Leitsätze:
1. Grundsätzlich obliegt es einem Vermieter, welcher eine Werkmietwohnung kündigt, dem Mieter bis zum Ablauf der Kündigungsfrist eine vergleichbare, im selben Haus oder in der selben Wohnanlage ihm zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehende Wohnung, die vermietet werden soll, zur Anmietung anzubieten.
2. In der Regel besteht diese Anbietpflicht bereits zu einem Zeitpunkt, in welchem der Vermieter beabsichtigt, nach Kündigung eines Hauswartdienstvertrages auch eine Beendigung des Mietverhältnisses wegen Betriebsbedarfs herbeizuführen.
3. Der Vermieter muss aber frei stehende Wohnungen solange nicht anbieten, wie noch nicht über die Beendigung des Hauswartdienstverhältnisses arbeitsgerichtlich rechtskräftig entschieden ist.
4. Die Revision wird zugelassen.
LG Berlin, Urteil vom 28.10.04 – 62 S 219/04 –
Mitgeteilt von RA Jürgen Klähn
Urteilstext
Aus den Gründen:
… Mit Urteil vom 27.4.2004, welches dem Beklagtenvertreter am 1.6.2004 zugestellt wurde, sind die Beklagten zur Räumung und Herausgabe der von ihnen innegehaltenen Hauswartsdienstwohnung verurteilt worden. Mit dem am 25.6.2004 eingegangenen Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten, welchem ein Entwurf der Berufungsbegründungsschrift beigefügt war, haben die Beklagten für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe beantragt. Mit ihrer am 14. Juli 2004 eingegangenen Berufung und Berufungsbegründung wenden sich die Beklagten gegen die erstinstanzliche Verurteilung und beantragen hilfsweise die Gewährung einer Räumungsfrist, während die Klägerin die Zurückweisung der Berufung erstrebt. Den Beklagten ist mit Beschluss der Kammer vom 26. Juli 2004 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der Versäumung der Berufungsfrist gewährt worden.
Die Beklagten verweisen in ihrer Berufungsbegründung insbesondere darauf, dass der Klägerin seit Kündigung des Hauswartsdienstvertrages vom 8.4.2002 mehrere andere Wohnungen zur Verfügung standen. So ist insbesondere zum 1.10.2002 im Vorderhaus 2. OG links, eine 120 qm große Wohnung und zum 1.12.2002 im Vorderhaus, 4. OG rechts, eine 93 qm große Wohnung neu vermietet worden. Wegen des weiteren Parteivorbringens im Einzelnen wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
Die statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO.
Die Berufung hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der von ihnen innegehaltenen Wohnung gemäß § 546 BGB, weil das Mitverhältnis der Parteien entsprechend den zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts durch die wirksame Kündigung der Klägerin vom 29. August 2003 (Bl. 18 ff. d.A.) zum 30.9.2003 beendet worden ist.
Die Voraussetzungen der §§ 576 Abs. 1 Nr. 2., 576 b, 573 Abs. 1 Satz 1 BGB liegen vor. Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses, weil sie nachvollziehbar dargelegt hat, dass sie die Wohnung der Beklagten als Hauswartsdienstwohnung für einen neu einzustellenden Hauswart mit Familie benötigt. Insbesondere ist das Vorbringen der Klägerin plausibel, wonach sie eine entsprechend große Drei-Zimmer-Wohnung benötige, weil sie einen Hauswart mit Familie gegenüber einer alleinstehenden Person vorziehe, damit gewährleistet sei, dass ständig jemand zur Verfügung stehe. Denn es erscheint nachvollziehbar, dass ein Hauswart mit Familie – insbesondere etwa mit schulpflichtigen Kindern – grundsätzlich an seinem Wohnort fester verankert und auch regelmäßiger zu Hause anzutreffen ist.
Die Kündigungsfrist des § 576 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist eingehalten.
Die Kündigung ist auch hinreichend begründet im Sinne von § 573 Abs. 3 BGB, weil die Klägerin im Kündigungsschreiben angegeben hat, dass sie die Wohnung als Hauswartsdienstwohnung für einen Nachfolger der Beklagten zu 1) benötige und auch bereits neue Bewerbungen für die Stelle vorlägen. Unschädlich ist dabei entgegen der Ansicht der Beklagten, dass die Klägerin ihre Überlegungen dahingehend, dass der Nachfolger eine Person mit Familie sein sollte und daher eine ausreichend große Wohnung benötigt wurde, in dem Kündigungsschreiben nicht angeführt hat. Denn dem Begründungserfordernis des § 573 Abs. 3 BGB ist bereits dann Genüge getan, wenn sich bei einer Kündigung wegen Betriebsbedarfs aus dem Kündigungsschreiben ergibt, dass das Arbeitsverhältnis beendet ist, dass der Vermieter die Absicht hat, die Wohnung einem anderen Arbeitnehmer zu überlassen und dass hierfür vernünftige, nachvollziehbare Gründe vorliegen (vgl. Blank in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 8. A., 2003, § 573 Rn 236 m.w.N.). Diese Angaben sind in dem Kündigungsschreiben der Klägerin enthalten. Einer umfassenden Darlegung aller Erwägungen der Klägerin bedürfte es im Kündigungsschreiben nicht.
Die Kündigung ist entgegen der von den Beklagten vertretenen Ansicht unter Hinweis auf die Entscheidung das LG Bochum in WM 1992, 438 auch nicht deshalb unwirksam, weil sie nicht innerhalb angemessener Zeit nach Beendigung des Dienstvertrages ausgesprochen wurde. Denn es kann im Hinblick auf den langen arbeitsgerichtlichen Rechtsstreit der Parteien zur Beurteilung der Angemessenheit nur auf den Zeitpunkt abgestellt werden, zu welchem die Klägerin mit Sicherheit von einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien ausgehen konnte. Dies war der Tag des Vergleichsschlusses vor dem Landesarbeitsgericht, der 12. Juni 2003. Dementsprechend ist die etwa zweieinhalb Monate später ausgesprochene Kündigung des Mietverhältnisses durchaus noch innerhalb eines angemessenen Zeitraums erfolgt.
Die Beklagten können sich ferner nicht auf das Vorliegen besonderer Härte im Sinne von § 574 Abs. 1 BGB berufen, da die Anwendung dieser Regelung durch die Vorschrift des § 576 a Abs. 2 Nr. 1 BGB vorliegend ausgeschlossen ist.
Die Kündigung der Klägerin ist auch nicht rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB). Die Klägerin war weder gehalten, eine andere in der Wohnanlage frei werdende Wohnung als Hauswartsdienstwohnung zu verwenden noch eine solche Wohnung den Beklagten als Alternativwohnung anzubieten.
Zwar obliegt es nach der allgemein in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Ansicht grundsätzlich einem Vermieter, welcher eine Werkmietwohnung kündigt, dem Mieter bis zum Ablauf der Kündigungsfrist eine vergleichbare, im selben Haus oder in derselben Wohnanlage ihm zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehende Wohnung, die vermietet werden soll, zur Anmietung anzubieten (vgl. bzgl. Kündigung wegen Eigenbedarfs Urteil des BGH v. 9.7.2003 in GE 2003, 1206). Als vergleichbare Wohnungen kommen hier nur die am 1. Oktober 2002 frei gewordene 120 qm große Wohnung und die zum 1. Dezember 2002 bezugsfreie 93 qm große Wohnung in Betracht. Denn bei allen übrigen zwischenzeitlich frei gewordenen Wohnungen handelt es sich um Zweizimmerwohnungen, welche nur eine Wohnfläche von 58 qm aufweisen (vgl. Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 11.5.2004, Bl. 91). Demgegenüber umfasst die Wohnung der Beklagten drei Zimmer und eine Wohnfläche von 93 qm. Diese Wohnungen sind daher mit der Wohnung der Beklagten nicht vergleichbar und auch zur Deckung des geltend gemachten Betriebsbedarfs nicht geeignet.
Dementsprechend haben die Beklagten auch noch im Termin am 28. Oktober 2004 zum Ausdruck gebracht, dass für ihre aus vier Personen bestehende Familie eine Zweizimmerwohnung zu klein sei.
Allein entscheidend ist daher, ob die Klägerin im Rahmen ihrer Anbietpflicht gehalten war, die zum 1. Oktober 2002 und zum 1. Dezember 2002 frei gewordenen 120 qm bzw. 93 qm großen Wohnungen den Beklagten anzubieten. Dies ist zu verneinen, weil die Klägerin zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste, ob ihre Kündigung des Dienstvertrages vom 8. April 2002 wirksam war. Nach dem Urteil des Landgerichts Berlin, Zivilkammer 61 vom 19.12.1996 in GE 1997, 243 f. besteht die Anbietpflicht des Vermieters zwar bereits zu einem Zeitpunkt, in welchem der Vermieter beabsichtigt, nach Kündigung eines Hauswartsdienstvertrages auch eine Beendung des Mietverhältnisses wegen Betriebsbedarfs herbeizuführen. Dem folgt die Kammer im vorliegenden Fall jedoch nicht. Denn es ist die Besonderheit zu beachten, dass nach dem erstinstanzlichen Urteil des Arbeitsgerichts vom 26.11.2002 die arbeitsrechtliche Kündigung vom 8. April 2002 unwirksam sein und der Hauswartsdienstvertrag gerade über den 30. November 2002 fortbestehen sollte. Die Klägerin konnte somit zu diesem Zeitpunkt nicht davon ausgehen, dass sie zur Kündigung des Mietvertrages berechtigt sein würde. Sie hatte seinerzeit noch keine ausreichende Grundlage für eine wirtschaftliche Kalkulation bezüglich der Hauswartsdienstwohnung. Es wäre der Klägerin im Hinblick auf die völlig ungewisse Rechtslage nicht zuzumuten gewesen, den Beklagten die Anmietung etwa der zum 1.12.2002 frei gewordenen Wohnung anzubieten und sodann im Fall der Annahme des Angebotes die Hauswartsdienstwohnung auf ungewisse Zeit für einen etwaigen Nachfolger der Beklagten zu 1) frei stehen zu lassen. Erst nach Abschluss des Prozessvergleichs vor dem Landesarbeitsgericht am 12. Juni 2003 hatte die Klägerin die Gewissheit, dass das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu 1) beendet war und erst zu diesem Zeitpunkt konnte sie auch den Entschluss fassen, den Mietvertrag zu kündigen. Der Fall liegt daher hier ähnlich demjenigen, welcher der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Mai 1993 (GE 1993, 851 ff.) zu Grunde lag. Im dortigen Fall konnte der Vermieter nach den Ausführungen des BVerfG auch nicht bereits zu dem Zeitpunkt, zu welchem er Verhandlungen über seine berufliche Tätigkeit mit ungewissem Ausgang führte, beurteilen, ob er eine Wohnung in seinem Hause benötigen würde und dementsprechend die Voraussetzungen für eine Eigenbedarfskündigung vorliegen würden.
Die Berufung ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 7, 711 ZPO.
Die Berufung [sic!] zum Bundesgerichtshof wird im Hinblick auf die unterschiedliche Rechtsprechung des Landgerichts Berlin (vgl. Urteil der Zivilkammer 61 v. 19.12.1996 in GE 1997, 243) zugelassen, § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
29.03.2022