Leitsatz:
Folgende Klausel benachteiligt den Mieter unangemessen im Sinne von § 307 Absatz 2 Nummer 1 BGB und ist deshalb unwirksam: „Bei den fachgerecht auszuführenden Schönheitsreparaturen handelt es sich um folgende Arbeiten: Tapezieren, Anstreichen der Wände und Decken. Weiterhin Anstreichen der Innentüren sowie der Fenster, Balkontüren und Außentüren von innen sowie Anstreichen der Heizkörper einschließlich der Heizungsrohre sowie der Wasser- und Abwasserrohre sowie das Streichen der Holzdielenfußböden und Scheuerleisten – soweit vorhanden – mit ölhaltigen Farben (Alcydharzfarben) keinesfalls mit wasserlöslichen Farben (Acrylfarben).“
LG Berlin vom 20.12.2013 – 63 S 216/13 –
Mitgeteilt von RA Daniel Friedrichs
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Das Landgericht entschied, dass der Vermieter den Mieter nicht auf Grundlage der fraglichen Formularklausel auf Vornahme von Schönheitsreparaturen in Anspruch nehmen durfte. Denn die Klausel beschränke den Mieter unangemessen in der Möglichkeit, sich in der Mietwohnung nach seinem Geschmack einzurichten, ohne dass für eine so weitgehende Beschränkung ein anerkennenswertes Interesse des Vermieters zu erkennen sei. Die unzulässige Einschränkung des Mieters während der Mietzeit folge vorliegend daraus, dass es dem Mieter ausdrücklich verwehrt werde, die Anstriche an Fenstern, Türen, Heizkörpern und allen innen liegenden Rohren sowie auf Holzfußböden und Scheuerleisten mit Acrylfarben durchzuführen.
Die Einschränkung in der Klausel bei der Lackwahl beziehe sich nicht allein auf bestimmte Holzteile, bei denen – aufgrund einer vorhandenen transparenten Lackierung oder Lasur – eine Veränderung des Farbtons durch die Verwendung von Acrylanstrichen entweder überhaupt nicht mehr oder nur mit einem Eingriff in die Substanz der lackierten/lasierten Holzteile (Abschleifen) rückgängig gemacht werden könne. Denn für die Inhaltskontrolle einer mehrdeutigen Allgemeinen Geschäftsbedingung sei die kundenfeindlichste Auslegung, also diejenige maßgebend, die zur Unwirksamkeit der Klausel führe. Danach wären von der Einschränkung der Ausführungsart auch Heizkörper und -rohre betroffen, bei denen Substanzverletzungen durch Abschleifen des Voranstrichs nicht in Betracht kommen.
Ferner gelte das Verbot der Verwendung solcher Lacke bei der insoweit gebotenen mieterfeindlichsten Auslegung zu Lasten des Mieters hier nämlich auch dann, wenn unabhängig von der Art des vorhandenen Altanstrichs bei Holzteilen das Auftragen von wasserlöslichen Lacken durch Anschleifen des Altanstrichs als übliche und fachgerechte Vorarbeit, unproblematisch möglich sei. Ein anerkennenswertes Interesse des Vermieters für eine derartige Einschränkung des Gestaltungsfreiraums des Mieters bestehe jedoch nicht.
Das Landgericht hat zu dieser Frage die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.
Urteilstext
Tatbestand:
Die Kläger verlangen nach vom 01.07.2006 bis zum 31.07.2011 währenden Mietverhältnis die Rückzahlung der von ihnen in Höhe von 2.520,- EUR erbrachten Kaution. Die Beklagten rechnen hiergegen mit Ansprüchen wegen nicht durchgeführter Schönheitsreparaturen sowie Beschädigungen gemäß dem Kostenvoranschlag der Fa. S. vom 28.08.2011 in Höhe von 3.055,48 EUR auf.
In § 17 des Mietvertrags vom 03.07.2006 wird in Absatz 1 die Verpflichtung zur Durchführung von Schönheitsreparaturen dem Mieter auferlegt. In Absatz 2 heißt es:
„Bei den fachgerecht auszuführenden Schönheitsreparaturen handelt es sich um folgende Arbeiten: Tapezieren, Anstreichen der Wände und Decken. Weiterhin Anstreichen der Innentüren sowie der Fenster, Balkontüren und Außentüren von innen sowie Anstreichen der Heizkörper einschließlich der Heizungsrohre sowie der Wasser- und Abwasserrohre sowie das Streichen der Holzdielenfußböden und Scheuerleisten – soweit vorhanden – mit ölhaltigen Farben (Alcydharzfarben) keinesfalls mit wasserlöslichen Farben (Acrylfarben).“
Das Amtsgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, den Beklagten stünden aufrechenbare Gegenansprüche nicht zu. Die Überbürdung der Schönheitsreparaturen in § 17 des Mietvertrags sei unwirksam, weil sie für die Ausführung von Lackierarbeiten die Verwendung einer bestimmten Lackart, nämlich den Anstrich mit Kunstharzlacken vorgebe. Bei den vorgefundenen 149 Dübellöchern handele es sich angesichts der Wohnungsgröße von 150 m² auch nicht um eine Beschädigung; die behaupteten Flecken auf dem Küchenboden an den Stellen, wo sich Küchenmöbel befanden, stellen lediglich Spuren vertragsgemäßen Gebrauchs dar. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der diese geltend machen, § 17 des Mietvertrags sei wirksam; im Übrigen lägen durch die Kläger verursachte Beschädigungen vor.
Sie beantragen, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen
sowie ferner, die Revision zuzulassen.
Die Kläger beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Des Weiteren wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Im Übrigen wird von der Darstellung des Tatbestands gemäß § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 511 ff. ZPO zulässige Berufung führt in der Sache nicht zum Erfolg; sie ist unbegründet und war daher zurückzuweisen.
Den Beklagten stehen gegenüber dem Anspruch der Kläger auf Rückzahlung der Kaution weder aufrechenbare Ansprüche auf Schadensersatz wegen unterlassener Schönheitsreparaturen aus §§ 280, 281 Abs. 1 und 3 BGB noch solche wegen Beschädigung der Mietsache aus §§ 280, 241 BGB zu.
Die Kläger waren zur Durchführung von Schönheitsreparaturen nicht verpflichtet, so dass aus der Unterlassung derselben ein Anspruch auf Schadensersatz nicht hergeleitet werden kann. § 17 des Mietvertrags ist eine unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingung, denn sie benachteiligt den Mieter unangemessen (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB).
Sie beschränkt den Mieter unangemessen in der Möglichkeit, sich in der Mietwohnung nach seinem Geschmack einzurichten, ohne dass für eine so weitgehende Beschränkung ein anerkennenswertes Interesse des Vermieters zu erkennen ist (BGH v. 28.03.2007 – VIII ZR 199/06, WuM 2007, 259 = GE 2007, 717; zuletzt BGH v. 11.09.2012 – VIII ZR 237/11, WuM 2012, 662 = GE 2013, 54 m.w.N.). Die unzulässige Einschränkung des Mieters während der Mietzeit folgt vorliegend daraus, dass es dem Mieter ausdrücklich verwehrt wird, die Anstriche an Fenstern, Türen, Heizkörpern und allen innen liegenden Rohren sowie auf Holzfußböden und Scheuerleisten mit Acrylfarben durchzuführen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten bezieht sich die Einschränkung in der Klausel bei der Lackwahl nicht allein auf bestimmte Holzteile, bei denen – aufgrund einer vorhandenen transparenten Lackierung oder Lasur – eine Veränderung des Farbtons durch die Verwendung von Acrylanstrichen entweder überhaupt nicht mehr oder nur mit einem Eingriff in die Substanz der lackierten/lasierten Holzteile (Abschleifen) rückgängig gemacht werden kann (BGH v. 22.10.2008 – VIII ZR 283/07, WuM 2008, 722 = GE 2008, 1621). Denn für die Inhaltskontrolle einer mehrdeutigen Allgemeinen Geschäftsbedingung ist nicht nur im Verbandsprozess, sondern auch im Individualprozess von mehreren möglichen Deutungen die kundenfeindlichste Auslegung, also diejenige maßgebend, die zur Unwirksamkeit der Klausel führt (so: BGH v. 29.05.2013 – VIII ZR 285/12, WuM 2013, 478 = GE 2013, 997 in Abkehr der bisherigen Rechtsprechung). Danach wären von der Einschränkung der Ausführungsart auch Heizkörper und -rohre betroffen, bei denen Substanzverletzungen durch Abschleifen des Voranstrichs nicht in Betracht kommen.
Ferner gilt das Verbot der Verwendung solcher Lacke bei der insoweit gebotenen mieterfeindlichsten Auslegung (BGH a.a.O) zu Lasten des Mieters hier nämlich auch dann, wenn unabhängig von der Art des vorhandenen Altanstrichs bei Holzteilen das Auftragen von wasserlöslichen Lacken durch Anschleifen des Altanstrichs als übliche und fachgerechte Vorarbeit, unproblematisch möglich ist. Ein anerkennenswertes Interesse des Vermieters für eine derartige Einschränkung des Gestaltungsfreiraums des Mieters besteht jedoch nicht. Denn – anders als in dem der Entscheidung des BGH vom 22.10.2008 zugrundeliegenden Sachverhalt – bedarf es bei wechselnden Lackarten stets nur des An- nicht aber eines substanzverletzenden Abschleifens wie bei einer Lasur. Einer speziellen Sachkunde des Gerichts bedarf es für diese Auslegung nicht, weil die regelmäßig bestehende Notwendigkeit des Anschleifens des Untergrunds und des anschließenden Auftrags einer Grundierung vor einem Lackanstrich als notwendige Vorbereitung allgemein bekannt ist. …
07.07.2017