 Mitglieder – sind im Rentenalter. Junge Leute zu gewinnen, ist nicht einfach.
Zilles Kiez behutsam saniert
Das Altbauquartier zwischen Spandauer Damm, Schloß-, Knobelsdorff- und Sophie-Charlotten-Straße gilt als Paradebeispiel für eine mieterfreundliche Stadterneuerung. Der Architekt und spätere Altbau-Chef der Internationalen Bauausstellung 1987 (IBA), Hardt-Waltherr Hämer, setzte in den 1970er und 80er Jahren gegen den Willen des Sanierungsträgers Neue Heimat eine behutsame Stadterneuerung durch. Heute gehören etwa 60 Prozent der Wohnungen der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Gewobag. Seit 2020 ist der Klausenerplatz soziales Erhaltungsgebiet („Milieuschutzgebiet“). In dem Viertel fand Zille viele seiner Motive. Der berühmte Zeichner wohnte 40 Jahre lang in der Sophie-Charlotten-Straße 88.
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Das MieterMagazin stellt an dieser Stelle in lockerer Folge Nachbarschafts- und Quartiersinitiativen vor.
03.12.2021