Pressemitteilung Nr. 25/2015
„Das aktuelle Urteil der 63. Kammer des Berliner Landgerichts wie auch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21. November 2012 in derselben Sache zeigen, dass dringender gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht, um die zumeist von den Kommunen finanzierten Mietspiegel zu schützen und um den Mietern bei Mieterhöhungen eine Prüfmöglichkeit zu erhalten“, erklärt der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild. Die 63. Kammer des Landgerichts (LG Berlin, 63 S 220/11) hatte in einer heute bekannt gewordenen Begründung eine Mieterhöhung über den Berliner Mietspiegel 2009 hinaus für rechtlich zulässig erklärt und dem Berliner Mietspiegel 2009 den Status der Qualifiziertheit abgesprochen. Der Berliner Mieterverein verweist darauf, dass diese Entscheidung zwar unmittelbar keine Konsequenz für andere Mieter mehr habe, weil sie sich auf den Mietspiegel aus dem Jahr 2009 bezieht und die Mieterhöhungen aus dem Wirkungszeitraum dieses Mietspiegels „alle durch“ sind, doch muss damit gerechnet werden, dass die Kammer bei noch anhängigen Streitigkeiten zum Mietspiegel 2013 ähnlich urteilt. „Das Urteil sorgt für Verwirrung und Verunsicherung, nachdem zwei frühere Urteile der 18. und der 67. Kammer des Landgerichts Berlin (18 S 411/13 und 67 S 120/15) die Anwendung des Mietspiegel 2013 zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete bestätigten“, so Wild.
Das Urteil der 63. Kammer des Landgerichts war die erwartbare Konsequenz aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs von 2012, von dem die Streitigkeit an die 63. Kammer zurückverwiesen wurde, und der Beauftragung eines Sachverständigen, der für seine umstrittenen Bewertungen von Mietspiegeln bekannt war und dem Berliner Mietspiegel in haarstäubend schlechten Gutachten den Status „qualifiziert“ absprach. Beide Urteile zeigen Absurditäten des Mieterhöhungsverfahrens auf, die eine dringende Gesetzesänderung des Bundesgesetzgebers erforderlich machen. Der Berliner Mieterverein fordert daher eine Rechtsverordnung zur Aufstellung von Mietspiegeln, für die die Ermächtigung bereits vorliegt.
An folgenden Punkten gibt es gesetzgeberischen Handlungsbedarf:
1. Die Hürden für Angriffe auf den Mietspiegel müssen erhöht werden.
In der Regel haben nur Vermieter ein Interesse daran, Mietspiegel zu entkräften, weil ihre über den Mietspiegel hinausgehenden Miethöheforderungen mittels Gutachten bestätigt werden können. Um einen Mietspiegel in seinem Status zu erschüttern, bedarf es eines substantiierten Vortrags. Der Bundesgerichtshof (BGH, VIII ZR 46/12) hatte aber bereits den simplen Vortrag eines Vermieters, für die in einem „beliebten Innenstadtgebiet“ (Torstraße in Mitte) gelegen streitbefangene Wohnung seien deutlich höhere Mieten als der Oberwert des maßgeblichen Mietspiegelfeldes einfacher Wohnlage erzielbar, als ausreichend bewertet, um die Qualifiziertheit des Mietspiegels in Zweifel zu ziehen. Das ist absurd, weil die ortsübliche Vergleichsmiete eben nicht nur aus zu diesem Zeitpunkt noch nicht durch Mietspiegel begrenzten Miethöhen bei Wiedervermietung gebildet wird und weil selbst eine möglicherweise fehlerhafte Wohnlageeinsortierung einer Adresse bei mehr als 300.000 Adressen dem Mietsspiegel keinen qualifizierten Status absprechen kann.
2. Die Beweislast muss anders geregelt werden.
Nach der Rechtsprechung des BGH muss der Mieter beweisen, dass der Mietspiegel nach anerkannten wissenschaftlichen Methoden erstellt wurde, selbst wenn die Richter in nur fadenscheinigen und irrelevanten Argumenten des Vermieters einen substantiierten Vortrag zur Erschütterung des Mietspiegel sehen. Der Mieter soll daher offenbar mehr leisten müssen, als im begleitenden Endbericht des Forschungsinstituts festgehalten ist. Auch das ist absurd. Wenn, wie im konkreten Fall, dem Mieter durch richterlichen Beweisbeschluss ein Gutachten abgeliefert wird, was aus Sicht des Mieters nicht hinnehmbar ist, müsste dieser ein eigenständiges Zweitgutachten in Auftrag geben, für das mit Sicherheit ein fünfstelliger Eurobetrag fällig wäre und von dem er noch nicht einmal annehmen könnte, dass die Richter diesen ergänzenden Beweis überhaupt annehmen würden.
3. Die Kostenlast muss beschränkt werden.
Im vorliegenden Fall ging es um eine Mieterhöhung von 60,- Euro monatlich. Am Ende entstanden dem betroffenen Mieter Kosten geschätzt von fast 10.000 Euro, vor allem durch die Gutachten, die der BGH und das Landgericht für erforderlich hielten.
Fazit: „Mietspiegel müssen rechtssicherer werden. Es muss klargestellt werden, dass die Richter im Streit um die Miethöhe den Mietspiegel verwenden müssen, wenn dieser gesetzliche oder durch Rechtsverordnung des Bundes näher bestimmte inhaltliche Anforderungen erfüllt“, so Wild. „Zur weiteren Rechtssicherheit ist eine Zertifizierung der Mietspiegel denkbar“.
06.07.2017