Das Verwaltungsgericht Berlin hat eine mieterschützende Abwendungsvereinbarung für kündbar erklärt. Der Senat legt dagegen Beschwerde ein und zieht vor das Oberverwaltungsgericht.
Verhandelt wurde ein Fall aus der Neuköllner Jonasstraße 24. Die Käuferin des im Milieuschutzgebiet Körnerpark gelegenen Wohnhauses wollte sich nicht mehr an die Abwendungsvereinbarung mit dem Bezirksamt halten. Mit einer solchen Vereinbarung konnte ein Eigentümer den Vorkauf seines Hauses durch den Bezirk abwenden, indem er unter anderem zusagte, das Haus 20 Jahre lang nicht in Eigentumswohnungen umzuwandeln und keine Luxusmodernisierungen durchzuführen. Weil im November 2021 das Bundesverwaltungsgericht die Vorkaufspraxis im Milieuschutz gestoppt hatte, fühlen sich einige Eigentümer nicht mehr an die darauf beruhenden Abwendungsvereinbarungen gebunden.
In einem Eilverfahren hat das Verwaltungsgericht nun vorläufig entschieden, dass eine solche Vereinbarung zwar nicht nichtig ist, aber von der Eigentümerin gekündigt werden kann.
Die Entscheidung betrifft nur den konkreten Einzelfall, stellt aber alle Abwendungsvereinbarungen in Frage. Betroffen sind in Berlin 383 Häuser mit schätzungsweise 7500 Wohnungen. Der Senat ruft deshalb die nächsthöhere Gerichtsinstanz an. Dessen ungeachtet haben bis Anfang November 58 Vermieter den Bezirken gegenüber ihre Vereinbarungen aufgekündigt.
Der Berliner Mieterverein (BMV) fordert die Bezirke auf, die Abwendungsvereinbarungen mit Nachverhandlungen wasserdicht zu machen. Zudem appelliert er an die Hausbesitzer, die Verträge nicht zu kündigen: „Das wäre unsozial, denn den Eigentümerinnen und Eigentümern wird ja durch die Vereinbarungen nichts Unzumutbares auferlegt“, so BMV-Geschäftsführer Sebastian Bartels. Nicht zuletzt müsse die Bundesregierung das Vorkaufsrecht schnell wiederherstellen.
Jens Sethmann
04.12.2022