Pressemitteilung Nr. 19/2019
Zwar konnte dieses Mal der Berliner Mietspiegel 2019 dem steigenden Mietniveau auf dem Berliner Wohnungsmarkt ein Stück weit trotzen. Doch klar ist auch, dass der Berliner Wohnungsmarkt weiterhin angespannt bleibt und daraus weiterhin steigende Mieten resultieren werden. Eine dringend notwendige und umfassende Beschränkung von Mieterhöhungen wird selbst ein qualifizierter und rechtssicherer Mietspiegel nicht leisten können. Hierfür bedarf es weitergehender Instrumente.
Auch wenn die Mieten insgesamt nicht so stark angestiegen sind wie befürchtet, sieht der Berliner Mieterverein keinen Grund zur Entwarnung: „In einzelnen Segmenten sind wieder deutliche Mieterhöhungspotenziale gegeben und Mieter insbesondere in Wohnungen der Baualtersklassen bis 1918 müssen mit Mieterhöhungen rechnen“, so Wibke Werner, stellvertretende Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins.
Informationen zum Berliner Mietspiegel:
Der Berliner Mietspiegel 2019 zeigt ein etwas uneinheitliches Bild
Im Schnitt haben sich die Mieten um 5,2 % erhöht. Die Durchschnittsmiete stieg von 6,39 auf 6,72 Euro pro Quadratmeter. Bei dieser insgesamt recht moderaten Mietentwicklung stechen jedoch einzelne Tabellenfelder mit einer wiederum deutlichen Steigerung von über 10 %, beziehungsweise teilweise sogar über 20 % heraus. Das betrifft vor allem Wohnungen der Baualtersklasse bis 1918 sowie in Neubauwohnungen, die zwischen 2003 und 2017 bezugsfertig geworden sind.
Die Baualtersklasse bis 1918 weist insgesamt mit 7,7 % im Vergleich zu den übrigen Baualtersklassen den größten Mietanstieg auf. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Entwicklung der Oberwerte. Ausgehend von einem eh schon hohen Niveau steigen auch die Oberwerte in dieser Baualtersklasse zwar im Vergleich zum Vorjahr moderat aber deutlich stärker als in den anderen Baualtersklassen. Sie liegen jetzt nahezu flächendeckend über der 10-Euro-Grenze. Auffallend hoch sind die Oberwerte mit über 12 Euro pro Quadratmeter in den kleinen Wohnungen bis unter 40 Quadratmetern, die bis 1918 bezugsfertig wurden.
„Die hohen Oberwerte sind das Abbild teurer Mietvertragsabschlüsse. Ein beträchtlicher Teil der in die Erhebung eingeflossenen Neuvertragsabschlüsse dürfte unter Verstoß gegen die Mietpreisbremse vereinbart worden sein, die am 1.6.2015 in Berlin in Kraft getreten ist und damit mitten im Erhebungszeitraum für den Mietspiegel 2019 lag“, vermutet Wibke Werner.
Hohe Oberwerte sind oft die Berechnungsgrundlage der Vermieter
Hohe Oberwerte insbesondere im Altbau sind aus Sicht der Mieter problematisch. Vermieter beziehen sich bei Mieterhöhungen oft auf den Oberwert, ohne eine konkrete Einordnung der Wohnung in die Mietzinsspanne vorzunehmen. Solange sich die Mieterhöhung innerhalb der Mietzinsspanne hält und der Oberwert nicht überschritten wird, genügt das zwar formal für die Begründung einer Mieterhöhung. Die so ermittelte Miete entspricht aber oft nicht der ortsüblichen Vergleichsmiete für die konkrete Wohnung.
„Wir können daher nur dringend empfehlen, jede Mieterhöhung zu prüfen. Nach Zugang einer Mieterhöhung bleiben für die Prüfung volle zwei Monate Zeit“, so Wibke Werner. Der Berliner Mieterverein unterstützt Mieterinnen und Mieter mit der „Aktion Mietpreisüberprüfung“.
Die ortsübliche Vergleichsmiete ist nicht gleichzusetzen mit der Marktmiete
Für den Berliner Mietspiegel 2019 gilt wieder eine ¾-Spanne. Das bedeutet, dass in jedem Mietspiegelfeld nach der Extremwertbereinigung die mittleren 75 % aller erhobenen Mietwertdaten als allgemeine übliche Vergleichsmieten eingehen.
Durch die Spannenbreite werden die Unter- und Oberwerte eines Tabellenfeldes festgelegt. Dadurch wird gewährleistet, dass einige wenige überteuerte Mieten aus der Erhebung die Oberwerte nicht unverhältnismäßig nach oben treiben.
Immer wieder kritisieren einzelne Vermieterverbände diese Regelung und hätten lieber die Abbildung aller erhobenen Mietwerte im Mietspiegel gesehen, um somit höhere Oberwerte und damit größere Mieterhöhungsspielräume zu realisieren. „Die ortsübliche Vergleichsmiete soll aber eben nicht die Marktmiete abbilden, sondern stellt auch im Sinne der Befriedungsfunktion von Mietspiegeln eine eigene Größe dar, die es erfordert, die Abbildung der erhobenen Mietwertdaten mit einer ¾ Spanne zu begrenzen“, so Wibke Werner.
Nicht nur steigende Mieten – in einigen Baualtersklassen sinken die Mieten
Der Berliner Mietspiegel 2019 weist nicht nur steigende Mieten aus. Auffällig sind die teils sinkenden Mieten in den Baualtersklassen 1973 bis 1990 Ost sowie die Baualtersklasse 1965 bis 1972. Hier zeigen sich einerseits die positiven Auswirkungen der Kooperationsvereinbarung der städtischen Wohnungsunternehmen mit dem Berliner Senat. Denn ein Großteil der Wohnungsbestände dieser Baualtersklassen ist in städtischer Hand. Somit wirken sich in diesen Wohnungen die in der Kooperationsvereinbarung verankerten Begrenzungen der Mieterhöhungen aus. Bei den städtischen Wohnungsbaugesellschaften sind die Mieterhöhungen auf vier Prozent in zwei Jahren begrenzt und sie dürfen nach einer Modernisierung die Miete nur um sechs Prozent der modernisierungsbedingten Investitionskosten erhöhen. Außerdem halten sich die städtischen Wohnungsbaugesellschaften an die Mietpreisbremse, wonach bei einer Wiedervermietung die ortsübliche Vergleichsmiete um höchstens 10 % überschritten werden darf.
Die Änderung des Verfahrens zur Wohnlageneinordnung führt zu dämpfenden Effekten
Ein weiterer Grund für die sinkenden Mieten in einigen Baualtersklassen sind die Effekte aus der Änderung des Verfahrens zur Wohnlageneinordnung. Im Mietspiegel 2019 wurde erstmalig die Wohnlage flächendeckend für die gesamte Stadt geprüft und aktualisiert. Im Ergebnis hat fast jede vierte Adresse die Wohnlage gewechselt.
Dadurch wirkt sich insbesondere in den guten Wohnlagen der hohe Anteil der aus den mittleren Wohnlagen stammenden Wohnungsbestände mit niedrigeren Mieten bei der Miethöhe aus und schränkt insgesamt den Spannenraum des jeweiligen Mietspiegelfeldes ein. Eine Änderung des Verfahrens zur Wohnlageneinordnung war dringend geboten, um eine umfassende Überprüfung zu ermöglichen und das Verfahren nach wissenschaftlichen Kriterien zu objektivieren. „Die daraus resultierenden mietdämpfenden Effekte in diesem Mietspiegel dürften jedoch bereits im nächsten Mietspiegel wieder verpuffen“, befürchtet Wibke Werner.
Trotz des gedämpften Anstiegs im Mietspiegel keine Entwarnung für den Berliner Wohnungsmarkt
Der befürchtete erhebliche Anstieg der Mieten im Berliner Mietspiegel 2019 blieb diesmal aus. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Berliner Wohnungsmarkt angespannt bleibt und weiterhin steigende Mieten nach sich ziehen wird. Die bereits heute flächendeckenden Angebotsmieten von über 12 Euro pro Quadratmeter nettokalt innerhalb des S-Bahn-Rings werden nicht ohne Auswirkungen auf den nächsten Mietspiegel bleiben.
Auch werden die Angriffe auf den Mietspiegel nicht aufhören und Vermieter immer wieder versuchen, den Mietspiegel als Instrument zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete in Frage zu stellen.
Der Berliner Mieterverein sieht daher dringenden Handlungsbedarf:
- Mietspiegel müssen rechtssicherer werden durch eine Rechtsverordnung auf Bundesebene, die die Anforderungen an wissenschaftlich erstellte Mietspiegel definiert.
- In den Mietspiegel sind alle Mieten einzubeziehen und nicht nur die Mieten, die sich innerhalb der letzten vier Jahre geändert haben.
- Die Kappungsgrenzen für Mieterhöhungen sind flächendeckend auf maximal 2 % pro Jahr zu senken.
- Die Anforderungen an die Mieterhöhungserklärungen sind zu erhöhen, die Bezugnahme allein auf den Oberwert eines Mietspiegelfeldes darf nicht mehr genügen.
- Die Mietpreisbremse ist zu schärfen, Verstöße sind mit einem Bußgeld zu belegen.
- Mieterhöhungen nach einer Modernisierung sind mindestens auf 4 % der Investitionen zu beschränken und bei 1,50 Euro pro Quadratmeter innerhalb von 8 Jahren zu kappen.
- Die Einführung eines Mietendeckels sollte schnell vorangebracht werden. Denn selbst ein rechtssicherer und qualifizierter Mietspiegel kann den Mietenanstieg in der Stadt nicht so effektiv beschränken wie ein öffentlich-rechtliches Regelungsinstrument.
11.07.2019