Pressemitteilung Nr. 14/17
Der neue Berliner Mietspiegel 2019 ist erschienen:
Berliner Mietspiegel 2017 weist massiven Mietenanstieg aus
Um 9,4 % sind die Mieten im Schnitt seit dem Mietspiegel 2015 gestiegen – ein Anstieg weit über dem allgemeinen Berliner Lebenshaltungskostenindex. Noch gravierender ist der Sprung bei den Oberwerten der Mietspiegelspanne. Hier bildet der Mietspiegel eine Erhöhung um 17,4 % ab, der Rahmen für die Mieterhöhungen von morgen. Denn die Mieterhöhungen dürfen ohne Nachweis von Merkmalen mit dem Oberwert der Mietspiegelspanne begründet werden. Prüfen Mieter nicht die konkrete ortsübliche Vergleichsmiete, zahlen sie mit hoher Wahrscheinlichkeit zu viel. Daher setzt der Berliner Mieterverein sein Aktion Mietpreisüberprüfung für alle Berliner Mieter fort. Hinter diesem eklatanten Anstieg stehen vor allem modernisierungsbedingte Mietsteigerungen und die Miethöhen neuer Vertragsabschlüsse der letzten Jahre. Besonders ärgerlich: In den Mietspiegel fließen auch Mieten ein, mit der die gesetzliche Kappung der Mietpreisbremse umgangen wurde.
Den Vermieterverbänden Haus & Grund sowie BFW war auch dieser Mietenanstieg zu wenig. Sie wollten den Oberwert durch Ausweitung der Spanne um weitere 4 % steigen lassen, scheiterten aber am Widerstand der Mietervereine und Senatorin Lompscher. Der neue Mietspiegel zeigt auch die Schwäche des bestehenden Mietpreisrechts auf angespannten Wohnungsmärkten. Der Berliner Mieterverein fordert daher eine rasche Initiative Berlins im Bundesrat, um die Kappungsgrenze zu senken, die Begründung von Mieterhöhungen zu verschärfen, die Mietpreisbremse von Ausnahmen zu befreien und für Mieter nutzbar zu machen, die Regeln für die Mietspiegelerstellung gesetzlich zu fassen und die modernisierungsbedingten Mietsteigerungen zu kappen.
Die Sorge der Mieter um den Erhalt ihres Mietverhältnisses ist nicht unbegründet, denn aufgrund des aktuell erheblichen Nachfrageüberhangs auf dem Wohnungsmarkt durch die Zuwanderung fließen immer mehr teurere Mieten aus der Wiedervermietung in den Mietspiegel ein, trotz Mietpreisbremse. In den innerstädtischen Quartieren liegen nach neuesten Erhebungen die Angebotsmieten im Schnitt zwischen 9,- und 10,50 €/qm nettokalt im Monat. Die Befürchtung und Erwartung hat sich nunmehr beim Mietspiegel 2017 erfüllt. Vor allem die hohen Mieten bei Wiedervermietung schlagen jetzt auch auf die Mieten in den bestehenden Mietverhältnissen durch.
Von 5,84 auf 6,39 €/qm monatlich nettokalt ist die Miete im Berliner Mietspiegel 2017 zum Stichtag 1. September 2016 gegenüber 1.9.2014 gestiegen, was einen Anstieg von 9,4 % ausmacht. In guten Wohnlagen stieg der Mittelwert um 0,85 €/qm im Monat auf 7,41 €/qm, ein Anstieg um 13 % gegenüber 2015. Bei der Baualtersbetrachtung ergibt sich ebenfalls ein differenziertes Bild. Der relative Anstieg ist mit 13,1 % in zwei Jahren bei den Altbauten, die bis 1918 bezugsfertig wurden, mit weitem Abstand am höchsten. Im Schnitt erhöhten sich die Nettokaltmieten um 0,77 €/qm auf 6,66 €/qm seit 2015. Hier sind potentiell mehr als 400.000 Haushalte betroffen. Absolut hingegen stiegen die Mieten in den neuesten Neubauten, bezugsfertig von 2003 bis 2015, mit 0,82 €/qm auf jetzt 10,20 €/qm, was 8,7 % ausmacht, am stärksten.
Bei den Wohnungsgrößenklassen sind die Differenzen im Mietenanstieg nicht so groß. Bei kleinen (unter 40 qm Wohnfläche) und großen (über 90 qm Wohnfläche) Wohnungen war der Mietenanstieg mit mehr als 11 % in zwei Jahren um rund 0,15 bis 0,20 € bzw. 2 % höher bei den mittelgroßen Wohnungen.
Auf Empfehlung von Wissenschaftlern wird im Mietspiegel nun der Median abgebildet. Wäre die Arbeitsgruppe Mietspiegel beim Senat beim bisherigen Berliner Mittelwert (Median + arithmetisches Mittel durch 2) geblieben, wären noch höhere Mieten als Mittelwerte ausgewiesen.
Der Streit um die Spanne – Spannenoberwerte als Maßstab bei der Begründung von Mieterhöhungen
Für den Berliner Mietspiegel 2017 gilt jetzt eine ¾-Spanne. Das bedeutet, dass in jedem Mietspiegelfeld nach der Extremwertbereinigung die mittleren 75 % aller erhobenen Mietwertdaten als allgemeine übliche Vergleichsmieten eingehen. Mit der Spannenbreite bestimmen sich dann die Unter- und Oberwerte. Die von den Vermieterverbänden Haus & Grund sowie BfW mindestens geforderte 4/5-Spanne hätte dann zur Folge, dass die Spannenoberwerte gegenüber 2015 im Schnitt um 1,50 €/qm monatlich oder 21,4 % angestiegen wären. Mit der vom Berliner Mieterverein geforderten und von Senatorin Lompscher beschlossenen 3/4-Spanne steigen die Spannenoberwerte „nur“ um 17,4 % von 7,01 €/qm in 2015 auf jetzt 8,23 €/qm. Bis 2015 gab es im Berliner Mietspiegel eine variable Spanne für jedes Mietspiegelfeld zwischen 2/3 und ¾ aller Mietwerte, je nach Streuungsbreite der Mietwerte. Diese variable Spanne wurde bei den Statistik-Experten skeptisch bewertet und sollte daher für den Mietspiegel 2017 beseitigt werden. Da nun auch eine Überschreitung der Spannenoberwerte in 2017 nicht mehr möglich ist, waren die Mieterverbände zu einer Abkehr von der variablen 2/3 bis ¾-Spanne auf die durchgängige 3/4-Spanne bereit. Der Oberwert der Mietspiegelspanne bildet den Rahmen für die Mieterhöhungen von morgen. Denn die Mieterhöhungen dürfen ohne Nachweis von Merkmalen mit dem Oberwert der Mietspiegelspanne begründet werden. Prüfen Mieter nicht die konkrete ortsübliche Vergleichsmiete anhand der Orientierungshilfe zur Spanneneinordnung, zahlen sie mit hoher Wahrscheinlichkeit zu viel. Hinter der Anhebung des Oberwertes stecken daher massive ökonomische Interessen.
Der Berliner Mietspiegel ist qualifiziert
Unabhängig von der nicht erteilten Zustimmung zum Mietspiegel 2017 durch zwei Vermieterverbände ist der Berliner Mietspiegel qualifiziert, da er als solcher vom Senat erlassen und anerkannt wurde. Zudem haben bis auf eine Kammer des Landgerichts auch in den bisherigen Mietspiegel eine geeignete Schätzgrundlage zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete gesehen. Trotz aller Vermieterangriffe auf den Mietspiegel ist der Berliner Mietspiegel weiterhin für die Mieter ein geeignetes Kontrollinstrument zur Prüfung von Mieterhöhungen.
Fazit des Berliner Mietervereins
Immer mehr Mieter fürchten um Ihre Wohnung. Wenn Mieterhöhungen bis zum Oberwert der Mietspiegelspanne oder gar darüber verlangt werden, dann wird für breite Schichten der Berliner Bevölkerung die steigende Mietbelastung zu einer massiven Bedrohung des Lebensmittelpunktes. Für Haushalte mit niedrigem Einkommen werden sie gar zum Armutsrisiko. Der erhebliche Mietenanstieg ist eine deutliche Einschränkung des Lebensstandards. Die Mietbelastung durch die Bruttokaltmiete lag schon 2014 laut Mikrozensus bei 28 %. Nur in wenigen Fällen ist der Mietenanstieg mit einer nachvollziehbaren Wohnwertsteigerung verbunden. Wenn der Deutsche Bundestag in dieser Legislatur mit der Mehrheit von CDU/CSU und SPD nicht in der Lage ist, den Mieterschutz auf angespannten Wohnungsmärkten deutlich zu verbessern, dann muss wenigstens der Bundesrat noch ein Fanal für die nächste Bundesregierung setzen. Der Berliner Mieterverein schlägt der Berliner Landesregierung eine Bundesratsinitiative vor, mit der erstens die Mieterhöhungen durch eine verbesserte Kappungsgrenze von 10% in 5 Jahren in Gebieten mit erhöhtem Wohnbedarf klar beschränkt werden, zweitens die Begründung von Mieterhöhungen eine Überschreitung des Mietspiegelmittelwertes nur zulässt, wenn die Abweichung zwingend im Mieterhöhungsschreiben durch entsprechende Merkmale nachgewiesen ist, drittens die modernisierungsbedingten Mieterhöhungen auf annähernd warmmietneutrale Energieeinsparungen beschränkt werden, viertens die Mietpreisbremse durch Streichung von Ausnahmen nachgebessert wird und der Mieter bei Vertragsabschluss Klarheit über die preisrechtlich zulässige Miete erhält sowie ggf. überhöhte Mieten vom Beginn des Mietverhältnisses an zurückerstattet bekommt und fünftens ein Verstoß gegen die Mietpreisbremse gemäß Wirtschaftsstrafgesetz mit einer Ordnungsstrafe von 50.000 Ejuro belegt werden kann.
Die Verschärfung des Mietrechts ist erforderlich, weil nicht absehbar ist, dass alsbald durch erheblich ansteigenden Neubau von Sozialwohnungen es zu einer Entspannung auf dem Wohnungsmarkt auch für Haushalte mit mittlerem und niedrigem Einkommen kommen wird.
Aktion Mietpreisüberprüfung
Gerade wegen des überproportionalen Anstiegs der Spannenoberwerte sollten Mieter trotz der demotivierend erscheinenden Ausgangslage Ihre Miete überprüfen, sei es bei Anmietung einer neuen Wohnung oder nach Erhalt einer Mieterhöhung. Denn jede ungeprüft gezahlte Miete wird einen weiteren Mietenanstieg befördern. Auf der Internetseite des Berliner Mietervereins kann sich jeder Berliner Mieter kostenfrei an der Aktion beteiligen. http://www.berliner-mieterverein.de/aktuell/aktion-mietpreisueberpruefung-mietpreisbremse-nutzen-bei-neuem-mietvertrag.htm
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