Leitsätze:
1.Erlaubt ein Neubau auf dem Nachbargrundstück dessen Bewohnern den Einblick in das Bad sowie in den Schlaf- und Wohnraum des Mieters, liegt ein zur Mietminderung berechtigender Mangel vor (hier: 10 Prozent).
2. Zur Frage, welche Darlegungslast den Mieter trifft, wenn er wegen Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück die Miete mindern will.
3. Die Mietminderung ist sowohl für die Vergangenheit als auch für die Zukunft ausgeschlossen, wenn ein Mieter nach Bezug der Mieträume einen Mangel feststellt und danach die Miete über einen längeren Zeitraum, in der Regel sechs Monate, vorbehaltlos weiterzahlt.
4. Es ist kein erheblicher Mangel im Sinne des § 537 Abs. 1 Satz 2 BGB, wenn Mieter den Parkplatz der Wohnanlage mit überhöhter Geschwindigkeit befahren.
LG Berlin, Urteil vom 5.4.01 – 67 S 344/00 –
Mitgeteilt von RA Martin Winkler
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
… a) Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist den Beklagten aber auch für den Zeitraum ab Juli 1997 eine weitere Minderung auf Grund der Tatsache zuzubilligen, dass nach Fertigstellung eines Neubaus von sechs Stadtvillen auf dem Nachbargrundstück S-Straße eine Einsicht von diesen Gebäuden in den Bad-, den Schlaf- und den Wohnraum der Beklagten möglich ist. Die Beklagten haben zur Verdeutlichung ihres Vortrags im zweiten Rechtszug Fotografien vorgelegt, aus denen erkenntlich ist, dass sich das Nachbargebäude wenige Meter von ihrer Wohnung entfernt befindet und die Fenster dieses Gebäudes zum Teil höher liegen, so dass aus diesen eine schräge Sicht von oben in ihre Räumlichkeiten, so zum Teil in das Badezimmer möglich ist. Es liegt auf der Hand, dass derartige Sichtverhältnisse einen Mieter unzumutbar in seiner ungezwungenen Lebensführung beeinträchtigen und daher einen Mangel der Mietsache im Sinne von § 537 Abs. 1 Satz 1 BGB darstellen. Der Mangel kann nicht mit dem Argument verneint werden, dass ein Mieter unter großstädtischen Verhältnissen immer damit rechnen müsse, dass ein Nachbargrundstück bebaut werde und er deshalb mit einer Beeinträchtigung der Sichtverhältnisse rechnen müsse. Denn hier ist die Besonderheit gegeben, dass sich vorher auf dem Nachbargrundstück ein kleines Haus befunden hat, von dem aus ein Einblick in die im zweiten Obergeschoss gelegene Wohnung nicht möglich war. Ein Mieter muss bei Vertragsschluss nicht damit rechnen, dass ein Haus abgerissen wird und an dessen Stelle ein anderes Gebäude errichtet wird, von dem aus unmittelbare und ungehemmte Blicke in seine alltäglichen Lebensgewohnheiten möglich sind.
Daraus ergeben sich folgende Minderungsbeträge:
Juli 1997 bis Januar 1998: 1509,22 DM x 10 % = 150,92 DM
Februar 1998 bis April 1999: 1582,24 DM x 10 % = 158,22 DM
Mai 1999: 1655,26 DM x 10 % = 165,53 DM
b) Dagegen kommen weitere Minderungen nicht in Betracht. Insbesondere können sich die Beklagten nicht darauf berufen, dass die Benutzung ihrer Terrasse durch Lärm, Staub und Schmutz beeinträchtigt war, der von den Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück ausging, und ihnen deshalb eine Minderung von 5 % der Nettomiete zustünde. Die Beklagten tragen selbst vor, dass die Kläger ihnen für den Zeitraum vom Beginn der Bauarbeiten an den sechs Stadtvillen im Dezember 1996 bis zur Beendung der Arbeiten im Januar 1998 eine freiwillige Minderung von 15 % gewährt haben. Diese Minderung umfasst nach Auffassung der Kammer sämtliche Beeinträchtigungen, die die Beklagten während der Bauarbeiten durch Schmutz, Lärm und Staub zu ertragen hatten. Bei dieser Minderungsquote kann nicht danach differenziert werden, in welcher Form und in welchem Ausmaß sich die Beeinträchtigungen in dem räumlich-gegenständlichen Bereich der Mietwohnung bemerkbar machten. Sofern die Beklagten geltend machen wollen, dass ihnen insgesamt eine höhere Minderungsquote, nämlich 20 % zusteht, hätte es einer eingehenden und substantiierten Darstellung der innerhalb der Wohnräume und auf der Terrasse spürbaren Beeinträchtigungen bedurft. Es werden damit auch keine überzogenen Anforderungen an die Darlegungslast gestellt. Denn die Frage, in welchem Umfang Bautätigkeit auf einem Nachbargrundstück zu Lärm-, Schmutz- und Staubbelästigungen führt, lässt sich nicht allgemein beantworten. Je höher die Minderungsquote ist, die ein Mieter in Anspruch nimmt, um so intensiver müssen die Beeinträchtigungen sein, denen er sich ausgesetzt sieht. Das Ausmaß der Beeinträchtigungen kann nur er selbst schildern.
c) Die von den Beklagten geltend gemachten Klopfgeräusche in der Heizungsanlage rechtfertigen keine Minderung gemäß § 537 Abs. 1 Satz 1 BGB. Denn die Minderung ist in analoger Anwendung von § 539 BGB ausgeschlossen. Bei den Klopfgeräuschen handelt es sich um Mängel, die schon seit Beginn des Mietverhältnisses am 1.5.1994 bestanden haben müssen. Die Beklagten müssen sie demnach in der ersten Heizperiode vom 1.10.1994 bis zum 30.4.1995 bemerkt haben. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagten, nachdem sie diese Geräusche bemerkt haben, sie den Klägern mitgeteilt und sich ihre Rechte in Bezug auf eine Minderung vorbehalten haben. Soweit ersichtlich, haben die Beklagten diesen Mangel erstmals mit Schreiben vom 8.10.1996 angezeigt. Nach herrschender Auffassung ist die Minderung sowohl für die Vergangenheit als auch für die Zukunft ausgeschlossen, wenn ein Mieter nach Bezug der Mieträume einen Mangel feststellt und danach die Miete über einen längeren Zeitraum, in der Regel sechs Monate, vorbehaltlos weiterzahlt (BGH NJW 1997, 2674 unter 2. a, b aa).
d) Aus denselben Gründen können sich die Beklagten nicht auf eine Minderung wegen der Rauschgeräusche in der Wassersteigeleitung und der unzureichenden Trittschalldämmung berufen. Auch hier handelt es sich um Mängel, die den Beklagten innerhalb kurzer Zeit nach Bezug der Wohnung nicht verborgen geblieben sein können.
e) Die Tatsache, dass die Mieter der anderen auf dem Grundstück befindlichen Wohngebäude mit ihren Kraftfahrzeugen mit überhöhter Geschwindigkeit von dem Parkplatz über den unmittelbar neben dem Wohnhaus der Beklagten verlaufenden Zufahrtsweg zur Straße fahren und damit nach Vortrag der Beklagten die Personen gefährden, die aus der Haustür heraustreten und danach unmittelbar den Zufahrtsweg betreten, rechtfertigt keine Minderung. Denn es handelt sich hierbei um keinen erheblichen Mangel, § 537 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die räumliche Situation des unmittelbar neben dem Wohnhaus in einem anhand der eingereichten Fotografie geschätzten Abstand von 1,50 m verlaufenden Zufahrtsweg bestand unstreitig schon seit Abschluss des Mietvertrages und war den Beklagten daher von Anfang an bekannt, so dass sie daraus keine Minderung gemäß § 539 BGB herleiten können, ungeachtet der Frage, ob eine derartige Konstruktion überhaupt einen Mangel im Sinne des § 537 Abs. 1 Satz 1 BGB darstellt. Das Verhalten von rücksichtslosen Mitmietern kann sicherlich nicht hingenommen werden und es ist Aufgabe der Kläger, diese zu einem rücksichtsvollen Verhalten aufzufordern, wenn ihnen konkrete Vorkommnisse gemeldet werden. Der mögliche Gefährdungszustand verwirklicht sich aber immer nur in dem Moment, wo ein Mieter die Haustür verlässt und ein Fahrzeug sich auf dem Zufahrtsweg nähert. Es handelt sich dabei um einen kurzen Moment von ein oder zwei Sekunden, der eben keine für Mängel übliche Dauerbeeinträchtigung darstellt. Aus eben diesem Grunde kann auch das Fehlen von Bodenschwellen, die die Geschwindigkeit der Fahrzeuge bremsen sollen, nicht als Mangel angesehen werden. …
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14.06.2016