Pressemitteilung Nr. 17/2015
Der BMV rät: Mieterhöhung und Miethöhe bei Wiedervermietung mit dem Mietspiegel prüfen
Der Berliner Mieterverein sieht die Mieter weiter unter Druck. „Wir erwarten nach Inkrafttreten des neuen Mietspiegels weitere Mieterhöhungen, denn die Mietspiegeloberwerte sind seit dem letzten Mietspiegel um 7,7 % gestiegen“, erklärte Mietervereinsgeschäftsführer Reiner Wild. Wegen der hohen Mieten bei neuen Mietverträgen gibt es im Verhältnis zu den üblichen Mieten weiterhin Ausreißer nach oben. Das hat trotz einer sinkenden Umzugsrate der Mieter weiterhin erheblichen Einfluss auf die Oberwerte der Mietzinsspanne der jeweiligen Mietspiegelfelder.
Besonders betroffen sind erneut die Altbauwohnungen, die bis 1918 bezugsfertig wurden und die Nachkriegsbauten der Jahrgänge 1950-1964. Hier stiegen die Oberwerte jeweils in 5 der 12 Mietspiegelfelder um mehr als 10 % gegenüber dem Mietspiegel 2013 an. Aber auch bei den Zwischenkriegsbauten und den Westberliner Wohnungen der Jahre 1973-1990 gibt es teilweise Mietspreissprünge. In kleinen Wohnungen bis 40 qm Größe und den Wohnungen im Ostteil der Stadt, bezugsfertig geworden zwischen 1973 und 1990, scheint hingegen bei Wiedervermietung die Miethöhe bei neuen Verträgen kaum noch erhöhbar zu sein.
Die Oberwerte der Mietspiegelfelder sind die Orientierung der Vermieter. Für die Begründung einer Mieterhöhung reicht es aus, wenn der Vermieter mit seinem Mieterhöhungsverlangen innerhalb der ausgewiesenen Mietzinsspanne liegt und den Oberwert nicht überschreitet. Ob mit der Mieterhöhung die tatsächliche ortsübliche Vergleichsmiete überschritten wird, interessiert die meisten Vermieter nicht. Ihnen reicht es, wenn die formalen Voraussetzungen erfüllt sind. Denn Strafe haben sie nicht zu erwarten.
Wenn sich Mieter gegen die Mieterhöhung wehren und beim Nachrechnen der „tatsächlichen ortsüblichen Vergleichsmiete“ auf einen niedrigeren Wert kommen, droht oft nur eine Teilzustimmung des Mieters und eine verringerte Mietsteigerung. „Damit Vermieter aber unrechtmäßige Mieterhöhungen nicht geschenkt bekommen, sollten Mieter nun unbedingt zukünftige Mietsteigerungen prüfen“, rät Wild. Mit der ab 1.6.2015 in Kraft tretenden Mietpreisbremse kann dann auch die mietvertraglich vereinbarte Miethöhe neuer Mietverträge einer Kontrolle unterzogen werden. Hier darf, von Ausnahmen abgesehen, die Miete die aus dem Mietspiegel ermittelte ortsübliche Vergleichsmiete um nicht mehr als 10 % übersteigen.
Die Änderungen gegenüber 2013 – mehr Anpassung durch weitere Mietsteigerungen bei bislang preiswerteren Wohnungen
Die Marktentwicklung in den letzten zwei Jahren seit Veröffentlichung des Mietspiegels 2013 lässt sich wie folgt charakterisieren:
1. Die Zahl der neuen Mietverträge hat sich entsprechend der geringeren Fluktuation auf dem Wohnungsmarkt auch im Mietspiegel niedergeschlagen. Diese verringerte Marktdynamik hat Einfluss vor allem bei den Altbauten. Die geringere Anzahl von hohen Wiedermietungsmieten wirkt sich dämpfend auf den Mittelwert aus. Der Anstieg ist im Vergleich zu 2013 geringer (2015 zu 2013: 3,5%, 2013 zu 2011: 12,9%). Da jedoch bei neuen Mietverträgen von der absoluten Höhe her auch weiterhin wegen der Marktanspannung und im Vorgriff auf die Mietpreisbremse deutlich mehr Miete verlangt wird (Anstieg 7,9 %, bei den Bestandsmieten hingegen „nur“ 5,2 % im Schnitt), steigen die oberen Spannenwerte mit 7,7 % gegenüber 2013 von 6,51 €/qm auf nunmehr 7,01 €/qm im Monat weiter überproportional an. Die Mittelwerte stiegen im Schnitt um 5,4 % von 5,41 €/m auf jetzt 5,84 €/qm monatlich an, die unteren Spannenwerte um 5,7 % von 4,72 €/qm auf 4,99 €/qm monatlich nettokalt.
2. In den einzelnen Wohnlagen gab es keine unterschiedliche Entwicklung:
In einfachen, mittleren und guten Wohnlagen steigt das Mietniveau gleichermaßen an. In den Baualtersklassen und den Größenklassen ist die Entwicklung der Mietspiegelmittelwerte jedoch heterogen. Der höchste prozentuale Anstieg findet sich bei den Zwischenkriegsbauten (1919-1949) mit 5,6 % bzw. 0,31 €/qm monatlich (2013 zu 2011: 7,2 %), der höchste absolute Anstieg mit 0,36 €/qm im Monat bei den Wohnungen mit einem Baualter von 1973 bis 1990 im Westteil der Stadt. Der geringste Anstieg wurde mit 3,5 % bei den Altbauten, bezugsfertig bis 1918, ermittelt. Allerdings liegt die durchschnittliche Miethöhe (Mittelwert) mit 5,89 €/qm im Monat bei den Altbauten weiter über dem gesamten Durchschnittswert (5,84 €/qm). Der Neubau, bezugsfertig 2003 bis 2013 ist mit 9,39 €/qm monatlich nettokalt mit deutlichem Abstand die teuerste Gruppe von Wohnungen. Mittelgroße Wohnungen mit 60 bis unter 90 qm verzeichnen mit 6,0 % den höchsten Anstieg, kleine Wohnungen mit einer Wohnfläche unter 40 qm den geringsten Anstieg (2,9 %, von 2013 auf 2011: 7,2 %). Gleichwohl ist mit 6,47 €/qm im Monat die durchschnittliche Mittelwertmiete bei kleinen Wohnungen unter 40 qm nach wie vor deutlich höher als die Miete bei mittelgroßen Wohnungen (40 bis unter 60 qm: 5,86 €/qm, 60 bis unter 90 qm: 5,62 €/qm/monatlich).
Forderungen des Berliner Mietervereins
„Der Berliner Mietspiegel 2015 belegt weiteren Handlungsbedarf. Neben einer effektiven Begrenzung der Miethöhe bei Wiedervermietung ist weiterhin eine verringerte Kappungsgrenze erforderlich“, so Wild. Zukünftig soll die Miete innerhalb von fünf Jahren, von Betriebskostenerhöhungen und Mietsteigerungen wegen Modernisierung abgesehen, um nicht mehr als 15 % steigen dürfen. Auch soll die Modernisierungsumlage gestrichen und durch einen befristeten Zuschlag in der ortsüblichen Miete für besonders effiziente energetische Modernisierungen ersetzt werden. Zu den Angriffen auf den qualifizierten Mietspiegel und den Anforderungen an rechtssichere Mietspiegel hat der Berliner Mieterverein eine gesonderte Stellungnahme verfasst, die dieser Pressemitteilung beigefügt ist (Stellungnahme des BMV zur Entscheidung des AG Charlottenburg vom 11.5.2015). Um eine weitergehende Rechtsunsicherheit zu vermeiden und die Befriedenswirkung des Mietspiegels bei Mieterhöhungen aufrecht zu erhalten, muss die Bundesregierung umgehend von der Ermächtigung Gebrauch machen, mit Zustimmung des Bundesrats eine Rechtsverordnung über die Inhalte und das Verfahren zur Aufstellung und Anpassung von Mietspiegeln zu erlassen. Die Rechtsgrundlagen für die verbindliche Beweiskraft des Mietspiegels zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete sind zu stärken.
Erheblicher Anstieg der Preise für Sondermerkmale
Das Berechnungsverfahren für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete wurde im Mietspiegel 2013 umgestellt. Ausgehend vom Mittelwert eines Mietspiegelfeldes sollen zukünftig zunächst die Sondermerkmale addiert oder subtrahiert werden. Zu dem so ermittelten €-Betrag kommt hinzu oder wird abgezogen, was bei der Spanneneinordnung mittels Orientierungshilfe als Abweichung vom Mittelwert sich ergibt. Insoweit durch Berücksichtigung der Sondermerkmale der Ober- oder Unterwert eines Mietspiegelfeldes noch nicht überschritten ist, bleibt diese Überschreitung auch durch die Kombination von Sondermerkmalen und zusätzlichen Merkmalen aus der Orientierungshilfe ausgeschlossen. Der Berliner Mieterverein hatte diese wichtige Änderung begrüßt, sie hat sich im Wesentlichen bewährt.
Allerdings sind die mittels Regressionsanalyse ermittelten Sondermerkmale, die nach Baualter separat ausgewiesen werden, im Verhältnis zu 2013 teilweise massiv angestiegen. Beispielsweise liegen die Aufschläge für eine moderne Küchenausstattung je nach Gebäudealter zwischen 0,42 €/qm und 1,37 €/qm im Monat. Der Anstieg beträgt zwischen 37 % und 100 %! Auch beim hochwertigen Fußbodenbelag ist der Anstieg gravierend, er beträgt gegenüber 2013 zwischen 60 % und 125 %. In absoluter Höhe können nun Zuschläge zwischen 0,46 €/qm und 1,10 €/qm im Monat von Vermietern realisiert werden. Kämen im Altbau, bezugsfertig bis 1918, alle Sondermerkmale zur Anwendung, so würde sich die Mittelwertmiete noch einmal um 3,82 €/qm erhöhen. Das erscheint auch bei richtiger Berechnung des Forschungsinstituts nur bedingt plausibel. In den meisten Mietspiegelfeldern dieser Baualtersgruppe kommen derartige Miethöhen gar nicht vor, mit Ausnahme der Felder in einfacher Wohnlage, wo dieser Ausstattungsstandard aber unplausibel ist. Der Berliner Mieterverein wird sich daher beim Mietspiegel 2017 für eine Änderung bei den Sondermerkmalen einsetzen.
Bei den sonstigen Merkmalen, zu ermitteln über die Orientierungshilfe der Spanneneinordnung, gab es gegenüber 2013 keine wesentlichen Änderungen. Ohnehin ist die Bedeutung dieser Merkmale wegen der neuen Berechnungsart (siehe oben) seit 2013 geschrumpft.
Berliner Mietspiegel 2015 ist qualifiziert
„Es kann nicht angehen, dass bei jeder Mieterhöhung ein Vermieter mit den „billigsten“ und haarsträubendsten Argumenten den Status des Mietspiegels angreifen kann und dann ein Richter mit Hilfe eines einzigen, vielleicht sogar fragwürdigen Gutachters ohne Anhörung der Mietspiegelersteller in sachlich und fachlich vollkommen unzureichender Art und Weise ein so wichtiges Instrument der Befriedung von Mietstreitigkeiten wie den qualifizierten Mietspiegel aushebeln kann“, so Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins.
Sowohl beim Verfahren vor dem Amtsgericht Charlottenburg (Az 235 C 133/13) wie auch beim Verfahren vor dem Berliner Landgericht (Az 63 S 220/11) haben die Richterinnen – was die Anwendung der statistischen Methoden betrifft – vom Gutachten des Dortmunder Statistikprofessors W. Krämer einzig die Kritik an der Extremwertbereinigung für die Bewertung, der Berliner Mietspiegel sei im gesetzlichen Sinne nicht qualifiziert, übernommen. Alle andere Argumente des Gutachters hielten selbst diese beiden Richterinnen offenbar nicht für tragfähig als Kritik am Mietspiegel.
Aber auch die Extremwertbereinigung ist nicht geeignet, den Status des Berliner Mietspiegels als qualifizierten Mietspiegel anzugreifen:
- Der Berliner Mietspiegel 2013 hat 84 Felder. Die Bewertung der herausgefilterten Extremwerte lediglich an einem einzigen Mietspiegelfeld zu beurteilen, wie in den o.g. Gerichtsverfahren geschehen, ist fahrlässig, unseriös und wissenschaftlich absolut unhaltbar.
- Für den Berliner Mietspiegel 2015 wurde der Test gemacht. Das vom Gutachter Krämer kritisierte Verfahren der Extremwertbereinigung beim Berliner Mietspiegel 2013 (97,5 %iges Vertrauensintervall) wurde auch für den Berliner Mietspiegel 2015 wieder geprüft. Danach würden 290 Extremwerte eliminiert, die für die Spannenbildung im Mietspiegel unberücksichtigt blieben. Dann wurde das vom Gutachter Krämer als einzig mögliche Verfahren der Extremwertberechnung, die Bildung des Interquartilsabstands (Boxplot-Methode), geprüft. Das Ergebnis erstaunt: Nach dieser angeblich einzigen Methode, die den wissenschaftlichen Anforderungen der Statistik gerecht würde, mussten 468 Extremwerte herausgeworfen, also 60 % mehr als bei der 2013 verwandten Methode mit Vertrauensintervall. Der Vorwurf, beim Berliner Mietspiegel würden Mietwerte künstlich heruntergerechnet, entbehrt also jeglicher Grundlage und wirft ein bezeichnendes Licht auf das „Gutachten“ des Statistikprofessors. Auf das jahrelange FDP-Mitglied Krämer fällt der Vorwurf der politischen Manipulation selbst zurück.
- Gleichwohl wurde für den Berliner Mietspiegel 2015 nun die Methode des Interquartilsabstands übernommen, jedoch mit der wesentlichen Abänderung einer 0,50 € Abstandsregel, die man im Prinzip auch bei der Vertrauensintervall-Methode hätte vornehmen können. Im Berliner Mietspiegel 2015 wurden nur noch 153 Extremwerte eliminiert.
Die Schlussfolgerungen aus dem Streit um die Extremwertbereinigung sind eindeutig:
Es gibt keine Methode, die für alle Mietspiegelfelder eine gleichermaßen sinnvolle Extremwertbereinigung ermöglicht. Da aber ein einheitliches Verfahren für alle Felder angewandt werden muss, um nicht dem Vorwurf der Willkür ausgesetzt zu sein, müssen die vorhanden statistischen Methoden ergänzt und auf die unterschiedliche Mietenverteilung in den Feldern ausgerichtet werden. Das geht mit dem Vertrauensintervall (Mietspiegel 2013) ebenso wie mit der Methode des Interquartilsabstands.
Zwei weitere Kritikpunkte der Richterinnen beziehen sich auf die wissenschaftlich empirischen Grundlagen. So soll – wiederum auch laut Gutachter Krämer – die Wohnlageneinteilung wissenschaftlich falsch sein (AG Charlottenburg) und die geringe Rücklaufquote von Mietern bei der Befragung den Anforderungen an eine Repräsentativität nicht erfüllen (LG Berlin). Auch diese Kritik ist unzutreffend.
Der Berliner Mieterverein hält die Kritik der Vermieterverbände Haus & Grund und BFW am Mietspiegel 2015, mit der sie das Nichtanerkennen begründen, für vorgeschoben. Man schlägt den Berliner Mietspiegel und seine Erstellung und meint die Mietpreisbremse. Es wird nun in Ruhe zu prüfen sein, ob in Zukunft mit diesen Verbänden noch eine sachgerechte Mietspiegelerstellung möglich ist.
Weitere Informationen zum Berliner Mietspiegel finden Sie unter
BMV-Infos zum Berliner Mietspiegel 2015
18.05.2015